Duisburg. Das Hallendach ist fast dicht, im Hauptbahnhof kleben Wellen – weil die Bahn den Dach-Neubau verschieben muss. Wie sie die Krise meistern will.
Wenn es stimmt, dass der erste Eindruck zählt, hat Duisburg bei Millionen längst verloren. Der Grund: der Hauptbahnhof der Stadt. Seit vielen Jahren sehen täglich etwa 100.000 Passagiere bei der Durchfahrt durch die Bahnsteighalle und auf den Bahnsteigen: splitterndes Glas, das von Panzerklebeband zusammengehalten wird, bröckelnde Stützpfeiler und Fangnetze unter jenem maroden Dach, das für seine Durchlässigkeit bekannt ist. Zum Jahresende wird die Deutsche Bahn hier wohl keinen Kunden mehr im Regen stehen lassen. Sie repariert zurzeit die Dachschäden. Allerdings nur, weil sich der Umbau des Hauptbahnhofs – erneut – um Jahre verzögert. So sollen Ausbesserungen und Kosmetik die Kunden besänftigen.
Duisburger Hauptbahnhof: neues Dach frühestens 2028 fertig
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Im April 2019 hatte die Bahn mitgeteilt, dass es nochmals mindestens drei Jahre länger dauert, bis die bahnbrechenden Bauarbeiten zur Modernisierung beginnen können. Mindestens. Im dritten Quartal 2022 könne es „bei erfolgreicher Ausschreibung“ losgehen. Geplante Fertigstellung: frühestens im Jahr 2028.
Zur Erinnerung: Als die Bahn und der damalige NRW-Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) 2012 den „großen Wurf“ bekanntgaben, dass Duisburg eine gläserne Welle bekommt, kündigten sie den Baustart für 2017 an, die Fertigstellung für 2020.
Seither gab es etliche Verzögerungen und zuletzt zwei europaweite Ausschreibungen. Zum vorgegebenen Preis aber wollte kein Bauunternehmen unterschreiben.
DB nimmt Baufirmen die Planung ab
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Dennoch will das bundeseigene Verkehrsunternehmen wohl nicht mehr Geld als die anfangs kalkulierten gut 100 Millionen Euro in das schicke Wellendach investieren, obwohl die Baupreise seit 2016 beträchtlich gestiegen sind. Stattdessen beauftragt die zuständige DB-Tochter Station und Service die Ausführungsplanung bei Planungsbüros selbst und hofft so auf die Weichenstellung.
Die DB sei „zuversichtlich, dass die Ausschreibung im erneuten Anlauf erfolgreich sein wird“, bekräftigt ein Bahnsprecher im Dezember 2019 den Notfallbauplan. Die Bauindustrie habe „signalisiert, dass die Firmen kein Interesse an Projekten haben, bei denen Ausführungsplanungen selber erbracht werden müssen und die Termine anspruchsvoll sind.“
Nun wolle die Bahn den Firmen die Planung zur Verfügung stellen, damit sie sich „dann auf das Kerngeschäft des Bauens konzentrieren“ können. Zudem will die Bauherrin den Firmen einen Vorlauf von einem Jahr statt vier bis sechs Monaten gewährleisten, so der Bahnsprecher, also „sehr früh Planbarkeit“ für die Sanierung bei laufendem Schienenverkehr.
2020 jedenfalls passiert erstmal nichts Sehenswertes. Und erst 2021 werde „voraussichtlich“, so der Sprecher, „ein neues Ausschreibungsverfahren angestoßen“.
Wie die Bahn in den Zwischenjahren die Welle macht
Nach der jüngsten Verkündung der Verzögerungen hat die Bahn in Duisburg dennoch die Welle gemacht, um ihren guten Willen zu dokumentieren: Mitarbeiter klebten weiße und gelbe Linien auf Treppen und Wartehäuschen. „Schöne Aussichten … unser Bahnhof macht bald die Welle“, steht unter einigen. Dass „bald“ frühestens im dritten Quartal 2022 ist, steht eine Etage tiefer an der Infowand im Fußgängertunnel.
Dort ruft DB Station und Service Fahrgäste dazu auf, Feedback zu geben: „In der Zwischenzeit werden wir aktiv: Wie ist die Stimmung, Duisburg?“ Wer das beantworten will, scannt mit seinem Smartphone einen QR-Code ein, tippt das passende Emoji an und bekommt aus dem Automaten zur Belohnung Kaubonbons geschenkt.
Nicht mehr aktuell sind allerdings die Plakate, die an einigen Stellen im Hauptbahnhof noch von der Verkündung der großen Modernisierungsoffensive der Bahn hängen geblieben sind. Darauf steht: „#1 von 150. Wir modernisieren 150 Bahnhöfe in NRW bis 2023!“ Für Duisburg ist dieser Zug längst abgefahren.
Bahnsteighalle: undichte Stellen sollen stetig abgedichtet werden
Wobei der Hauptbahnhof wegen des Bahnsteighallendachs eine Dauerbaustelle ist: An den Bahnsteigen 4 und 5 seien die im Sommer gestarteten Dacharbeiten bereits beendet, an Bahnsteig 3 (Gleise 5/6) werden diese „bis Ende Dezember abgeschlossen sein“, sagt ein Bahnsprecher. An den anderen Bahnsteigen werde „stetig nachgebessert, um undichte Stellen abzudichten“.