Herne. . Exil-Briten und Deutsche bedauern in Herne die Entscheidung Großbritanniens für einen Ausstieg aus der Europäischen Union. Die WAZ sammelte Stimmen.

Tiefe Betroffenheit, große Enttäuschung, Trauer und Ratlosigkeit herrscht nach dem Ausstiegsvotum der Briten bei Hernern, die ein ganz besonderes Verhältnis zu Großbritannien haben. Wir fassen die Reaktionen zusammen.

„Oh Gott, habe ich gedacht, als ich morgens auf mein Smartphone schaute“, sagt Lisa Hochwahr (39). Die gebürtige Schottin mit indischen und kenianischen Wurzeln wuchs in England auf und kann es kaum fassen: „Ich habe ein ganz schlechtes Gefühl. Auslöser für den Brexit war ja auch die Fremdenfeindlichkeit in Großbritannien. Dabei bin ich so froh, dass sich alle Menschen in Europa frei bewegen können“, sagt die Geschäftsfrau, die ein Feinkostgeschäft an der Bebelstraße betreibt.

Talfahrt für die Wirtschaft

„Ich war sehr enttäuscht, als ich die Nachricht vom Brexit in der BBC hörte“, erklärt John Barrett. Der 59-jährige Tennistrainer bei Grün-Weiß Herne kam vor 23 Jahren ins Ruhrgebiet und sagt: „Ich habe gehofft, dass wir mit leichtem Vorsprung in der EU bleiben. Meine ganze Familie in England war für einen Verbleib in der Gemeinschaft, nur mein Vater nicht.“ Das Abstimmungsergebnis sei „sehr, sehr schade.“

„Traurig“ findet auch Renate Sommer die Entscheidung. Die CDU-Europaabgeordnete aus Herne hat bis zum Schluss gehofft, dass die Briten „sich das nicht antun“. „Ich habe viele Freunde in England, für sie bricht eine Welt zusammen“, äußerte sich die 57-jährige Christdemokratin im Gespräch mit dieser Zeitung. In einer Stellungnahme an die Presse erklärt sie: „Ich bin erschüttert, dass die Briten sich derart ins eigene Fleisch schneiden und die EU verlassen. Das ist ein Desaster für das Vereinigte Königreich. Das britische Pfund ist bereits eingebrochen, die Wirtschaft wird eine schwere Talfahrt erleben, und auch sicherheitspolitisch ergibt sich jetzt ein großes Problem für das Vereinigte Königreich, denn die Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist außerhalb der Europäischen Gemeinschaft im Alleingang kaum zu stemmen. Dies alles haben die Brexit-Befürworter dem Volk verschwiegen.“

Ein besonderes Desaster sei der Austritt für die junge Generation in Großbritannien, die nun nicht mehr so leicht in der EU studieren und arbeiten könne. Viele Karrieren würden im Keim erstickt.

„Dann kann ich ja jetzt günstiger nach London reisen“, sagt CDU-Chef Markus Schlüter mit Blick auf den Kurssturz des britischen Pfunds. Nur ein Scherz, denn: Der Christdemokrat fährt zwar mit seiner Familie gerne und häufiger mal nach London, hält die „Wir sind dann mal weg“-Entscheidung der Briten aber für eine Katastrophe. „Das ist das völlig falsche Signal.“