Duisburg-Hochfeld. Ein Jahr lang gestalteten Johanniterschüler Reliefs aus Beton, die man mit den Händen erforschen kann. Warum Kunst mehr ist als Sehen.
Auf die kreative Idee mit der Feder ist Celina stolz. Die 17-Jährige Schülerin hat sie mit verschiedenen Formen in ein Betonrelief künstlerisch eingearbeitet: „Man kann sie sogar fühlen“, sagt sie. Und das ist der eigentliche Clou des Kunstprojekts „Natur in Beton“ an der Johanniterschule in Hochfeld. Wie muss Kunst gemacht sein, damit sie nicht allein mit den Augen erfahrbar ist?
Ein Jahr lang planten und arbeiteten die Schüler an ihrem ertastbaren Betonkunstwerk
An der Schule mit Förderschwerpunkt Sehen haben sich speziell Schüler mit einer Sehbehinderung auf andere Art mit Kunst auseinandergesetzt und ein etliche Meter langes, tastbares Betonrelief für ihren Schulhof erstellt. Seine rote Farbe und seine Formen sehen also nicht nur spektakulär aus, sondern sollen vor allem mit den Händen erforscht werden.
Ein Jahr lang planten und arbeiten zwölf Schüler der Klassen 6 bis 10 gemeinsam mit dem Künstler Tom Koesel an ihren Projekten. Sie suchten nach interessanten Formen, zeichneten Tiere und Pflanzen, um sie anschließend in Styropor auszuschneiden. „Wir hatten richtig gute Einfälle, ich war voll inspiriert“, meint Nele aus der 9. Diese natürlichen oder ausgeschnittenen Formen gestalteten die jungen Künstler in einer Art großen Setzkasten zu einem Bild an. Und gossen dann den selbst hergestellten Beton hinein.
Viel Fummelarbeit mit Pinsel und Pinzette, um die Formen in Beton herauszuschälen
Aleyna aus der Klasse 8 hat gerade das Schneiden des Styropors mit einem heißen Draht enormen Spaß gemacht: „Es war auch sehr cool zu malen und zu erleben, wie Beton gemischt und gefärbt wird.“ Zwei Wochen später war der Beton durchgehärtet und die Styropor-Formen hinterließen darin ihre Abdrücke wie jahrtausendalte Fossilien von Schmetterlingen, Blumen – und eben jener Feder.
Nach der Kreativität war nun „Fummelarbeit mit Pinsel und Pinzette“ gefragt, erzählt Celina: Die Styropor-Figuren mussten sorgfältig aus den quadratischen und roten Betonplatten herausgeschnitten werden, damit die Abdrücke auch zur Geltung kommen konnten. Anschließend wurden die Reliefplatten in einen Stahlrahmen montiert und auf dem Schulhof an der Johanniterstraße 103 aufgestellt.
Die zwölf Schüler sind stolz – das Projekt hat Kreativität und Selbstbewusstsein gestärkt
Künstler Koesel gestaltete Lehmbruck-Box
Es ist nicht das erste Mal, dass der bildende Künstler Tom Koesel mit sehbehinderten Menschen zusammenarbeitet. Zum 100. Todestag von Wilhelm Lehmbruck gestaltete er die Lehmbruck Box.
Die Box beinhaltet etwa Nachbildungen der Skulpturen von Lehmbruck, die nicht berührt werden dürfen. Menschen mit Sehbehinderung können die Kunstwerke über diese Nachbildungen auch taktil erfahren.
Infos zur Lehmbruck-Box gibt's hier auf lehmbruckmuseum.de
Die zwölf jungen Künstler sind natürlich stolz wie Oskar, dass alle 105 Schüler ihr Kunstwerk betrachten und erspüren können. „Für sie war das Projekt ein enormer Schub für das Selbstbewusstsein“, weiß auch Schulleiter Walter Röhrig. Nicht weniger wichtig ist die handwerkliche Erfahrung im Umgang mit den Materialien, denn der überwiegende Teil der Johanniterschüler ergreifen am Ende ihrer Schullaufbahn einen handwerklichen Beruf oder landen in einer dualen Ausbildung.
Möglich wurde das Projekt allerdings nur mit den Fördermitteln des Deutschen Blindenhilfswerks Duisburg und der BVO_Stiftung Offenbach. Simone Henzler, Geschäftsführerin des Blindenhilfswerks, lobt das Projekt, das die Kreativität fördert und im doppelten Sinne etwas „Begreifbares“ hervorgebracht hat. „Wichtig war, einen Künstler zu finden, der geduldig mit den Schülern gearbeitet hat.“
Für den Künstler Tom Koesel war das offenbar keine große Herausforderung sondern eher Spaß, „die Jugendlichen haben als Gruppe bei jedem Schritt zusammengearbeitet und sich gegenseitig inspiriert“, lobt er – „es war unheimlich kreativ.“