Duisburg-Bissingheim. Erinnerungen an Sommerbuden zwischen Bäumen und dampfende Lokomotiven — an Abenteuer mit dem Flitzebogen und im Wintersportparadies Fliegerberg

Die unverwechselbaren Geräusche der dampfenden Lokomotiven, das Quietschen der Schienen und die laut aufprallenden Waggons vergisst man nie. Jedenfalls nicht, wenn man in den 1950er- und 1960er Jahren im alten Eisenbahnerstadtteil Bissingheim aufgewachsen ist, so wie ich. Verursacht wurde der heute wohl als unzumutbar empfundene Lärmpegel vom großen Rangierbahnhof, der unmittelbar westlich von Bissingheim viele Jahre in Betrieb war.

Dort wurden Tag und Nacht die Güterzüge für ihren weiteren Weg zusammengestellt. Der Verschiebebahnhof - einer der größten in Deutschland - gehörte zum südöstlichen Duisburger Stadtteil untrennbar dazu wie das Ausbesserungswerk der Bahn, bei dem viele Bissingheimer - und Wedauer - Arbeit fanden.

Nach der Schule ging’s sofort nach draußen

Bissingheim wurde aber nicht nur vom Arbeitsrhythmus der Bahn bestimmt. Das kleine Dorf war aufgrund seiner waldreichen Lage einfach eine Idylle und für uns Kinder ein großer Abenteuerspielplatz.

Damals gab es noch keine von Spielzeug überbordenden Kinderzimmer. Und auch keine „Helikopter-Eltern“, die jeden Schritt ihres Nachwuchses im Auge behielten. Nach der Schule und dem Mittagessen ging’s so schnell wie möglich raus, die Freunde warteten ja schon.

Wenn der Ball in Nachbars Bohnen landete

Davon hatte man schließlich genug, an Kindern war kein Mangel. Bei uns Jungs stand natürlich Fußballspielen im Mittelpunkt. Das konnte man durchaus noch auf der Straße, jedenfalls am Holderstrauch, wo ich aufgewachsen bin. Allerdings sollte man schon darauf achten, dass der Ball nicht in einem der vielen Nutzgärten landete, inmitten der Bohnen und Tomaten - denn die Eisenbahner waren zum großen Teil Selbstversorger. Und falls das doch mal passierte, musste man bei der Jagd nach dem Ball schneller als der zeternde Gartenbesitzer sein, der das Spielgerät in so einem Fall oftmals für längere Zeit aus dem Verkehr zog.

Nahversorung war in den 50ern kein Problem. Rund um den Marktplatz gab’s alles.
Nahversorung war in den 50ern kein Problem. Rund um den Marktplatz gab’s alles. © Helmut Ternes

Der nahe Wald war zum Spielen einfach ideal. Direkt hinter der Autobahn kurz vor der Mülheimer Stadtgrenze befand sich einer von mehreren Natur-Fußballplätzen, zwei Bäume bildeten dort jeweils die Tore.

Im Waldstück hinter dem Worringer Weg bauten wir im Sommer Buden aus Ästen und Farnkraut. Zum Leidwesen des Försters wurden auch schon mal die Bachläufe durch den Bau großer Staudämme trocken gelegt.

Wenn’s später wurde, gab’s Ärger

Zur Verteidigung unseres Gebiets bauten wir uns „Flitzebogen“, die Pfeile dazu wurden aus dünnen Ästen geschnitzt. Kämpfe mit anderen „Banden“ aus dem Ort waren an der Tagesordnung und sorgten nicht nur für eine Belebung des Spielnachmittags, sondern auch für manche Schramme. Solange man bei Einbruch der Dunkelheit daheim war, war die Welt in Ordnung. Ärger gab’s nur, wenn es später wurde.

Wir hatten einfach alles, was man als Kind braucht. Im Sommer lud der „Blaue See“ zum Schwimmen ein. In kalten Wintern wurde aus dem See eine ideale Eislauffläche. Wenn Schnee gefallen war, wurde der Fliegerberg zum beliebten Wintersportparadies.

Beliebter Treffpunkt der Dorfjugend war die Raupe

Vor dem alten ETuS- Sportplatz am südlichen Ende des „Blauen Sees“ befand sich der Kirmes-Platz. Einmal im Jahr gab es dort anlässlich des Siedlerfestes ein buntes Kirmestreiben. Zu diesem Fest gehörte auch immer ein bunter Umzug durchs Dorf, bei dem die Kinder ihre Roller, Puppenwagen und Fahrräder fantasievoll schmückten.

Beliebter Treffpunkt der Dorfjugend war die „Raupe“, bei der sich während der Fahrt zur Freude der jungen Pärchen das Verdeck schließen ließ und die neuesten Schlager aus den Boxen dröhnten.

Irgendwie wurde man dann schneller erwachsen, als man dachte. Die Erinnerungen an eine unbeschwerte Kindheit und Jugendzeit bleiben zum Glück. Und das ist gut so.