Duisburg. Handyauswertungen und eine Rekordzahl an Mordkommissionen sorgen bei der Kripo Duisburg für viele Überstunden. Gewerkschaft schlägt Alarm.

Ermittler, die bis zu 80 Überstunden im Monat anhäufen und teilweise drei Wochen am Stück durcharbeiten – die Gewerkschaft der Duisburger Kriminalpolizei schlägt Alarm. „Die Kollegen sind kaum Zuhause, Gesundheit uns Familie bleiben auf der Strecke. Erschöpfungssyndrome tauchen regelmäßig auf“, berichtet Joachim Thies, Geschäftsführer des Bezirksverbandes Duisburg im Bund Deutscher Kriminalbeamter.

Wenn die Duisburger Kripo in einem aktuellen Fall ermittelt, spielen die eigentlichen Arbeitszeiten keine Rolle mehr. „Dann muss es schnell gehen. Der Druck – auch von der Politik – ist da“, erklärt Arno Eich, Kriminalbeamter und 1. Vorsitzender des BDK Duisburg. Ein Beispiel aus der Praxis: Nach dem Leichenfund von Mine O. am späten Abend des 5. Dezembers hat der letzte Ermittler der Mordkommission um 3.30 Uhr das Licht ausgeknipst. Die Obduktion stand noch am Abend an, der Bericht für den Haftrichter musste so schnell wie möglich fertig sein. „Um 7 Uhr war der Kollege wieder im Büro“, sagt Eich. „Dass es in diesem Job Spitzen gibt, ist klar. Die Spitzen sind aber Normalität geworden“, fügt er an. Die Gründe dafür seien vielschichtig, vor allem aber: Die Zahl der Fälle nimmt zu, die Ermittlungen werden aber immer komplexer. So steht jetzt schon fest, dass die Polizei das Jahr 2019 mit einer Rekordzahl von Mordkommissionen abschließen wird.

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Duisburg: Aufwendige Ermittlungen bei Kapitaldelikten

Die Verteilung der Stellen bei der Polizei richtet sich nach der Polizeikriminalistischen Statistik (PKS). Dort werden unter anderem die Zahl der Verbrechen und Aufklärungsquoten erfasst. Für Arno Eich geht dieser Verteilungsschlüssel zu Lasten der Kripo. „Denn unsere Fälle erfordern teilweise extrem zeitaufwendige Ermittlungen“, sagt Eich. So seien Handyauswertungen mittlerweile Standard. Das bedeutet: Hat man ein Smartphone sichergestellt müssen alle Bilder und alle Videos auf der Festplatte angesehen werden. „Die eine Datei kann schließlich den entscheidenden Hinweis liefern“, erläutert Thies, er hat bis zu seiner Pensionierung im Bereich der Organisierten Kriminalität ermittelt. Aktuell arbeiten in der Direktion Kriminalitätsbekämpfung 390 Polizeibeamte und Regierungsbeschäftigte. Im Vergleich zu 2014 hat die Zahl leicht abgenommen. Vor fünf Jahren arbeiteten in diesem Bereich 350 Menschen.

Die Arbeitszeit bei der Kripo wird elektronisch erfasst. Dann wird es aber kompliziert: Die Beamten, deren Wochenarbeitszeit laut Tarifvertrag 41 Stunden beträgt, bedienen drei Zeitkonten: Die Überstunden, die sie während der Rufbereitschaft sammeln, können mit Freizeitausgeglichen werden. Genauso wie die Überstunden aus der täglichen Gleitzeit. Anders ist es aber bei den Mehrdienststunden, die für akute Einsätze wie zuletzt die Pegida-Demonstration oder in Ermittlungen von Mordkommissionen anfallen. Diese können nach einem Jahr ausbezahlt werden.

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„Die Kommissariatsleiter sind verzweifelt“

Der Kriminalbeamte Arno Eich kritisiert, dass vor allem der Freizeitausgleich nur schwer zu realisieren sei. Denn: Die Ermittler würden schon parallel in mehreren Kommissionen arbeiten – und auch noch andere Behörden unterstützen, wie aktuell bei den Kinderporno- und Missbrauchsvorwürfen von Bergisch Gladbach. Wenn ein Fall abgeschlossen ist,gewalt gegen duisburgs polizei- so geht es mit tätern weiterliegt der nächste schon wieder auf dem Tisch. „Die Kommissariatsleiter sind verzweifelt“, so Eich. Auch, weil sie die stark belasteten Mitarbeiter gerne nach Hause schicken würden, aber den Druck der aktuellen Fälle spüren.

Polizeipräsidentin Elke Bartels kennt die große Belastung, die auf die Kripo wirkt: „Ich weiß, dass die Arbeit unserer Ermittler durch das anstrengende Alltagsgeschäft genauso wie durch zahlreiche Ermittlungs- oder Mordkommissionen und besondere Einsatzlagen mit vielen Überstunden verbunden ist. Ohne das unermüdliche Engagement der Kolleginnen und Kollegen wäre das nicht zu schaffen“, verdeutlicht sie. Man habe wegen der steigenden Arbeitsbelastung bereits Veränderungen in der Organisation vorgenommen.

Überstunden: Antrag von Personalrat abgelehnt

An manchen Stellen in der Polizei vermissen Thies und Eich aber aden Rückhalt der Kollegen. Im Sommer habe man einen Antrag gestellt, die Arbeitsbelastung zu ermitteln. Der überschaubare Erfolg hat Arno Eich frustriert: „Der Personalrat hat das abgelehnt. Ganz ehrlich: Uns fehlt auch die Lobby, weil wir natürlich ein Teil der Polizei mit sehr speziellen Aufgaben und Problemen sind.“