Duisburg. . Im vergangenen Jahr mussten die Duisburger Frauenhäuser 353 hilfesuchende Frauen abweisen. In vielen Fällen war Überbelegung der Grund.
- Die Duisburger Frauenhäuser müssen viele Frauen aus Platzgründen abweisen
- Auch die Finanzierung der Einrichtungen wird immer schwieriger
- Duisburgs Gleichstellungsbeauftragte fordert volle Kostenübernahme durch das Land
Eine Landkarte voller Häuschen, die meisten sind rot eingefärbt, nur etwa eine Handvoll ist grün, eines gelb: Die Übersicht auf der Internetseite frauen-info-netz.de bildet die Kapazitäten der nordrhein-westfälischen Frauenhäuser ab. Ein gelbes Häuschen zeigt freie Plätze für Frauen an, ein grünes freie Plätze für Frauen mit Kindern. Rot bedeutet voll besetzt. Die beiden Duisburger Häuser sind rot markiert.
2015 gab es in Duisburg 1407 polizeilich erfasste Fälle von häuslicher Gewalt, 486 Opfer vermittelte die Polizei laut Sprecherin Daniela Krasch an Beratungsstellen. Im gleichen Jahr fanden 108 Frauen und 66 Kinder im Autonomen Frauenhaus Zuflucht, 70 Frauen und 65 Kinder im Frauenhaus des Evangelischen Christophoruswerkes. Aber: 353 Frauen fanden keinen Schutz, sie mussten abgewiesen werden.
Privatsphäre für die Frauen enorm wichtig
Selten lag das an der Nähe des Frauenhauses zum Täter oder daran, dass der Täter den Standort kannte, noch seltener daran, dass es keinen Platz für mitgebrachte Haustiere gab, oder dass die Frauen von volljährigen Söhnen begleitet wurden. Viel häufiger lautete der Grund schlicht: Platzmangel. Die meisten Abweisungen geschahen aufgrund von Überbelegung, sagt Hiltrud Limpinsel vom Autonomen Frauenhaus, im Haus des Evangelischen Christophoruswerkes waren es etwa ein Drittel der Fälle, schätzt die Leiterin Karin Bartl.
17 Frauen mit bis zu 21 Kindern können in den beiden Duisburger Häusern gleichzeitig untergebracht werden, mehr geht nicht. Spielräume gibt es kaum. Man könne nicht fremde Frauen zusammen in einem Apartment unterbringen, erklärt Karin Bartl. Schließlich sei die Privatsphäre für die Frauen enorm wichtig, damit sie sich wieder sicher fühlen könnten.
Land zahlt eine Pauschale
„Duisburg hat zu wenig Frauenhausplätze“, bemängelt Hiltrud Limpinsel, „und diese Situation würden wir gern ändern“. Deshalb sucht der Trägerverein des Autonomen Frauenhauses schon seit Längerem ein neues Gebäude, in dem 12 Frauen Platz finden sollen. Natürlich müsse zunächst die Finanzierung sichergestellt sein, möglicherweise werde auch mehr Personal benötigt. Überhaupt – die Finanzierung. Sie steht nicht nur bei Duisburgs Frauenhäusern auf wackligen Beinen. Das Land zahlt den Einrichtungen einen Pauschalbetrag, der etwa 60 bis 85 Prozent der Kosten deckt – der Rest muss über Nutzungsentgelte oder Spenden erwirtschaftet werden. Für kommunale Zuwendungen fehlen der Stadt derzeit die Mittel.
Der Landesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros/Gleichstellungsstellen NRW (LAG) zufolge, sinkt die reale Finanzierung durch das Land jedoch kontinuierlich. „Tariferhöhungen, die Altersstruktur der Mitarbeiterinnen, gestiegene Sachkosten und Ähnliches“ führten dazu, dass der Eigenanteil der Frauenhäuser stetig wachse.
Zu wenig Geld für mehr Plätze oder Personal
Doris Freer, die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Duisburg und Sprecherin der LAG, hat deshalb eine Resolution auf den Weg gebracht, die von der Landesregierung eine dauerhafte Sicherung der Fraueninfrastruktur fordert: durch eine „existenzsichernd, nachhaltig, bedarfsgerecht und dynamisch“ gestaltete Finanzierung.
Denn die klammen Kassen verhindern nicht nur mehr Frauenhaus-Plätze oder zusätzliches Personal – sie versetzen die Mitarbeiterinnen auch in die „absolut unbefriedigende Lage“, Frauen aus finanziellen Gründen abweisen zu müssen. Nämlich dann, wenn diese den Aufenthalt im Haus nicht bezahlen und ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können. „Wir würden sonst pleite gehen“, erklärt Hiltrud Limpinsel.
Im Frauenhaus des Evangelischen Christophoruswerkes kalkulierte man in der Vergangenheit pro Jahr zwei derartige Fälle ein – künftig könne man sich selbst das nicht mehr leisten, so Karin Bartl. Immerhin: Ministerin Barbara Steffens signalisierte jetzt Gesprächsbereitschaft. Im Januar will sie gemeinsam mit Vertreterinnen der LAG nach Lösungen für die Finanzierungssorgen der Frauenhäuser suchen. Doris Freer wird dann ihre Forderung nach einer landeseinheitlichen Regelung wiederholen: „Am besten wäre eine komplette Kostenübernahme“.
>>> WENN GELDMANGEL SCHUTZ VERHINDERT
Der Anruf im Autonomen Frauenhaus ist etwa eine Woche her. Eine Frau war mit ihren drei Kindern vor dem gewalttätigen Mann geflohen. Sie hatte weder eigenes Geld, noch Anspruch auf Sozialleistungen. Die Kinder hätte das Jugendamt in Obhut nehmen können, für die Frau jedoch gab es keine andere Möglichkeit, als nach Hause zurückzukehren.
So gern es die Betreiber der Frauenhäuser täten: Sie haben wenige bis gar keine Möglichkeiten, Frauen aufzunehmen, die das Nutzungsentgelt nicht zahlen und den eigenen Lebensunterhalt sowie den der Kinder während ihres Aufenthaltes nicht bestreiten können.
Die Tagessätze in den nordrhein-westfälischen Frauenhäusern liegen etwa zwischen 20 und 65 Euro – Geld, das man erst einmal haben muss. Zumal viele nicht nur tageweise auf Schutz angewiesen sind. Im Haus des Evangelischen Christophoruswerkes dauerte ein Aufenthalt 2015 im Schnitt 34 Tage. Dass sie hilfesuchende Frauen nach ihrer finanziellen Situation fragen muss, ärgert Hiltrud Limpinsel. „Ich mache diesen Job bestimmt nicht, um erst einmal zu prüfen, ob eine Frau überhaupt zahlen kann.“
Wer Anspruch auf Sozialleistungen hat, den fangen gesetzliche Regelungen auf – doch manche Frauen fallen eben durchs Raster. Das sind nicht nur Migrantinnen, die noch nicht lange in Deutschland leben, das sind ebenso Studentinnen oder gut situierte Frauen, die in ihrer Ehe jedoch niemals eigenes Geld besessen haben. Das Problem dieser Versorgungslücken will Doris Freer beim Gespräch mit Ministerin Barabara Steffens im Januar ebenfalls zur Sprache bringen.