Duisburg. . Duisburger Wissenschaftler arbeiten an den Hochleistungs-Batterien der Zukunft. Denn nur wer die besten Zellen herstellt, hat eine Chance.

Die Autobranche wird elektrisch. „Es wird kein Zurück mehr zum Verbrennungsmotor geben. Das hat die Branche mittlerweile begriffen“, sagt Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der Uni Duisburg-Essen. So will Volkswagen in den kommenden zehn Jahren 70 Elektro-Modelle auf die Räder stellen. Bei Mercedes plant man zehn reine E-Auto-Modelle bis 2022. Auch BMW weitet sein Angebot aus – die gesamte Branche setzt auf Strom.

Kern der E-Mobilität ist die Batterie. Um ihre Modelle anzutreiben, müssen die Autobauer große Mengen Lithium-Ionen-Zellen einkaufen, derzeit vor allem aus Asien, wo in riesigen und hochautomatisierten Produktionsanlagen ein Großteil der Zellen hergestellt wird. Zwar ist der Transport aus China oder Korea aufwendig und teuer, doch zu einer eigenen Zell-Produktion haben sich europäische und deutsche Hersteller bislang nicht durchringen können. Vor allem die immensen Investitionskosten schreckten Interessenten bislang ab.

Eine Milliarde Euro von der Bundesregierung

Das will die Bundesregierung ändern. Mit einer Milliarde Euro staatlichen Fördergeldern will Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) die Zellproduktion in Deutschland anschieben. Weitere Mittel sollen aus der EU kommen. In Berlin und Brüssel ist bereits die Rede vom „Airbus für Lithium-Ionen-Batterien“. An von dem rasant wachsenden Batteriezellenmarkt sollen auch Deutschland und Europa profitieren.

Die Aufbruchsstimmung ist groß, jeder will beim „E-Autoakku-Monopoly“ dabei sein, wie Brancheninsider den Boom nennen. Auch Nordrhein-Westfalen macht sich Hoffnungen, den Zuschlag für eine Batteriefabrik zu erhalten. Im Gespräch ist unter anderem eine Fläche auf dem Ford-Werksgelände in Köln. Aus Sicht der Landesregierung würde eine Batteriezellenproduktion perfekt ins Rheinische Revier passen, wo der Braunkohletagebau auf sein Ende zusteuert.

Prof. Ferdinand Dudenhöffer beim Car Symposium in Bochum.
Prof. Ferdinand Dudenhöffer beim Car Symposium in Bochum. © Ingo Otto

Professor Dudenhöffer aber tritt auf die Bremse. Eine Konkurrenz zu den asiatischen Marktführern aufzubauen, berge große Risiken. Gigantische Investitionssummen seien nötig – und der Erfolg fraglich. Mehr als 70 Prozent der weltweiten Produktionskapazitäten für Lithium-Ionen-Zellen teilten sich die chinesischen Unternehmen CATL und BYD, Panasonic aus Japan sowie Samsung und LG Chem aus Korea.

Aussichtsloser Kampf gegen die Weltchampions

„Das alles sind Weltkonzerne“, so Dudenhöffer. „Die Platzhirsche kennen das Geschäft in- und auswendig. Die Weltchampions des Batteriegeschäfts“ seien auf hochautomatisierte, hochpräzise Fertigungen, große Stückzahlen und hohe Effizienz getrimmt. Gegen die Gullivers der Welt mit Steuermitteln zu kämpfen, hält er für beinahe aussichtslos: „Die Risiken sind enorm, die Wertschöpfungsgewinne mehr als mager.“ Den Plänen der Bundesregierung erteilt er daher eine Absage: „Man gewinnt den Eindruck, dass es eher um Denkmäler statt um ökonomische Kalküle geht.“

Doch einen zweiten Weg, an dem riesigen Markt teilzuhaben, habe die Politik bislang übersehen: das Material. Hier liege der Kern der Leistungsfähigkeit der Zelle. „Mit unserer Chemieindustrie können wir überlegenes Material für Kathoden (Pluspol) und Anoden (Minuspol) herstellen und eine Art Monopolstellung aufbauen“, ist Dudenhöffer überzeugt.

