Duisburg-Homberg. Bei einer Schlägerei nahe einer Homberger Schule wurde ein 13-Jähriger verletzt. Eltern klagen über rohe Gewalt - und sorgen sich um ihre Kinder.

Die Meldung war eine von vielen im Polizeibericht des 18. Septembers. Über eine Massenprügelei unter Jugendlichen in Homberg hatten wir in unserer Zeitung berichtet. Die Polizei war mittags mit einem Großaufgebot ausgerückt, weil mehrere Zeugen telefonisch Alarm geschlagen hatten. In der Nähe der Erich-Kästner-Gesamtschule, so die Anrufer, drohte eine Schlägerei zu eskalieren. Am Ort des Geschehens hatten die Polizisten dann aber keine Streitenden mehr antreffen können. Wenige Tage später halten wir ein Smartphone in der Hand. Darauf ist ein Video zu sehen, das via WhatsApp verbreitet wurde.

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Es beginnt harmlos, zwei Halbstarke gehen aufeinander los, schubsen sich, ringen miteinander, treten sich. Zwei Jungs, die eine private Auseinandersetzung mit vollem Körpereinsatz klären. Umringt von Jugendlichen, die erst nur zuschauen und dann plötzlich mitmischen. Voller Brutalität und Hass im Gesicht schlagen und treten sie auf einen 13-Jährigen ein, der am Schluss am Boden liegt. Ein Mädchen versucht den Streit zu schlichten, andere halten ihre Handys hoch und filmen die Szenerie.

13-Jähriger kam mit einer Rippenprellung davon

Was geht in einer Mutter vor, die ein solches Video zugespielt bekommt, auf dem ihr eigener Sohn zu sehen ist? Unsere Gesprächspartnerin ballt die Faust. Nicht als Zeichen von Gewaltbereitschaft. Im Gegenteil. Die Geste ist Ausdruck ihres unbändigen Willens, mit aller Macht dafür zu kämpfen, dass sich etwas ändert. „Das muss endlich ein Ende haben“, sagt sie, die sich mit den „Gewaltexzessen“ an der Schule ihrer Söhne nicht mehr abfinden möchte.

Nach dem Vandalismus im Juni 2019 war der damalige Schulleiter Günter Terjung fassungslos.
Nach dem Vandalismus im Juni 2019 war der damalige Schulleiter Günter Terjung fassungslos. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Ihr Kind hat Glück gehabt. Er ist mit seinen 13 Jahren ein kräftiger Junge, der sich wehren kann. „Schuhgröße 46, den pustet so schnell keiner um.“ Aber nach der Massen-Attacke ist er mit einer Rippenprellung nach Hause gekommen. Das war der Moment, an dem für die Mutter feststand. „Jetzt ist Schluss!“ Sie will aufstehen und laut werden, damit das Problem von den Verantwortlichen ernst genommen wird. „Es kann doch nicht sein, dass den Lehrern die Hände gebunden sind. Die müssen einfach mehr Macht bekommen.“

Schauplatz ist die Erich-Kästner-Gesamtschule, die ihrem prominenten Namensgeber, dem Schriftsteller und Menschenfreund, aktuell alles andere als Ehre erweist. Denn die Schule im Problemstadtteil Hochheide hat mit Krawall zu kämpfen. In einer Dimension, die seit dem Sommer nicht nur die Polizei, sondern sogar den Staatsschutz beschäftigt. Im Juni hatten Unbekannte (laut Mutmaßung des Rektors waren es Schüler) das Gebäude verwüstet.

