Duisburg. Der dritte Band des Duisburgers Ulrich Schnakenberg widmet sich der deutschen Geschichte von 1949 bis zur Gegenwart – in bissigen Zeichnungen.

Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte? Es gibt Bilder, die können Geschichte(n) erzählen, sogar das Weltgeschehen kommentieren. Guten Karikaturen gelingt das. Der Duisburger Historiker und Karikaturen-Sammler Dr. Ulrich Schnakenberg lädt jetzt mit seinem dritten Buch „Deutsche Geschichte in Karikaturen“ zu einer Bilderreise von 1949 bis zur Gegenwart ein.

„Ich habe mich auf drei Zeichner konzentriert, die absolute Spitzenkarikaturisten gewesen sind, Horst Haitzinger ist noch immer einer.“ Die meisten der Zeichnungen stammen vom 2008 gestorbenen Fritz Behrendt, von dem Schnakenberg 10.000 Karikaturen in seinem Privatarchiv in Trompet hütet; dazu kommen Zeichnungen aus Amsterdam und dem Haus der Geschichte in Bonn. Insgesamt hat der Lehrer und Dozent an der Uni Duisburg-Essen 155 Karikaturen aus über 30.000 Zeichnungen für das Buch ausgewählt, das die Geschichte der deutschen Demokratie ab 1949 erzählt.

Fritz Behrendt war politisch geprägt von zwei Diktaturen

„Er war weltweit bekannt“, sagt Schnakenberg über den 1925 in Berlin geborenen Behrendt, der 1938 mit seiner Familie vor den Nazis nach Amsterdam flüchtete. Er wurde Kommunist, ging nach dem Krieg in die DDR – und wurde aus politischen Gründen verhaftet. Das Erleben zweier Diktaturen habe ihn geprägt, so Schnakenberg: „Ein großes Thema wurde dann der Antikommunismus.“ Darunter litt Behrendts kritischer Blick auf das politische und gesellschaftliche Leben aber nicht.

Die Proteste gegen den Nato-Doppelbeschluss 1979 angesichts der Aufrüstung der UdSSR sah Fritz Behrendt kritisch.
Die Proteste gegen den Nato-Doppelbeschluss 1979 angesichts der Aufrüstung der UdSSR sah Fritz Behrendt kritisch. © Ulrich Schnakenberg

Dass Bundeskanzler Konrad Adenauer und der französische Staatspräsident Charles de Gaulle es schafften, die „Erbfeindschaft“ der Nachbarn zu beenden und sich in Reims die Hände schüttelten, würdigte Behrendt als historische Leistung. Er kommentierte mit dem Zeichenstift die Frage, ob Nazi-Verbrechen verjähren dürfen, die 68er Bewegung (Rudi Dutschke mixt einen Cocktail unter anderem mit den Zutaten Lenin und Castro), die „Willy“-Wahl 1972, die Ölkrise 1979, die Rentenfrage, die sich schon 1983 stellte, das Zusammenwachsen Europas, den Nato-Doppelbeschluss und die Friedensbewegung, das Waldsterben und die Atomkraft, das Entstehen der Grünen, Dauerkanzler Kohl oder die Wiedervereinigung.

Mit Alfred Beier-Reid ist auch der führende Karikaturist der DDR vertreten

Der 1902 geborene Alfred Beier-Reid gehörte zu den führenden Karikaturisten in der DDR. Er zeichnete für das „Neue Deutschland“, das Parteiorgan der SED. Allerdings durfte er keine innenpolitischen Vorgänge aufs Korn nehmen, sondern nur bestimmte Themen aufgreifen. So bringt er etwa die 1968 in der Bundesrepublik verabschiedeten Notstandsgesetze in einen Zusammenhang mit der neuen Verfassung der DDR. Später sei nur noch wenig von Beier-Reid zu finden, der 2001 starb, so Schnakenberg.

Der 1939 in Österreich geborene Horst Haitzinger, der in München lebt und seit fast 50 Jahren täglich eine Karikatur für die Münchner „tz“ zeichnet, gehört zu den bekanntesten Karikaturisten in Deutschland. Und ist bis heute ein scharfsinniger Beobachter von politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, wie seine Karikatur über den Untergang der humanitären Hilfe in der Flüchtlingswelle 2014 zeigt.

Horst Haitzinger zeichnet immer noch scharfsinnige Kommentare

Er zeichnet die rechtspopulistische Pegida-Bewegung als Rattenfänger, dem nicht nur Ratten folgen. Die letzte Karikatur des Buchs stammt von Haitzinger aus dem Jahr 2001 und gilt der Homo-Ehe, die die Liberalisierung der Gesellschaft widerspiegelt. Haitziger augenzwinkernd: Nein, der frisch Angetraute ist nicht schwanger, es ist nur ein Bierbauch.

Das Buch erinnert Ältere daran, dass früher keineswegs alles einfacher oder besser war, und es führt Jüngeren vor Augen, dass auch die Generationen vor ihnen berechtigte Ängste hatten – noch nicht vor dem Klimawandel in einer Zeit, als rauchende Schlote Arbeitsplätze bedeuteten, aber beispielsweise vor einem Atomkrieg. Bundestagspräsident Norbert Lammert schreibt im Vorwort: „Beim täglichen Blick in die Zeitung kann uns die Karikatur unsere Verantwortung für Freiheit und Demokratie im wahrsten Sinne des Wortes anschaulich vor Augen führen.“