Duisburg. Anerkannte Flüchtlinge, die nach dem 6. August nach Duisburg gezogen sind, werden zurückgeschickt. Petition prangert Missstände an. Heute Demo

  • 3500 anerkannte Asylbewerber zogen seit Januar 2016 nach Duisburg
  • Die Frage ist, ob sie bleiben dürfen – die Landesregierung soll nun entscheiden
  • Wer nach dem 6. August hier angekommen ist, wird wieder zurückgeschickt

Seit 6. August gilt das neue Integrationsgesetz. Rückwirkend zum 1. Januar hat die Bundesregierung eingeführt, dass anerkannte Flüchtlinge sich nicht mehr selbst ihren Wohnsitz aussuchen dürfen. Ghettobildung in den Großstädten solle so vermieden werden. Das Gesetz wirkt sich auch auf die Flüchtlingsarbeit vor Ort aus und führt zu Härtefällen.

Vom 1. Januar bis 5. August diesen Jahres sind rund 3500 anerkannte Asylbewerber nach Duisburg gezogen. Derzeit wird von Seiten der Stadt geprüft, wie viele Fälle ggf. unter die „Wohnsitzauflage des § 12a AufenthG“ fallen könnten. Teilweise wurden bereits Briefe verschickt, in denen die Flüchtlinge aufgefordert werden, wieder in den Ort zurückzukehren, wo sie ihren Asylantrag gestellt haben und anerkannt wurden.

Petition an Ministerpräsidentin Kraft

Im Fall der Familie Rachid (Name von der Redaktion geändert) ist das Pempflingen, ein kleiner Ort in Bayern. Gegen diese Regelung laufen nun Mitglieder der Gruppen „Refugee Strike“ und „Refugee Supporter“ aus Duisburg Sturm. In einer Petition wenden sie sich an Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, Oberbürgermeister Sören Link und sämtliche städtische Behörden. Am Freitag soll es um 11 Uhr zudem eine Demonstration vor dem Stadttheater geben.

Alia Rachid und ihre drei Kinder sitzen auf zwei Matratzen in einer kahlen Wohnung. Ihre Flucht führte sie nach Pempflingen. Dort gab es wenig Ausländer und noch weniger Flüchtlinge. Deshalb war die Mutter froh, als sie auf Facebook eine Art Werbeanzeige sah. Ein Mann warb für Duisburg, hier bekomme man viel besser eine Wohnung als in der Gegend um München. 800 Euro verlangte er für seine Dienste. Die Familie lieh sich das Geld, bekam eine Genehmigung von den bayrischen Behörden, dass sie umziehen darf, und kam Anfang August nach Duisburg. Die Drei-Zimmer-Wohnung ist zwar geräumig, aber kahl und leer.

Bitten an die Stadt

Alia Rachid meldete sich beim Jobcenter und der Ausländerbehörde, wollte sich anmelden und Zuschuss zur Miete beantragen. Sohn Mohamed (11) spricht schon Deutsch mit bayrischem Akzent, er wollte wieder gerne zur Schule gehen. „Aber wir wurden immer vertröstet, dass wir später wieder kommen sollen“, schildert er. Die Mitglieder von „Refugee Strike“ und „Refugee Supporter“ vermuten Methode dahinter, dass der Termin bewusst bis zum Inkrafttreten des Gesetzes verschleppt wurde. Kurze Zeit später kam dann nämlich die Aufforderung, Duisburg zu verlassen. „Diejenigen unter uns, die seit dem 1.1.2016 nach Duisburg umgezogen sind, haben sich hier in den letzten Monaten endlich niedergelassen, um ein neues Leben starten zu können“, schildert Wasim Al Abdu, Mitunterzeichner des offenen Briefes und selbst Mitglied der Gruppen.

In der Petition sind Bitten an die Stadt und die Ämter formuliert: So soll das Jobcenter wieder die Zahlung der Sozialleistungen übernehmen, bis das Land NRW entschieden hat, wie es das Gesetz umsetzen wird. Außerdem solle die Stadt davon absehen, das Gesetz rückwirkend anzuwenden.

230 Personen betroffen

Die Stadt hat sich inzwischen selbst an das Land gewandt. „Bei Personen, die in der Zeit vom 1. Januar bis zum 5. August 2016 nach Duisburg gezogen sind, wurde der § 12a AufenthG bisher nicht angewendet. Für diesen Personenkreis wurde das Ministerium für Inneres und Kommunales mit der Bitte um Handlungsanweisungen angeschrieben“, heißt es in einer Stellungnahme.

Seit dem 6. August 2016 haben rund 230 Personen erstmalig bei der Duisburger Ausländerbehörde vorgesprochen, die unter der Regelung des § 12a Aufenthaltsgesetzes fallen. Diese Personen wurden aufgefordert, Duisburg zu verlassen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass mutwillig Termine nicht eingehalten wurden“, sagt eine Stadtsprecherin zu dem Vorwurf, dass Termine verschleppt wurden. Den Härtefallantrag habe die Stadt abgelehnt, da der Mietvertrag erst zum 15. August gelten sollte – und damit nach Inkrafttreten des Gesetzes. Von einer Krankheit sei nie die Rede gewesen.

Für die Familie Rachid kommen somit sämtliche Änderungen, die die Initiative fordert, zu spät. Ihnen ist das Geld ausgegangen. Sie mussten wieder nach Bayern, um dort erneut Unterstützung zu beantragen.