Das Jahr ist nicht vorbei und schon jetzt ist klar: Die Polizei Duisburg hat noch nie so viele Mordkommissionen eingesetzt. Das sind die Gründe.

Noch nie hat es bei der Polizei in Duisburg so viele Mordkommissionen gegeben wie in diesem Jahr. Dies teilte Polizeisprecher Stefan Hausch auf Nachfrage der Redaktion mit. Was die Gründe dafür sind. Und wo die Ermittlungen in den laufenden Fällen stehen.

„Wir haben mit 63 bereits jetzt den Rekordwert von 54 Mordkommissionen aus 2017 übertroffen“, so Hausch. „Und das Jahr ist ja noch nicht zu Ende...“ Wobei das zuständige Kriminalkommissariat 11 nicht nur für Duisburg, sondern für den kompletten Kreis Wesel zuständig ist. „Aber allein in Duisburg mussten bis jetzt 45 Kommissionen gebildet werden“, so der Sprecher. „Vor rund 15 Jahren hatten wir nur halb so viel.“

„Duisburg bietet viel sozialen Sprengstoff“

Die Gründe für den Anstieg seien vielfältig. „Einerseits gibt es einen zunehmenden Werteverfall in der Gesellschaft mit einer zunehmenden Enthemmung“, so Hausch. „Der Hass, den wir etwa in den sozialen Medien feststellen, entlädt sich immer häufiger auf der Straße. Früher wurde sich auch geschlagen, aber wenn einer am Boden lag, hat keiner mehr draufgehauen.“

Das sei heute anders, gerade wenn Alkohol und Drogen im Spiel sind. „Dazu bietet Duisburg viel sozialen Sprengstoff aufgrund einer hohen Arbeitslosigkeit und aufgrund von Bevölkerungsgruppen, die mitunter beim Thema Gewalt eine niedrigere Hemmschwelle haben“, so Hausch.

Es sei aber auch festzustellen, dass die Staatsanwaltschaft immer häufiger für einen Einsatz von Mordkommissionen plädiere. „Wir sind einfach sensibilisierter als früher“, sagt Devrim Ermis, Abteilungsleiterin für Kapitaldelikte. „Wer mit einem Messer zusticht oder brutal auf jemanden einschlägt, nimmt lebensgefährliche Verletzungen in Kauf. Dieser so genannte bedingte Vorsatz ist in der Vergangenheit auch in der Rechtsprechung noch anders als heute bewertet worden.“

Aktuell gibt es fünf Mordkommissionen

Fakt ist: Ist die Entscheidung einmal gefallen, eine Mordkommission einzusetzen, können die Ermittlungen mit einem höheren Personalaufwand betrieben werden. Allerdings: Bei aktuell fünf Mordkommissionen müssen einige Ermittler an mehreren Fällen gleichzeitig arbeiten.

Einen besonderen, auch emotionalen Stellenwert hat der Fall „Baby Mia“. Arbeiter einer Altkleider-Sortieranlage im polnischen Kielce hatten am 17. November 2018 die Leiche eines Neugeborenen in einem Container entdeckt. Der Kleidertransport war aus Duisburg gekommen.

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Rund ein Jahr später gibt ein Gutachten neue Anhaltspunkte bei der Suche der bis heute nicht gefundenen Mutter des toten Babys. Die Ergebnisse einer Isotopenanalyse, von Muskel- und Gewebeproben des Säuglings, belegen demnach, dass sie zum Zeitpunkt der Schwangerschaft im Großraum Duisburg gelebt hat. Die Polizei hofft jetzt, dass sich doch noch Zeugen melden, startet dazu auch eine Plakataktion im Duisburger Stadtgebiet.

Spuren führen ins Drogenmilieu

Neue Erkenntnisse gibt die Polizei nun auch im Fall eines Mannes (41) bekannt, der am 16. Oktober gegen 22 Uhr tot in seiner Wohnung an der Krummbeeckstraße in Beeck gefunden wurde. Demnach haben die Ermittler Ansatzpunkte dafür, dass der Mann im Drogenmilieu zu Hause war. Es besteht der Verdacht des Raubmords.

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Die Mordkommission sucht weiter Zeugen, die an jenem Abend gegen 21 Uhr ein silbernes Auto, ähnlich einem Opel Astra, mit einer Delle hinten rechts gesehen haben. Der Wagen könnte mit mindestens zwei dunkel gekleideten, tatverdächtigen Männern besetzt gewesen sein.

Manchmal steht die Polizei vor einer Mauer des Schweigens

Manchmal gestalten sich Ermittlungen laut Hausch schwierig, weil die Mordkommission vor einer Mauer des Schweigens steht. So wie nach der Schlägerei vor dem Sport-Café Laola an der Ecke Wanheimer Straße/Bachstraße am 12. Oktober in Hochfeld. Gegen 20.45 Uhr hatten sich dort zwei Gruppen eine Schlägerei geliefert.

Wann Mordkommissionen gebildet werden

Bevor eine Mordkommission gebildet wird, stimmen sich Polizei und Staatsanwaltschaft ab. Dabei handelt es sich laut Polizeisprecher Stefan Hausch um Fälle, bei denen der Verdacht besteht, dass die jeweilige Person eines unnatürlichen Todes gestorben ist, um vollendete, aber auch um versuchte Tötungsdelikte.

Hinweise werden unter 0203/2800 entgegen genommen. Im Fall „Baby Mia“ hat die Polizei sogar eine spezielle E-Mail-Adresse eingerichtet: mia@polizei.nrw.de.

Ein 29-Jähriger wurde dabei mit einem Messerstich lebensgefährlich verletzt. Seitdem laufen die Ermittlungen wegen versuchten Totschlags. Die Polizei hat bereits mit Bildern einer Überwachungskamera öffentlich nach Tatverdächtigen gesucht. „Aber selbst das Opfer ist wenig aussagefreudig“, so Hausch.

„Cold Cases“ der Duisburger Polizei

Zusätzlich beschäftigt sich die Polizei auch noch mit so genannten „Cold Cases“. „Dabei handelt es sich um alte Fälle, die nicht offiziell geklärt wurden, aber jetzt noch mal aufgegriffen werden können“, so der Polizeisprecher. „Weil es heute ganz andere technische Möglichkeiten, DNA-Spuren, ganz neue Untersuchungsansätze gibt.“

Ein Beispiel sei der Tod eines junges Mädchens (11) aus Neukirchen-Vluyn, das in den 80er Jahren sexuell missbraucht und erwürgt wurde. Der Fall, der bundesweit für Aufsehen gesorgt hatte, werde noch einmal neu beleuchtet.