Die Polizei hat kreisweit 22 Gewaltdelikte gegen Lehrer an Schulen erfasst. Überwiegend handelte es sich um Bedrohung und Körperverletzung.
22 Anzeigen, weil Lehrer Opfer von Gewalt an ihrer Schule geworden sind, weist die Statistik der Kreispolizeibehörde für die aktuellste Erfassung 2018 auf. Damit haben Taten wie Körperverletzung, Bedrohung oder Nötigung im Vergleich zum Vorjahr kreisweit um zehn Prozent zugenommen. Stadtscharfe Zahlen für Gladbeck kann die Pressestelle der Polizei auf WAZ-Anfrage nicht nennen.
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ass die Übergriffe gegen Lehrer mehr werden, bestätigt auch der Landestrend. 2018 hat es 435 registrierte Fälle in NRW gegeben, bei denen 500 Lehrkräfte Opfer von Gewalt wurden. Ein Plus von 15 Prozent im Vergleich zu 2016.
Einer der 22 im Vorjahr angezeigten Vorfälle im Kreis ereignete sich am Schulzentrum Brauck. Auf dem Pausenhof waren Schüler der Erich-Fried-Schule und der Erich-Kästner-Realschule aneinander geraten. Eine Lehrerin versuchte zu schlichten, ging dazwischen und erhielt einen Stoß in die Rippen. Der Realschuldirektor rief die Polizei, erstattete Anzeige gegen die Hauptschüler. Im Polizeibericht war die Rede von einem 14-jährigen Haupttäter.
Solche Fälle sind die absolute Ausnahme
Solche Fälle, bei denen Lehrkräfte körperlich verletzt werden, seien die absolute Ausnahme, sagt Hauptschulrektor Peter Washausen. Dass Erich-Fried-Schüler aneinander geraten, komme indes häufiger vor. Auch mal eine verbale Entgleisung in Form einer unflätigen Beleidigung gegen Lehrer. So etwas werde natürlich sanktioniert, gegebenenfalls mit einer Beurlaubung. Auf jeden Fall werde der Vorfall im Gespräch mit ihm und gegebenenfalls der Schulsozialarbeit aufgearbeitet und auch die Eltern hinzu gebeten.
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Eine vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) 2018 bundesweit in Auftrag gegebene Umfrage unter 1200 Schulleitern zeichnet einen bedenklichen Schulalltag: Jede vierte Schulleitung bejahte Fälle von körperlicher Gewalt gegen Lehrer, bei psychischer Gewalt (Bedrohung, Nötigung etc.) war es fast die Hälfte. Die für die Lehrer im Kreis zuständige Bezirksregierung Münster führt zwar keine explizite Statistik zur Gewalt gegen Lehrer, kann aber über die gemeldeten Dienstunfälle Zahlen nennen: „14 anerkannte Dienstunfälle 2016 und neun für 2017 im Zusammenhang mit körperlicher Gewalt durch Schüler haben wir ermittelt. Diese Zahlen gelten für den gesamten Regierungsbezirk Münster“, sagt Ulla Lütkehermölle von der Presseabteilung.
„Es ist wichtig, ein Gespür zu haben, wo sich Konflikte anbahnen“
Auch an der Lambertischule komme es vor, dass Kinder einen Wutanfall bekommen und um sich treten, so Grundschulrektorin Cäcilia Nagel. „Geht man dazwischen, kann man einen Tritt abbekommen“, was dann aber nicht gezielt, sondern unabsichtlich geschehe „und ja nicht persönlich gegen die Lehrkraft gerichtet ist“. Die Gewalt könne aber auch von Eltern ausgehen, die Lehrkräfte bedrohen. In ihrer langjährigen leitenden Funktion habe sie bisher nur einmal einen solchen Fall gehabt. Da habe sie gegenüber diesen Eltern „ein dreimonatiges Hausverbot ausgesprochen, das hat geholfen“. Wichtig sei es, ein Gespür zu haben, wo sich Konflikte anbahnen könnten. „Man muss dann schnell reagieren und kann so in der Regel die Situation entschärfen.“
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Das sieht Alrun ten Have, Direktorin der Ingeborg-Drewitz-Gesamtschule, ähnlich. Bei verbalen Ausfällen müsse pädagogisch abgewogen werden, „ob das dem Schüler unbedacht im Streit mit Gleichaltrigen herausgerutscht ist, oder ob wirklich persönlich und ganz bewusst gegen die Lehrkraft gehandelt wurde“. Sei die Sachlage klar, werde konsequent durchgegriffen. Mit Gesprächen und Ordnungsmaßnahmen wie einem Klassenwechsel bis hin zu einer Anzeige und dem Schulverweis. „Der letzte Fall dieser Art liegt aber mindestens fünf Jahre zurück“, so ten Have.
Verbale Angriffe erfolgen häufiger an weiterführenden Schulen
In seiner Amtszeit habe es noch keine Schlägerei am Berufskolleg Gladbeck gegeben, sagt Direktor Holger Pleines. Und auch Anzeigen wegen anderer Gewaltformen seien ihm aus dem Kollegium nicht bekannt. Beleidigungen wolle er jedoch nicht ausschließen, „dies konnte dann aber in Gesprächen geklärt werden“.
54 Stellen für Fachkräfte
Im Frühjahr hat NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer den Aktionsplan gegen Gewalt und Diskriminierung an Schulen vorgestellt. Darin ist vorgesehen, die Präventionsarbeit der Schulen im Land zu unterstützen.
Unter anderem mit 54 zusätzlich eingerichteten Stellen für sozialpädagogische Fachkräfte und Beratungskräfte an Schulen. In diesem Bereich arbeiten aktuell 357 Kräfte, wovon das Land 189 finanziert und die Kommunen den Rest.
Das korrespondiert mit der jüngsten Umfrage des VBE, wonach verbale Angriffe besonders an weiterführenden Schulen wie Haupt-, Real- und Gesamtschulen verbreitet sind und körperliche Delikte eher an Grundschulen vorkommen.
Die Bezirksregierung unterstütze die Schulen als Aufsicht bei der Aufarbeitung von Gewaltdelikten „und sie macht von ihrem Strafantragsrecht bei Beleidigungen und/oder Körperverletzungen, die sich gegen Lehrkräfte richten, Gebrauch.“ Zudem würden den Schulen Schulsicherheitstrainings, der Lehrergesundheitstag 2019 zum Thema „Individuelle Beratung“ und bei Nachfrage die Hilfe der Schulpsychologie angeboten, so Ulla Lütkehermölle. Parallel dazu hat die Bezirksregierung eine 56 Seiten starke Broschüre „Konflikte bearbeiten – Mobbing verhindern“ entwickelt, die den Pädagogen unter anderem anhand von Fallbeispielen Wege aus der Gewaltspirale aufzeigt - sowohl auf persönlicher Ebene, als auch auf Schul- und Schulaufsichtsebene.