Bochum. . Heute geht es um die Zukunft des Vereinigten Königreichs. Bleibt es in der Europäischen Unionoder wird es sie verlassen? Wir haben uns unter Bochumern umgehört.
Heute stimmen die Engländer über den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union ab. Aus diesem Anlass haben wir uns einmal unter Menschen, die in Bochum leben oder arbeiten, umgehört und gefragt, wie sie abstimmen würden. Sie alle haben eine besondere Beziehung zur Insel.
Der Engländer in Bochum
„England sollte auf jeden Fall in der EU bleiben“, sagt John Barrett. Der 59-Jährige versteht die Ängste derjenigen, die für eine Eigenständigkeit plädieren. Trotzdem wäre ein Austritt aus der Gemeinschaft seiner Meinung nach nicht gut für sein Geburtsland. Selbst abgestimmt hat er, der seit 36 Jahren in Bochum lebt und als Cheftrainer beim Tennisclub Grün-Weiß Herne arbeitet, nicht. Dazu sei England, auch wenn der Familienvater seinen britischen Pass behalten hat, emotional inzwischen einfach „zu weit weg“. Auch wenn ein Teil seiner Familie dort lebt. Die beiden Schwestern stimmen heute ebenfalls für den Verbleib, sagt Barret und fügt lachend hinzu, dass sein 85-jähriger Vater aber „einer von denen ist, die der Meinung sind, dass früher alles besser war“.
Im Falle eines Austritts fürchtet er Nachteile für die Wirtschaft, Einbrüche für die Tourismusbranche und für sich selbst Schwierigkeiten mit seiner Arbeitserlaubnis. „Alles soll so bleiben wie es ist“, wünscht er sich, denn „die Probleme, die jetzt da sind, sind gesamteuropäische Probleme. Wir müssen zusammenhalten, in guten wie in schlechten Zeiten“.
Der Geschäftsmann
„Wir alle hoffen, Großbritannien verbleibt in der EU“, sagt auch Klaus Meng, Vorsitzender der Geschäftsführung von SCISYS. Das Softwareunternehmen hat seinen Hauptsitz in Werne und außerdem Standorte in Darmstadt und in England. Klaus Meng pendelt regelmäßig über den Kanal. „Ich und auch der restliche Vorstand, der insgesamt aus vier Briten und zwei Deutschen besteht, plädieren ganz klar für einen Verbleib. Da weiß man, was man hat.“ Gerade aus unternehmerischer Sicht biete die Europäische Union den Vorteil, dass alles ganz einfach geht. Zum Beispiel könnten Mitarbeiter derzeit ohne viel Bürokratie hin- und herreisen.
Wenn es zu einem Austritt käme, hoffe man darauf, dass Devisen und Kapitalmärkte nicht zu sehr in Unruhe geraten und vor allem der Wechselkurs zwischen englischen Pfund und Euro stabil bleibt. „Unterm Strich herrscht eine große Unsicherheit“, sagt Meng. „Aber ein Unternehmen muss sich sowieso ständig Veränderungen anpassen. Sollte diese eintreten, werden wir auch hier einen Weg finden.“
Die England-Freundin
„Ich bin ganz klar dafür, dass England in der EU bleibt“, sagt Monika Wulfhorst-Werner, „aber die EU sollte England und auch allen anderen Staaten ihre Freiheiten und Eigenheiten, ihre eigene Farbe lassen.“ Seit 1983 fährt die 66-jährige ehemalige Büroangestellte jedes Jahr für mindestens drei Wochen auf die Insel, 1990 gründete sie den Verein „Freunde Sheffields“, der englischen Partnerstadt Bochums mit, der alle zwei Jahre Bürgerfahrten dorthin unternimmt. Die Ängste der Briten versteht auch sie : „Deshalb sollte man dem Inselvolk und allen anderen Nationalitäten in der Gemeinschaft seine Eigenheiten lassen und nicht zu viel regulieren“, sagt sie.
Der Experte
„Ich bin froh, dass ich nicht abstimmen muss“, sagt Sebastian Berg, der seit 16 Jahren als Dozent für British Social und Cultural Studies am Englischen Seminar der Ruhr-Uni arbeitet. Denn die Entscheidung sei schwer: „Wenn ich mir die EU anschaue, bin ich für einen Austritt.“ Die EU verfolge in den vergangenen Jahren eine zunehmend neoliberale Politik, vor allem in Hinblick auf Griechenland. Außerdem stört ihn, wie in Europa mit der Flüchtlingskrise umgegangen wird. „Es gibt wenig europäische Solidarität“, sagt Berg. „Wenn ich mir aber die britische Regierung anschaue, dann würde ich gegen einen Austritt stimmen.“ Denn die überlege, die von Großbritannien unterschriebene europäische Menschenrechtserklärung und die staatenübergreifenden Arbeitnehmerrechte rückgängig zu machen. „Das ist letztendlich auch wenig solidarisch“, sagt der 51-Jährige.