Hassparolen an der Wand

Sie hatten Hassparolen, Drohungen gegen Lehrer und Nazisymbole auf die Wände geschmiert. „Wir reden hier nicht von einem Kavaliersdelikt, der Fall wird vom Staatsschutz bearbeitet“, so ein Polizeisprecher. Schulleiter Günter Terjung war damals fassungslos: „So etwas habe ich in 25 Jahren an dieser Schule noch nicht erlebt. Es ist bitter, aber gegen bestimmte Dinge kommen wir als Pädagogen offenkundig nicht an.“

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Drei Monate nach der Verwüstung gerät die Schule nun mit Gewalt in die Schlagzeilen. Die Massenschlägerei, an der Neunt- und Achtklässler in der Mittagspause beteiligt waren, ist offenbar nur ein Beispiel. Eltern berichten, dass ein Kind in der Klasse von einem anderen mit einem Messer am Hals bedroht worden sein soll.

Auf dem Schulhof soll es laut Zeugen, die ihren Namen nicht nennen möchten, eine weitere heftige Schlägerei gegeben haben, bei der sogar eine Mutter mitgeprügelt haben soll. Und: Auch Lehrer sollen geschlagen worden sein.

Ein Messer im Klassenzimmer?

Die Schule hüllt sich in Schweigen. „Ein Gespräch bieten wir zurzeit leider nicht an, bis der Schulfrieden wieder wie gewohnt hergestellt ist.“ Rektor Günter Terjung ist seit Ende des Schuljahres im Ruhestand, einen Nachfolger gibt es noch nicht. Die Stadt verweist auf die Bezirksregierung, letztere antwortet lediglich schriftlich auf unsere Anfrage. „Im Anschluss an die Sommerferien 2019 kam es in der Tat zu einer Häufung von Vorfällen, die aus Auseinandersetzungen im privaten Bereich während der Ferienzeit resultieren“, so die Bezirksregierung. Die Massenschlägerei sei aber außerhalb des Schulgeländes gewesen.

Die anderen Schilderungen der Eltern seien falsch. „Es bestand der Verdacht, dass ein Schüler ein Messer mit zur Schule gebracht habe. Eine sofortige Prüfung konnte dies nicht bestätigen.“ Auch eine prügelnde Mutter sei der Schule nicht bekannt.

Neuntklässler wurde von der Schule entlassen

Zum weiteren Vorgehen teilt die Bezirksregierung mit: „Im Rahmen ihrer Möglichkeiten arbeitet die Schule mithilfe der Beratungsleiter, des Abteilungsleiters und dem Schulsozialarbeiter alle Vorfälle auf, führt Gespräche auch unter Einbeziehung der Eltern und ergreift pädagogische Maßnahmen sowie Ordnungsmaßnahmen.“

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Zur Massenschlägerei gibt es eine erste Konsequenz: Der Haupttäter, ein Neuntklässler der auf dem Video besonders brutal prügelt, wurde von der Schule entlassen.

Dennoch: Die Mutter kämpft weiter. Sie war bei ber Polizei, hat einen Anwalt eingeschaltet und will die anderen Eltern mit ins Boot nehmen, um sich gemeinsam für eine gewaltfreie Schule stark zu machen.

>>> DAS SAGT DIE POLIZEI:

Nach der Massenschlägerei unter Schülern am 18. September ermittelt die Polizei. „Bei 21 Beteiligten kann das dauern“, beschreibt Polizeisprecher Stefan Hausch den Stand der Ermittlungen. Auch ein Vorfall mit einem Messer im Klassenzimmer ist der Polizei bekannt.

Besorgte Eltern kann die Polizei ein Stück weit beruhigen. „Wir haben die Haupttäter im Auge.“ Die Namen der Jugendlichen sind bekannt, sie stehen unter Beobachtung und bei Bedarf kann die Polizei weitere Maßnahmen einleiten, zum Beispiel Kontakt zu den Familien aufnehmen oder das Jugendamt einschalten.

Wichtig, so der Polizeisprecher, sei aber, dass Eltern und Schule mithelfen. Er appelliert an die Eltern, bei allem, was mehr als eine normale Streitigkeit ist, zur Polizei zu gehen und dort auch Namen zu nennen. Gleiches gelte für die Schule: „Wir können nur ermitteln, wenn wir die Vorfälle angezeigt bekommen. Da ist die Schule gefragt.“

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