Duisburg. Vor 3.500 Beschäftigten hat der Stahl-Vorstand von Thyssenkrupp am Donnerstag seine Strategie präsentiert. Das sagt der Betriebsrat dazu.
In zwei Betriebsversammlungen im Landschaftspark hat Premal Desai, Vorstandssprecher der Thyssenkrupp Steel Europe AG (TKS), am Donnerstag über 3500 Beschäftigten am Standort Hamborn/Beeckerwerth die künftige Stahlstrategie vorgestellt. „Sie beinhaltet Licht und viel Schatten – zum jetzigen Zeitpunkt aber vor allem viele Fragezeichen“, sagte der Betriebsratsvorsitzende Tekin Nasikkol anschließend. Er kündigte in den anstehenden Verhandlungen einen Kampf um jeden Standort an und forderte umfangreiche Investitionen in die Modernisierung der Anlagen.
Klaus Keysberg soll im Konzern für den Stahl kämpfen
Auf rund 1,5 Milliarden hatte die IG Metall im Vorfeld der Demonstration am vergangenen Montag den Bedarf der Stahlsparte beziffert. Weit entfernt von den 570 Millionen, die der Konzern bislang in Aussicht gestellt hat. Vorstände im Konzern wie beim Stahl macht Nasikkol für den Investitionsstau verantwortlich: „Sie haben zugeschaut wie wir an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.“ Die neue Vorstandschefin Martina Merz erinnert er an ihre „Liebeserklärung“ für den Stahl: „Sie muss zeigen, wie weit ihre Liebe geht.“ Von Klaus Keysberg, dem neuen Mann für den Stahl in der Essener Zentrale, „erwarten wir, dass er sich nachdrücklich für den Stahl einsetzt“, sagt der Betriebsratschef. Der Auftritt bei der außerordentlichen Konferenz mit 250 Betriebsräte am Freitag in Essen werde „zur Nagelprobe“ für Keysberg.
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Positiv bewertet der Betriebsrat beim Strategiepapier, „dass der Vorstand nach langen Jahren endlich eingesehen hat, dass sie massiv investieren müssen“. Ebenso, dass er an der Versandmenge von jährlich 11,5 Millionen Tonnen Stahl festhält. Kein Grund zur Entwarnung für die Belegschaftsvertreter, die noch dabei sind, das 150-Seiten-Konzept der TKS-Führung zu bewerten: „Alles steht noch unter dem Vorbehalt des Konzernvorstandes.“ Unter besonderer Beobachtung stehen das Warmbandwerk in Bochum, Electrical Steel in Gelsenkirchen und das Grobblechwerk in Hüttenheim. Beim Personalabbau – mindestens 2000 der aktuell rund 28.000 Mitarbeiter sollen gehen – steht der Betriebsrat vor schwierigen Verhandlungen.
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Vorstand stellt sich den Belegschaften
Dort begann am Donnerstag der Vorstand seine Rundreise durch die Standorte. „Das Management hat den Betrieb heruntergewirtschaftet, aber es passt in unseren Verbund“, plädiert Nasikkol für eine Zukunft des Werks mit seinen 800 Mitarbeitern: „Mannschaft und Produkt können den Turnaround schaffen.“ Eine Weiterführung unter dem Dach der benachbarten Hüttenwerke Krupp-Mannesmann (HKM) bringt Betriebsrat dabei ins Spiel. Die HKM sind größter Lieferant für die Grobblech-Produktion. Die Lösung würde aber ein Engagement von Vallourec und Salzgitter bedingen – sie sind neben Thyssenkrupp Gesellschafter der HKM. Dort seien „solche Überlegungen bisher nicht bekannt“, hieß es am Donnerstag dazu bei HKM.
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Der Betriebsrat kündigt einen gemeinsamen Kampf der Belegschaften um jeden Standort und jeden Arbeitsplatz an. „Wir lassen uns nicht auseinander dividieren“, so Nasikkols Stellvertreter Horst Gawlik: „Wenn Tonnagen wegfallen, trifft das auch Hamborn/Beeckerwerth.“ Für die Zukunftsfähigkeit benötige TKS Investitionen in die Modernisierung und für die Transformation zur CO2-freien Stahlproduktion. Gawlik: „Unserer Qualität muss mit den Anforderungen der Industrie schritthalten. Wir wollen bevorzugter Anbieter für die Werkstoffe der E-Mobilität bringen.“
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Ziel: Weltmarktführer beim CO2-freiem Stahl
Der Wettbewerb mit Asien werde zu weiteren Einschnitten in der europäischen Stahlproduktion führen, glaubt Tekin Nasikkol. Thysssenkrupp habe aber „ideale Voraussetzungen“ um den Konkurrenzkampf zu bestehen: „Wir werden als erste CO2-freien Stahl liefern, wenn man uns die Möglichkeit dazu gibt.“
Entscheidungen über Standorte wohl frühestens im März
Um drei bis maximal sechs Monate ist der „Ergänzungstarifvertrag Zukunft“ verlängert worden. Er gibt den Stahlbelegschaften Sicherheit für die Zeit der Verhandlungen über die Umsetzung der Inhalte der „Strategie 20-30“ des Vorstandes. Gewissheit über die Zukunft der Standorte und zum Personalabbau wird es wohl erst gegen Ende dieser Frist geben.
Wie viele Investitionen in den Stahl letztlich für Thyssenkrupp möglich sind, hängt ab von der Entscheidung über die Zukunft der lukrativen Aufzug-Sparte des Konzerns. Angebote von Interessenten werden derzeit geprüft, auch ein Börsengang könnte eine Option sein, die Geld in die klamme Kasse bringt. Eine Entscheidung soll Ende März fallen, hat Vorstandschefin Martina Merz angekündigt.