Duisburg. . Die neue Ausstellung „On Surface“ im Lehmbruck-Museum zeichnet die Geschichte der Oberflächenbearbeitung in der Kunst nach: von Rodin bis heute.
Am Anfang war der Sündenfall: Als Auguste Rodin 1881 die „Eva“ von seinem Hauptwerk, dem „Höllentor“, herabholte und sie als „Non-finito“ mit nicht vollendet herausgearbeiteten Gliedmaßen der Welt so ganz ohne Sockel vorstellte, brach der französische Bildhauer alle Tabus. Das Lehmbruck-Museum stellt Rodins „Eva“ jetzt auf einen metaphorischen Sockel: Die Schöne aus dem Buch Genesis, eine Leihgabe des Frankfurter Städel Museums, markiert in der neuen Ausstellung „On Surface“ den Anfang aller modernen Skulptur.
Rodins Technik, das Unvollendete und Grobe war Wegbereiter und Inspiration für Zeitgenossen wie Bildhauer Medardo Rosso und Wilhelm Lehmbruck. Rosso, der Rodin in Paris kennengelernt hat, ist ebenfalls direkt im ersten Raum mit „La portinaia“ anzutreffen. Der Ehrenplatz zur Rechten „Evas“ aber wurde dem Namensgeber des Museums gewährt: Lehmbrucks „Kopf einer alten Dame“ hat ein sprödes Gesicht, geformt aus Tonklümpchen.
Isoliert in der Mitte des Raumes hat die in Gent lebende Berlinde de Bruyckere ihren eigenen Bereich. Aufgebahrt auf einem schmucklosen Tisch liegt dort die Arbeit „Krüppelholz“: ein krummer, kranker Baum, der als versehrter Körper dargestellt wird, mit von Stofftüchern bedeckten Wunden. Von derlei Unvollkommenheit hingegen ist bei Max Bill keine Spur mehr. Seine konstruktivistischen Werke wie die „Drei Kreisscheiben“, aus vergoldeten Messing, erheben die Geometrie zum Maß aller Dinge.
Große Namen und süße Hingucker
Natürlich sind auch Tony Cragg, derzeit Dank der Wuppertaler Retrospektive ohnehin in aller Munde, und Jeppe Hein, dem parallel eine eigene Sonderausstellung im Lehmbruck gewidmet ist, in der neuen Ausstellung vertreten. Ein weiterer Hingucker: der „Mantel der Liebe“, den Michael von Kaler komplett mit süßen Liebesperlen „bestickt“ auf einer Kleiderbüste präsentiert.
Als „Oberfläche“ versteht die Ausstellung gemäß ihrem weit gefassten Titel „On Surface“ aber auch Bildschirme: Mit den animierten Figuren von Julian Opie und Evan Roths Videos von Händen, die ein Smartphone bedienen, schlägt sie den Bogen zur digitalen Erfahrungswelt. „Die Ausstellung fragt, wie Kunst auch durch Berührung zu erschließen ist“, so Lehmbruck-Direktorin Dr. Söke Dinkla.
Anfassen erwünscht
Eines der Kunstwerke – von der Kanadierin Janet Cardiff – ist tatsächlich haptisch erfahrbar. „Bitte den Tisch berühren“, verheißt ein Hinweis am Eingang einer schwarzen Box in deren Mitte erleuchtet ein alter Holztisch steht. Erst durch das Anfassen der Platte gibt er preis, wieviel High-Tech in ihm steckt. Dann werden Sensoren aktiviert, die über Lautsprecher an den Seitenwänden des Raumes Soundfragmente erklingen lassen. Im unteren Geschoss beherbergen die Dreiecksräume weitere Arbeiten von Rebecca Horn, Daniel Canogar und Carsten Nicolai, die ebenfalls mit Elektrizität und Maschinen arbeiten. So zeichnet „On Surface“ eine Geschichte von der Eva bis zur High-Tech-Sensorik. Ein sehenswerter „Sündenfall“.
Info:
Die Ausstellung wird am Samstag, 2. Juli, um 16 Uhr mit einer Performance eröffnet. Die Schau endet am 23. Oktober. Infos und Begleitpogramm auf: www.lehmbruckmuseum.de
Gut sichtbar vor dem Museum steht für die Dauer der Schau ein weiteres Kunstwerk: Georg Baselitz’ „BDM Gruppe“ macht hier Station.