Duisburg. . Die AfD hat bei der Bundestagswahl in Duisburg 13,24 Prozent der Zweitstimmen gewonnen, im Neumühler Stimmbezirk 0709 sogar 30,42 Prozent.
- Im Neumühler Stimmbezirk 0709 hat die AfD 30,42 Prozent der Zweitstimmen geholt
- Möglicherweise wirkt die Einrichtung einer Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge immer noch nach
- Auch Angst vor steigender Kriminalität durch Flüchtlinge und Zuwanderer wird als Grund genannt
Die Gegend rund um die Schule am Bergmannsplatz in Neumühl ist eine beschauliche. Die meisten der alten Bergmannshäuser sind gut in Schuss. Direkt daneben schmiegen sich unter hoch gewachsenen Alleebäumen gepflegte Eigenheime aneinander. Auf den ersten Anschein eine idyllische Ecke. Und gleichzeitig findet sich hier Duisburgs AfD-Hochburg. Die Partei, die bei der Bundestagswahl stadtweit bei 13,24 Prozent der Zweitstimmen lag, erzielte im Neumühler Stimmbezirk 0709 ihr Rekordresultat: 30,42 Prozent. Am Morgen nach der Wahl ist die WAZ einmal durch die Siedlung gelaufen, um mit den Menschen dort zu sprechen.
„Für mich ist das ein Warnschuss der Wähler in Richtung der etablierten Parteien“, vermutet Richard Pospiech (53), der seit 1979 in Neumühl lebt. Als 2015 viele Flüchtlinge ins Land und auch nach Duisburg kamen, wurde im ehemaligen Barbara-Hospital in Neumühl eine der Erstaufnahmestellen eingerichtet. Diese ist längst wieder leer gezogen. „Aber ich glaube, die Situation von damals haben viele Neumühler noch in den Köpfen“, so Pospiech.
Klagen über Bettelei im Stadtteil
Die Angst vor steigender Kriminalität durch Flüchtlinge und Zuwanderer vermutet Ilona Reinsch (65) als Hauptgrund, warum so viele Neumühler AfD gewählt haben. „Meine Mutter lebt auch hier im Stadtteil. Sie ist 95. Kürzlich haben Trickbetrüger, die sich als Polizisten ausgegeben hatten, ihren Schmuck und Bargeld gestohlen. Da leidet sofort das Sicherheitsgefühl“, erzählt Reinsch. „Auch das ständige Angebetteltwerden stört mich. Und ich finde, man ist nicht sofort ein Rechter und auch kein Nazi, wenn man einmal laut diese Meinung vertritt“, erklärt Reinsch.
„Eigentlich interessiert mich Politik nicht“, sagt Christine Sichla. „Ich gehe aber trotzdem immer wählen.“ Diesmal habe auch sie anderswo als sonst ihre Kreuze gemacht. „Frau Merkel ist zwölf Jahre an der Macht. Das ist zu lange“, findet die Hundebesitzerin. „Sie sollte einfach in Rente gehen.“
Sorge vor erneutem Flüchtlingsstrom
Der Besitzer (79) eines Eigenheims an der Holtener Straße, der namentlich nicht genannt werden wollte, bezeichnete die Großkoalitionäre von CDU und SPD als „zu schlafmützig“. Die AfD betrachtet er als Sammelbecken aller „Unzufriedenen und Enttäuschten“. Als er hört, dass die AfD in seiner Siedlung 30 Prozent erobert hat, schüttelt der Mann ungläubig den Kopf.
„Der Flüchtlingsstrom kommt wieder“, glaubt Thomas Richlitzki. Der Schlosser von Thyssen-Krupp, der seit 36 Jahren direkt neben der Schule am Bergmannsplatz lebt, ist sich sicher, dass die Türkei den Weg für die Flüchtlinge in Richtung Zentraleuropa wieder freigibt. „Das ist Erdogans Druckmittel“, sagt er.
Unzufriedenheit mit etablierten Parteien nimmt zu
Die Unterbringung der Flüchtlinge koste Milliarden pro Jahr, sagt Richlitzki, dafür müsse der Steuerzahler gerade stehen. „Gleichzeitig knapsen viele deutsche Hartz-IV-Empfänger am Existenzminimum.“ Genau das würden viele Bürger als Ungleichgewicht und Ungerechtigkeit empfinden, so Richlitzki. „Die Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien wächst. Genau deshalb haben jetzt viele aus Protest AfD gewählt“, ist er sich sicher.
Im Stimmbezirk 0709 gab es laut Stadt 539 Wahlberechtigte. 358 wählten (Beteiligung: 66,42 %). 108 Stimmen für die AfD bedeuteten 30,42 %. Im Neumühler Stimmbezirk 0904 war die AfD mit 29,69 Prozent sogar stärkste Partei. In 39 der 323 Stimmbezirke knackte die Partei die 20-Prozent-Marke – vor allem im Duisburger Norden. Die SPD schaffte nur noch in Rheinhausen-Mitte/Hochemmerich-Süd den Sprung über die 40-Prozent-Marke.