Duisburg. In der Volkshochschule fieberten Briten und andere Gäste dem Ergebnis des Votums entgegen. Nach dem „Brexit“ herrscht Furcht vor den Konsequenzen.
„Ich habe mich total erschreckt, als ich das Ergebnis hörte“, erzählt Robert Tonks von der Deutsch-Britischen Gesellschaft über seine Gefühlslage am Freitagmorgen. Am Wahlabend zuvor waren der gebürtige Waliser und 90 weitere Gäste in der Volkshochschule noch guter Dinge für einen Verbleib des Vereinten Königreichs in der Europäischen Union. „Auch, wenn klar war, dass es sehr knapp werden würde“, so Tonks.
Jetzt steht fest: Großbritannien verlässt die EU, etwa 52 Prozent der Wähler stimmten für einen Brexit. „Die Schotten sind ja mehrheitlich für einen Verbleib. Das Ergebnis bringt wahrscheinlich die nächste Unabhängigkeitsforderung Schottlands hervor“, ist sich Richard Kelland sicher. Der Engländer ist 77 Jahre alt, wohnt aber schon seit mehr als einem halben Jahrhundert in Duisburg. Sein Bruder, erzählt Kelland, habe für den Brexit gestimmt. Dieser habe das Gefühl, dass aus Brüssel nur diktiert und befohlen wird. „So sehen das möglicherweise viele seiner Landsleute“, vermutet Richard Kelland.
Viele rechtliche Konsequenzen
Zudem ist er erschrocken und enttäuscht über die Gewalt der vergangenen Wochen während der Brexit-Kampagnen. Für ihn gab es keine andere Möglichkeit als gegen den EU-Austritt zu stimmen: „Die wirtschaftlichen Privilegien, die die Briten dadurch genießen, gehören nach dem Austritt der Vergangenheit an.“
Bei der Informations-Veranstaltung in der VHS gab es neben Sandwiches und Wein einen Vortrag von Michael Kaeding, Inhaber des Jean-Monnet-Lehrstuhls für Europapolitik an der Universität Duisburg-Essen (UDE). Dieser prognostizierte ebenfalls ein knappes Kopf-an-Kopf-Rennen, wertete die bisherigen Umfragen aus und erklärte die Konsequenzen jedweden Wahlergebnisses.
Eine eigene Theorie zum weiteren Verlauf nach dem Brexit-Resultat hat Steve Tipping, der in der VHS ebenfalls zugegen und optimistisch gestimmt war. Nach dem Brexit dann am nächsten Morgen die große Ernüchterung: „Das ist nicht gut. Großbritannien hat viele rechtliche Konsequenzen zu befürchten, viele Verträge wurden geschlossen. Ich nehme an, jetzt versucht Boris Johnson Regierungschef zu werden“, so Tipping.
"Nach Bauchgefühl entschieden"
Was den in der Nähe von Liverpool aufgewachsenen Mann immens stört, ist, „dass ein Großteil der Kampagne auf dem Rücken von Flüchtlingen und Asylsuchenden ausgetragen wurde“. Die Grundstimmung in Europa müsse die EU endlich wahr- und ernstnehmen, ihre Institution mit der Lupe betrachten und Reformen zum Wohle der europäischen Bürger beschließen.
Robert Tonks hoffte bis zuletzt und vermutet jetzt: „Viele Ältere und Leute aus ländlichen Gegenden haben nach Bauchgefühl entschieden und nicht nach wirtschaftlichen Gründen. Dass diese Momentaufnahme weitreichende Konsequenzen mit sich bringt, ist vielen gar nicht bewusst.“