Duisburg. Dosen aus den 40er Jahren: Warum die Suche nach dem am längsten abgelaufenen Lebensmittel in Duisburg alle Erwartungen übertroffen hat.
Diese Dose ist gewaltig – und weckt gleichzeitig Erinnerungen an Zeiten, als viele Deutsche nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs auf Nahrungs-, sogenannte Care-Pakete, angewiesen waren. Über 2,5 Kilo schwer, mit Milchpulver gefüllt und gespendet von den Menschen aus den Vereinigten Staaten.
Bärbel Eckhardt aus Buchholz hat die Dose mit rostigem Deckel aufbewahrt. Die 74-Jährige sorgt damit für den fulminanten Abschluss einer Serie, die mal mit der Suche nach dem am längsten abgelaufenen Lebensmittel in Duisburg gestartet war und am Ende alle Erwartungen übertroffen hat. „Die Dose ist so alt wie ich und stammt aus alten Awo-Beständen“, erzählt Bärbel Eckhardt.
Dose war bei jedem Umzug dabei
Sie habe früher als Angestellte der Arbeiterwohlfahrt einmal im Jahr ein Zeltlager am Worringer Reitweg mitorganisiert und dabei Kinder aus sozialen Brennpunkten auch mit solchen Dosen versorgt. „Als Erzieherin habe ich mit dem Milchpulver im Kindergarten außerdem Kakao gemacht.“
Warum sie die eine Dose bis heute aufbewahrt hat, weiß die Buchholzerin gar nicht so genau: „Sie ist bei jedem Umzug dabei gewesen“, erzählt sie mit einem Schmunzeln. „Und jetzt mache ich sie auch nicht mehr auf.“
Schwarzbrot aus Wehrmachtbeständen
Ingeborg Bross aus Ungelsheim hat es dagegen gewagt, eine von insgesamt sechs Konservendosen mit jeweils 400 Gramm feinem Schwarzbrot zu öffnen. „Sie müssen aus alten Wehrmachtbeständen stammen und ich wollte sie jetzt eigentlich mal entsorgen“, erzählt die 88-Jährige, die beim Anblick des Brots überrascht war: „Kein Schimmel – so, als wäre es gerade hineingelegt worden.“
Henriette Orwat besitzt noch eine Dose mit Roggenschrotbrot. Sie stammt gebürtig aus Aachen. „Wir sind im Krieg ausgebombt, evakuiert worden und in Helmstedt gelandet“, so die 87-Jährige. „Dort sind wir bei der Schwester meiner Mutter untergekommen und dort haben wir uns bei der Caritas ein Care-Paket besorgt“, erzählt die Duissernerin, die seit 1967 in Duisburg lebt. „Damals war auch das Brot dabei, das ich bis heute aufbewahrt habe. Für schlechte Zeiten...“
Wann kein Mindesthaltbarkeitsdatum erforderlich ist
Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist seit Inkrafttreten der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung (LMKV) vom 22. Dezember 1981 vorgeschrieben. Die Lebensmittel, die unsere Leser am Ende des Bieterwettbewerbs präsentiert haben, sind also weit davor zu datieren.
Die Angabe des Mindesthaltbarkeitsdatums ist nach der LMKV grundsätzlich unter anderem nicht erforderlich bei Getränken mit einem Alkoholgehalt von zehn oder mehr Volumenprozent, Backwaren, die ihrer Art nach normalerweise innerhalb 24 Stunden nach Herstellung verzehrt werden, beiZucker in fester Form, bei Zuckerwaren, die fast nur aus Zuckerarten mit Aromastoffen oder Farbstoffen oder Aromastoffen und Farbstoffen bestehen und etwa bei wein- und schaumweinähnlichen Getränkenund hieraus weiterverarbeiteten alkoholhaltigen Getränken.
Von Tokaji über Schokoschweinchen bis „Pfeffi“
Was von diesem Bieterwettbewerb sonst noch übrig bleibt? Einiges! Jede Menge Alkoholisches zum Beispiel. Wein aus den 70er Jahren, darunter eine Flasche Tokaji, ein ungarischer Dessertwein, den Gudrun Schmitz-Hank aus Großenbaum aufbewahrt hat.
Hildegard Hausschild hält eine Flasche Birnenbrand ihres längst verstorbenen Freundes Willi in Ehren, der den Schnaps einst zu seinem 50. Geburtstag am 2. Mai 1969 geschenkt bekam. „Der Brand wird also in diesem Jahr 50“, erzählt sie. „Die schwere Flasche diente übrigens jahrelang als Türstopper für unsere Wohnzimmertüre...“
Margit Dewald-Fink besitzt eine Flasche Mampe halb und halb mit einem Schimmelgespann als Markenzeichen. Ihr Mann Karl-Heinz hat den Magenbitter vor mehr als 35 Jahren als Dankeschön von einer betagten Dame erhalten. „Er hatte damals mit einem Kollegen in ihrer Küche Löcher im Fußboden mit Silbersand gestopft“, so Dewald-Fink. „Anschließend verlegten sie neue Bretter. Da griff die hocherfreute Dame spontan zum Fläschen. Mampe halb und halb wird übrigens mittlerweile im Internet für 89 Euro gehandelt.“
Wie viel wert ein Zuckerstücken von der Olympiade 1968 in Mexiko ist, weiß Manon Heintges zwar nicht. Jedenfalls ist die 46-jährige Neudorferin zurecht stolz auf diese seltene Süßigkeit. „Ich habe schon als Jugendliche Zuckerstückchen gesammelt, sie in Cafés immer sorgfältig in Tesafilm eingewickelt“, so Heintges. „Das besondere Stückchen aus Mexiko bekam ich von einem weit gereisten Familienvater, der unter uns im Haus gewohnt hat.“
Matthias Höfer hat als gebürtiger Chemnitzer eine ganz besondere Verbindung zu Pfefferminzbonbons aus DDR-Produktion, genannt „Pfeffi“. „Die Rolle hat wohl damals noch ein Plätzchen im knapp bemessenen Gepäck bei unserer Übersiedlung nach Duisburg 1985 gefunden, diente als Erinnerungsstück und blieb somit bis heute vom Verzehr verschont.“
Helga Klenke aus Rheinhausen käme ebenfalls nie auf die Idee, ein kleines Schokoschweinchen zu essen. „Ich war 17, als ich es 1954 von meinem späteren, mittlerweile verstorbenen Ehemann zu Weihnachten geschenkt bekam.“ Sie lebte damals ebenfalls in der ehemaligen DDR, in Wernigerode. „Drei Jahre später bin ich mit meinem Mann zu meiner Schwester nach Rheinhausen. Erst 1964 habe ich meine Eltern wieder besuchen können und als ich dort das Schokoschweinchen im Wohnzimmerschrank sah, war ich so gerührt, das ich es an mich genommen habe. Es hat jeden Umzug überlebt.“