Düsseldorf. . Beim Duisburger Loveparade-Prozess ist die Einstellung wahrscheinlich. Streitpunkt bleibt dabei, ob mit oder ohne Auflagen.
Nach 13 Monaten und 96 Verhandlungstagen im Prozess um die Duisburger Loveparade kann der Mittwoch zum entscheidenden Tag werden. Der Vorsitzende Richter der 6. Großen Strafkammer Mario Plein hat Staatsanwälte, Verteidiger und Nebenkläger-Vertreter zu einem „Rechtsgespräch“ geladen. Hinter verschlossenen Türen geht es seit 9.30 Uhr im Düsseldorfer Messesaal um die Frage, wie das Verfahren weitergeht. Erschienen sind drei Richter, drei Staatsanwälte, 24 von 37 Verteidiger sowie weitere 26 Nebenklagevertreter.
Kammer tendiert offenbar zur Einstellung des Verfahrens
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Zu Beginn des Rechtsgesprächs hat sich die Kammer geäußert. Diese tendiere offenbar zu einer Einstellung des kompletten Verfahrens - das berichten Verteidiger und Nebenkläger-Vertreterin in einer kurzen Pause. Demnach habe der Vorsitzende Richter eine Einstellung nach bisheriger Beweisaufnahme als sachgerechte Lösung aufgezeigt. Die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger können sich eine Einstellung nach Paragraph 153 A vorstellen - da heißt mit Auflagen, was einer Geldzahlung bedeuten würde.
Dagegen fordert ein Verteidiger eines Mitarbeiters der Stadt Duisburg, dass die Einstellung des Verfahrens ohne Auflagen erfolge: "Die Beweisaufnahme hat die Anklage nicht bestätigt", sagt Gerd Ulrich Kapteina. „Wir sind uns alle einig, dass wir einen Erkenntnisgewinn haben, den wir zu Prozessbeginn nicht erwartet hätten. Es ist der Zeitpunkt für die Einstellung gekommen. Eine Fortsetzung ohne greifbares Ergebnis ist nicht sinnvoll."
Nebenkläger-Vertreter Professor Julius Reiter hat diese Entwicklung erwartet. Allerdings mahnt er, die Opfer nicht zu vergessen. Die Schuld sei nicht gering, deshalb müsse es Auflagen geben: "Es war eine gefahrgeneigte Veranstaltung. Sie wussten, was sie taten."
Falls das Verfahren nicht eingestellt werde, müssten wohl noch 575 Zeugen bis zur Verjährungsfrist im Juli 2020 angehört werden - bislang haben erst 58 Zeugen ausgesagt.
Fehler auch am Veranstaltungstag
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Fast 60 Zeugen hat das Gericht seit Anfang Dezember 2017 angehört, unzählige Akteneinträge verlesen, Bilder des 24. Juli 2010 auf Großleinwände übertragen. Mit Ton und in Farbe haben die rund 80 Berufsjuristen, zehn Angeklagte und Zuschauer immer wieder mit angesehen, wie 21 junge Menschen im Gedränge des Techno-Festes starben, wie Hunderte verletzt wurden. „Wir wissen viel“, resümiert Matthias Breidenstein, Sprecher des Duisburger Landgerichts, „es hat viel Sachaufklärung stattgefunden.“
Den zehn Angeklagten werden vor allem Verfehlungen bei der Planung und Genehmigung der Loveparade vorgeworfen; nicht nur das mehrere Tausend Seiten starke vorläufige Gutachten sieht inzwischen aber auch viele und entscheidende Fehler, die am Veranstaltungstag gemacht wurden. Auch das macht es für die Juristen offenbar fraglich, ob den vier Angeklagten aus den Reihen des Veranstalters und den sechs aus der Duisburger Stadtverwaltung eine individuelle Schuld am Tod von 21 Menschen nachzuweisen sein wird.
Nebenklage-Vertreter entscheiden nicht mit
Ob sich die Verteidiger dieser Sicht anschließen würden, war ebenso offen wie es etwaige Auflagen oder eine mögliche Teil-Einstellung des Verfahrens gegen Einzelne sind. Erwartet wird der Widerspruch von Anwälten, die für ihre Mandanten einen echten Freispruch wollen, aber auch der Nebenkläger. Deren Vertreter werden zwar gehört, entscheiden aber nicht mit.
Bereits im Vorfeld liefen einige von ihnen Sturm: In einem Brief an NRW-
Justizminister Peter Biesenbach forderten sie im Herbst, darauf hinzuwirken, dass bis zu einem Urteil weiter verhandelt wird. „Es ist extrem wichtig für den Rechtsfrieden, dass die Schuld benannt wird“, sagt Anwalt Franz Xaver Paul aus München, bei einer Einstellung aber bleibe die Schuldfrage letztlich offen. Auch seine Mandantin Nadine Lange (35), die bei der Loveparade verletzt wurde, wünscht sich, „dass der Prozess weitergeht“, auch wenn der bisherige Prozessverlauf sie gelehrt hat: „Es waren wohl mehrere Ursachen, es hat nicht nur einer Schuld.“
Donnerstag werden Ergebnisse offiziell bekannt
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Das Problem also bleibe, sagt auch Rainer Dietz, Nebenklage-Vertreter von Klaus-Peter Mogendorf, der bei der Loveparade seinen Sohn Eike verlor: „Wer genau ist hier schuld?“ Auch wenn die Hinterbliebenen den späten Prozess von vornherein skeptisch betrachtet hätten – „eine Einstellung wegen geringer Schuld“, sagt Dietz, „wäre lächerlich“.
Gericht und Staatsanwaltschaft wollten sich am Mittwoch zunächst nicht zu Inhalten des Rechtsgesprächs äußern. Am Donnerstagmittag will der Vorsitzende Richter Mario Plein die wesentlichen Inhalte des Gesprächs während der Hauptverhandlung wiedergeben. Ein Gerichtssprecher sagte, der Prozess werde auch im Fall einer Einstellung noch mehrere Wochen andauern.
Prozesstage sind bis Ende April terminiert, als nächste Zeugen sind weitere Polizisten geladen.