Duisburg-Ungelsheim. . Vera Steffens verkauft ihre Waren am liebsten auf kleinen Märkten. In Ungelsheim ist sie von Anfang an dabei und kennt viele Kunden seit Jahrzehnten.

„Frau Steffens“ geht schon mal gar nicht. „Ich bin die Vera – die meisten Kunden wissen gar nicht, wie ich mit Nachnamen heiße.“ Das wäre also geklärt.

Um halb sechs am Morgen hat Vera ihre Blumen und Kränze, das Tannengrün, die Gestecke, Eier und Kartoffeln im strömenden Regen auf dem kleinen Ungelsheimer Marktplatz am Finkenacker aufgebaut. 17 Karren voller Waren. Seit zwei Uhr in der Nacht ist sie auf den Beinen. Fünf Tage die Woche. Seit 50 Jahren. Wie bekommt man das hin? „Mit viel Humor und viel Liebe zum Markt.“

Umarmungen und Küsschen für alle

Liebe, das wird schnell klar, gibt es hier jede Menge: Küsschen für Marlies, Umarmungen für Ingeborg. Natürlich werden auch die Kunden geduzt, die meisten kommen ja selbst schon seit Jahrzehnten her. Sie bringen Vera, „unserer Liebsten und Besten“, heißen Kaffee vorbei, Plätzchen, Pralinen.

Vera kennt nicht nur ihre Vornamen, sondern auch ihre Geschichten: die privaten Sorgen, die körperlichen Gebrechen. Der Rücken macht Probleme, der Mann ist wieder im Krankenhaus, das Auto in der Werkstatt – „dreieinhalb Tausend Euro!“ Vera fühlt mit, Vera baut auf, Vera drückt und knuddelt. Dabei hat sie selbst mit Arthrose und Rheuma zu kämpfen: „Der Winter ist Gift für meine Knochen“. Aber jammern hört sie hier keiner; stattdessen strahlt sie und lacht und lässt keinen Spruch, keine Neckerei, keine Zote aus. Manches zitiert man an dieser Stelle besser nicht.

Kränze mit echter Tanne oder „echt künstlich“

Wie man es schafft, jeden Morgen um zwei Uhr aufzustehen? „Mit viel Humor und viel Liebe zum Markt.“
Wie man es schafft, jeden Morgen um zwei Uhr aufzustehen? „Mit viel Humor und viel Liebe zum Markt.“ © Christoph Wojtyczka

Mit 18 hat Vera damals geheiratet, der Mann hielt nicht ganz, was er versprochen hatte, und so baute sie sich ihr eigenes Geschäft auf: verkaufte erst Basteleien aus Strohblumen, dann Blumen aus dem Garten. Später kamen die Kinder – sie hatte weniger Zeit und brauchte Waren, die nicht über Nacht kaputt gingen. Also nahm sie Textilien ins Sortiment. Und ihr Stand wuchs und wuchs.

„Ich habe wirklich Ehrfurcht davor, wie sie malocht“, sagt ein Kunde, „Vera ist die Seele des Marktes“, sagt eine Kundin. „Wenn ich Glück habe, bin ich um halb neun im Bett“, sagt Vera.

Seit einigen Jahren ist sie wieder zu Kränzen und Gestecken zurückgekehrt, alles selbst gebunden und dekoriert, „teilweise echt Tanne, teilweise echt künstlich – so haste keine Tannennadeln im Kuchen“. Im Sommer auf ihrer Terrasse wickelt sie den feinen Golddraht um die Zimtstangen und steckt die Drähte in die Kerzen, so dass sie jetzt, im November, ein ganzes Sortiment prachtvoll dekorierter Adventskränze anbieten kann. Außerdem gibt es bei ihr Pflänzchen zu kaufen, ein paar Schnittblumen, Kartoffeln, Äpfel und „glückliche dicke Eier“.

Urlaub mit der Facebook-Freundin

Im Schnitt hat sie 100 Kunden pro Markttag – weniger als früher, die Discounter verkaufen ja mittlerweile alles. Und nun auch noch das schlechte Wetter. „Manchmal glaube ich, der liebe Gott hat was gegen uns Marktleute.“

Dafür bleibt nun mehr Zeit für ein Schwätzchen. Eigentlich hatte sie mal geplant, mit 65 aufzuhören: „Da bin ich aber schon fünf Jahre drüber.“ Also weg mit der selbst gesetzten Altersgrenze: „Ich brauche das einfach – den Kontakt, die Streicheleinheiten“, sagt Vera, bevor sie auch schon die nächste Kundin begrüßt: „Mein Liebling, komm in meine Arme, ich massiere dich!“

Nur im Januar, da würde sie gern ein bisschen Urlaub machen, Sonne tanken, „Fuerteventura wäre schön – für eine, oder vielleicht zwei Wochen“. Mit einer Facebook-Freundin.

Und als hätte der liebe Gott etwas dagegen, klart es plötzlich auf: Sonnenstrahlen fallen auf den Marktplatz, ganz als wollte da jemand sagen: „Vera! Sonne tanken kannst du doch auch hier in Ungelsheim!“

>>> BISLANG KEINE BETEILIGUNG VON DUISBURG KONTOR

Der Ungelsheimer Markt ist in den vergangenen Jahren immer kleiner geworden, zeitweise bestand er nur noch aus vier Ständen, momentan sind es sechs. Außerdem klagten die Händler darüber, dass ein Wasseranschluss und Toiletten fehlten.

Im Sommer hatte Duisburg Kontor Gesprächsbereitschaft signalisiert. Man würde über eine Beteiligung an dem Markt nachdenken.

Beim Nachdenken ist es bislang offenbar geblieben, neue Entwicklungen in der Sache konnte Patrick Kötteritzsch vom Duisburg Kontor nicht mitteilen.

Auch das Problem fehlender Wasseranschluss besteht fort.