Duisburg-Bissingheim. Sie sind 17 und 18 Jahre und erzählen über 100 Jahre Bissingheim: die Schüler Tom Jülke und Laurin Bräunig. Wie ihr Film im Dorf zum Hit wurde.
Zwei Teenager haben die 100-jährige Geschichte Bissingheims aufgearbeitet – das Ergebnis: ein 90-minütiger Heimatfilm mit Zeitzeugen. Im Dorf ist der Film ein Hit. Wer ihn bisher verpasst hat, bekommt noch eine Chance, ihn zu sehen.
Bereits zum vierten Mal zeigten Tom Jülke (17) und Laurin Bräunig (18) am Freitag ihren Film „Unser Bissingheim – Geschichten aus dem Dorf“. Und auch diesmal war der Pfarrsaal der Katholischen Kirche wieder bis auf den letzten Platz besetzt. Das Interesse an der berührenden Reise in die Vergangenheit des liebenswerten Dorfes zwischen Bahn und A3 ist ungebrochen, den von Zeitzeugen kommentierten gut eineinhalbstündigen Rückblick will man sich einfach nicht entgehen lassen. Dabei ist schon erstaunlich, dass das Projekt ausgerechnet von zwei blutjungen Bissingheimern realisiert wurde.
Zwei Schüler drehen einen Film zur Dorfgeschichte von Duisburg-Bissingheim
Laurin Bräunig, der das Landfermann-Gymnasium besucht, erzählt, dass der Film eigentlich zur 100-Jahr-Feier im vergangenen Jahr fertig sein sollte. Geplant war ursprünglich eine 20-minütige Fassung. Dass man damit dem Thema nicht gerecht werden konnte, merkten die jungen Filmemacher schnell. „Wir hatten in kurzer Zeit so viele Geschichten zusammen und mussten eine Auswahl treffen, welche wir verwenden wollten“, erinnerte sich der Mannesmann-Gymnasiast Tom Jülke.
Toms Mutter Gabi hatte schon lange Zeit die Idee, das Dorfleben und die Vergangenheit Bissingheims filmisch zu dokumentieren. Das Projekt der beiden Schüler hat sie natürlich unterstützt und begleitet. Kontakte zu Dorfbewohnern, die noch von den alten Zeiten berichten konnten, waren schnell hergestellt. Man kennt sich halt im alten Eisenbahner-Ort.
Zeitzeuge erzählt von Kindheitsstunden im Bunker im Zweiten Weltkrieg
Einer dieser Zeitzeugen ist Wilfried Schütte, der als Kind noch die Zeit des 2. Weltkriegs miterlebt hat. Der heute 83-Jährige hat damals viele Stunden in einem der Bunker im Buchenwäldchen verbracht und voller Angst darauf gewartet, dass die Bomber wieder abzogen. Schütte wohnte in unmittelbarer Nähe der Schutzbunker und erinnert sich noch gut an deren Bau: „Die wurden damals von Kriegsgefangenen aus dem Osten gebaut. Obwohl es verboten war, hat meine Mutter den Zwangsarbeitern oft etwas zu essen gegeben, da wurde einfach ein Schlag mehr Erbsensuppe gekocht. Zum Dank schenkten die Kriegsgefangenen uns Kindern kleine handgeschnitzte Spielzeugfiguren.“
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Dieter Geue („Wir waren einfach froh, überlebt zu haben“) schilderte, wie es kurz nach dem Krieg in Bissingheim aussah: „Die großen Grundstücke wurden zur Selbstversorgung genutzt, da wurden Hühner, Schweine, Ziegen und Gänse gehalten, Kartoffeln und Gemüse angebaut. Wir hatten alles, was wir brauchten.“ Da erwies es sich als äußerst praktisch, dass es bis Mitte der 1950er-Jahre noch keine Kanalisation gab, wie Christel und Werner Heiß zu berichten wussten: „Wir hatten alle nur Plumpsklos, alles wurde in einem Jauche-Bassin gesammelt. Und damit wurden dann im Herbst die Gärten gedüngt. Im Dorf wurde für diese Zeit der Geruch, den die Dampfloks auf dem nahen Verschiebebahnhof erzeugten, vom Jauche-Duft verdrängt. Das war schon heftig.“
In den 1950er Jahren konnten die Bissingheimer im Stadtteil noch einkaufen
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Im Gegensatz zu heute gab es mit Beginn des Wirtschaftswunders in den 1950er-Jahren im Ort zahlreiche Geschäfte, die die Nahversorgung der Bissingheimer sicherstellten. Christel Heiß zählte auf: „Es gab neben dem Konsum am Dorfplatz noch weitere Lebensmittelgeschäfte, zwei Metzger, einen Milchmann, zwei Bäcker, einen Friseur, ein Schreibwarengeschäft und noch andere Läden.“
Dieter Geue denkt gerne an die Kindheit in der Siedlung zurück: „Wir hatten den Wald, im Sommer waren wir am Blauen See und im Winter zum Schlittenfahren am Fliegerberg. Wir fühlten uns frei, waren immer draußen, kloppten uns manchmal mit den Jungs aus Wedau, das war einfach wunderschön.“ Geue erzählt auch heute noch gerne von den Späßen, mit denen man das strenge Schulleben an der Volksschule auflockerte oder auch von den Streichen, die man dem Dorfpolizisten Petersburg spielte.
Das bewegende Filmdokument, das auch ein Stück Zeitgeschichte widerspiegelt, macht deutlich, dass die Bissingheimer mit sehr viel Liebe auf ihr auch heute noch idyllisches Dorf blicken, die Gemeinschaft dort besonders schätzen und nirgendwo anders leben möchten. Projektbetreuerin Gabi Jülke freut sich über das ungebrochene Interesse an dem außergewöhnlichen Heimatfilm. Bisher war jede der vier Vorstellungen ausverkauft und wurde jeweils von rund 100 Bissingheimern besucht. Wegen der großen Nachfrage soll es im Mai eine weitere Vorführung geben.