Duisburg. . Im Interview äußert sich Oberbürgermeister Sören Link zum Fall Bivsi Rana und ihren Folgen. „Ich freue mich über das Happy-End“, so der OB.
- Der Duisburger Oberbürgermeister fordert im WAZ-Interview neue Gesetze für schnellere Asylverfahren
- Für Menschen, die lange in Deutschland leben und hier geborene Kinder müsse eine Altfallregelung her, sagt Sören Link
- Er verteidigt die Abschiebe-Entscheidung des Ausländeramtes, freut sich aber über das Happy-End für die Familie
Seit dieser Woche steht fest: Die nach Nepal abgeschobene Schülerin Bivsi Rana darf mit ihren Eltern nach Duisburg zurückkehren. Zu den Konsequenzen dieses Falles für die Arbeit der Ausländerbehörde will sich die verantwortliche Dezernentin Daniela Lesmeister derzeit nicht äußern. Den Fragen stellt sich Sören Link: „Mir ist das Thema wichtig“, sagt der OB.
Sind Sie nach wie vor der Meinung, die Stadt habe bei der Abschiebung der Familie alles richtig gemacht?
Sören Link: Natürlich war es nicht schön, dass Bivsi aus der Schule abgeholt wurde. Davon ab haben wir das gemacht, was das Recht uns vorgibt. Bundes- und Landesgesetze sind anzuwenden, die Abschiebung entspricht geltendem Recht. Das haben auch Gerichte und die Härtefallkommission bestätigt. Sie war der Abschluss eines jahrzehntelangen Asylverfahrensstreits.
Hat sich Ihre Haltung in den vergangenen Wochen verändert?
Link: Der Fall hat jetzt glücklicherweise ein Happy-End. Aber er ist Anlass zu sagen, dass ich aus Berlin deutliche Gesetzesänderungen erwarte. Diese Abschiebung fühlt sich nicht richtig an. Es kann nicht richtig sein, dass ein hier geborenes Mädchen in ein Land abgeschoben wird, wo sie noch nie war.
Die Abschiebung war rechtens, aber nicht richtig, haben Sie gesagt. Für Juristen ist das ein schwieriger Satz.
Link: Ja. Ich bin kein Jurist. Die Rechtmäßigkeit haben die Gerichte und alle beteiligten Behörden nochmal bestätigt, auch der Petitionsausschuss. Aber es fühlt sich eben nicht richtig an. Das liegt daran, dass unser Recht derzeit so ist, wie es ist. Wir brauchen ein anderes Asylverfahrensrecht. Es gibt zigtausende vergleichbare Fälle. Dass nach 20 Jahren keine Altfallregelung existiert kann nicht sein.
Müssen Mitarbeiter im Ausländeramt sich nun fragen, ob ihre Entscheidung nicht nur rechtens, sondern auch richtig war?
Link: Sie arbeiten mit einer ganz schwierigen Materie und erledigen ihre Aufgabe sehr gut. Für sie ist wichtig: Der OB steht hinter ihrer Entscheidung. Dass sie sich nicht richtig anfühlt, ist keine Kritik an den Mitarbeitern, sondern an Berlin. Das habe ich ihnen auch in einem persönlichen Gespräch erklärt.
Finden Sie den Sinneswandel bei vielen Politikern in den vergangenen Wochen nicht erstaunlich?
Link: Wir haben in diesen Wochen sehr gut mit den beteiligten Stellen in Düsseldorf und Berlin zusammengearbeitet. Niemand dort hat die Entscheidung infrage gestellt. Kritik gab es nur daran, dass es überhaupt soweit kommen konnte. Es ging um eine rechtmäßige Möglichkeit für die Rückkehr. Die haben wir gesucht und gefunden.
Mancher hat nun den Eindruck, dass sich die Frage von Bleiberecht an der Zahl der Demonstranten am Rathaus entscheidet. Zu Recht?
Link: Die Zahl der Demonstranten hat nicht die Entscheidung beeinflusst, aber Öffentlichkeit erzeugt und dafür gesorgt, dass die Wiedereinreise forciert wurde. Der Rechtsstaat, auch wenn er manchmal nicht optimal erscheint, steht an dieser Stelle nicht zur Debatte. Sicher ist: Es gibt viele weitere Fälle. Der Fall Bivsi zeigt die Notwendigkeit auf, endlich zu klären, wie wir uns mit Kindern auseinanderzusetzen, die hier geboren sind. Das muss endlich in Berlin entschieden werden.
"Wir brauchen eine Altfallregelung"
Was wünschen Sie sich?
Link: Dass Asylverfahren nach spätestens zwei Jahren rechtskräftig beendet werden können. In anderen EU-Staaten ist das möglich. Und es muss eine Altfallregelung geben.
Auch Duisburg investiert in Kinder, die ihr Leben lang von Abschiebung bedroht sind. Warum sollten die sich anstrengen und engagieren?
Link: Das ist fatal, für die Jugendlichen und die Gesellschaft. Aber auch für diese Frage sind wir der falsche Adressat. Auch das ist am Fall Bivsi deutlich geworden.
Reicht es nicht zunächst, die Spielräume im Gesetz im Sinne der Betroffenen zu nutzen?
Link: Die gibt es nicht. Ich stelle mich da klar vor meine Mitarbeiter. Sie entscheiden nach Recht und Gesetz. Es ist anzuerkennen, dass wir in diesem Fall eine rechtmäßige Entscheidung umgesetzt haben und uns dann dafür eingesetzt haben, dass das Mädchen zurückkehrt. Mögliche Spielräume sind von Gerichten geprüft worden. Ich darf noch einmal daran erinnern: Es gab und gibt für die Familie Rana keinen Asylgrund. Auch das hat eine Lösung für die Rückkehr so schwierig gemacht.
Werden Sie nach der Rückkehr Kontakt zu Bivsi aufnehmen?
Link: Ich würde gern mit dem Mädchen reden, sicher nicht am Flughafen. Es wird später ein Gesprächsangebot geben.