Nanoforscher: Auf das Material kommt es an

Und an dieser Stelle kommt Hartmut Wiggers ins Spiel. Freundlich öffnet der Chemiker und Leiter der Abteilung Nanopartikelsynthese an der Uni Duisburg-Essen die gesicherten Türen des modernen Forschungsbaus auf dem Duisburger Campus. NETZ steht in silbrigen Buchstaben darüber, das steht für Nano-Energie-Technik-Zentrum und ist ein modernes Großlabor samt Büros. Wiggers schiebt die Hände in die Taschen und holt aus: „Zellfabriken schießen in Europa derzeit wie Pilze aus dem Boden.“

So plant der chinesische Batteriezellenspezialist CATL derzeit ein Werk in Erfurt. „Die kopieren ihre bestehenden Firmen eins zu eins nach Deutschland.“ Die Betreiber hätten einen großen Vorteil: Erfahrung. „In der Fertigung, also der Prozesstechnik, liegt die Kunst. Man kann leicht für viel Geld viel Schrott produzieren, wenn man nicht genau weiß, wie es geht“, so Wiggers. Asien habe schon vor zehn Jahren milliardenschwere Förderprogramme aufgelegt. Jetzt dagegen halten zu wollen, werde schwierig. Und er erinnert an die Fertigung von Solarzellen in Deutschland, die von der chinesischen Konkurrenz weggespült wurde.

Mehr Leistung für Batteriezellen

„Das Material entscheidet über die Leistung einer Batterie“, betont Wiggers. Seit Jahren forscht sein Team mit Wissenschaftlern aus Europa und den USA an leistungsfähigeren Speichermaterialien für Hochleistungs-Lithium-Ionen-Batterien. Vor allem die Anode hat er sich vorgenommen. Sie besteht üblicherweise aus Graphit. Wiggers und sein Forscherteam experimentieren mit Anoden aus Silizium in Form von winzigen Nanopartikeln. Ziel ist eine deutlich kleinere und leichtere Zelle mit höherer Kapazität.

Hunderte kleine Batteriezellen werden in einem Testschrank ständig be- und entladen, um ihre Kapazität zu prüfen.
Hunderte kleine Batteriezellen werden in einem Testschrank ständig be- und entladen, um ihre Kapazität zu prüfen. © Lars Fröhlich

Das Problem ist, dass sich die Silizium-Partikel beim Laden um 300 Prozent extrem ausdehnen und beim Entladen wieder schrumpfen – „wie ein Luftballon“, erklärt Wiggers. Daher komme es darauf an, das Silizium so clever „einzupacken“, dass dieser Prozess störungsfrei ablaufen kann. „Unsere Anoden erreichen eine fünf- bis sechsfache Kapazität von Graphit bei gleichem Gewicht“, erklärt Wiggers. Im Labor werden die Zellen dann aufwendig getestet. Und im Gegensatz zum kritischen Kobalt sei Silizium eine unerschöpfliche Ressource. Wiggers: „Das ist das zweithäufigste Element in der Erdkruste – nach Sauerstoff.“

Ob diese Fortschritte ausreichen, um die Giganten der Branche herauszufordern, muss sich noch herausstellen. Für Prof. Dudenhöffer aber ist klar: „Wer das beste Material hat, den umwerben alle Zellhersteller.“

>>> Zur Person

Hartmut Wiggers studierte von 1983 bis 1989 Chemie an der WWU Münster und der TH Darmstadt mit den Schwerpunkten Festkörperchemie und Elektrochemie. Von 1990 bis 1998 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Anorganische Chemie der damaligen Universität Essen und promovierte 1993. 1998 wechselte Wiggers an die damalige Universität Duisburg und baute den Bereich Nanopartikelsynthese am Institut für Verbrennung und Gasdynamik (IVG) aus.

Seit 2001 ist er Leiter der Abteilung Nanopartikelsynthese. Wiggers war maßgeblich verantwortlich für die Einrichtung und den Aufbau des Bereichs Nano-Energie & Nanopartikelsynthese. Seit einigen Jahren beschäftigt er sich mit Materialien für Batteriesysteme und ist seit 2012 Mitglied im Direktorium des Zentrum für Brennstoffzellentechnik (ZBT).