Duisburg. Beim VSG Duisburg können auch Menschen mit Behinderung das Sportabzeichen erringen. Zehn Akteure wollen es gleich auf Anhieb schaffen.

Ein paar Meter vor der Sprunggrube startet Oli mit dem Anlauf. Noch etwas zaghaft, aber angefeuert von seinen Mitstreitern nimmt er mehr Tempo auf – und hopst einen Meter in den Sand.

Oli ist 42, hat das Downsyndrom und will das Sportabzeichen machen. Prüfer Peter Serfort notiert die Weite. „Da geht noch was Oli. Nächstes mal mit richtig Power anlaufen!“ Oli nickt mit dem Kopf: „Ok! Ja!“ Dann macht er schnell Platz für den nächsten hochmotivierten Akteur.

Insgesamt zehn Sportler des VSG Duisburg treten zur Sportabzeichenprüfung an. Zwei mit Sehbehinderung und acht mit geistiger Behinderung. Wie das geht?

Richtungsanweisungen für blinde Sportler

„Alle Sportler werden erst einmal klassifiziert. Für jede Art der Behinderung gibt es eine eigene Startklasse und mehrere Unterkategorien“, erklärt Peter Serfort. Das Alter seiner Prüflinge liegt zwischen 20 und 74. „Auch das wird natürlich berücksichtigt.“

Nicht nur Sport- sondern auch Ehrenabzeichen

Das Deutsche Sportabzeichen ist ein Ehrenzeichen der Bundesrepublik Deutschland mit Ordenscharakter. Es wird in den drei Leistungsstufen in Bronze, Silber und Gold verliehen.

Für Menschen mit Behinderung gibt es das Sportabzeichen seit 1952. Die Athleten können es in elf individuellen Startklassen absolvieren.

Informationen zum Sportabzeichen für Menschen mit Behinderung gibt es im Internet auf: www.dbs-npc.de

Senior Horst (74) macht sich indes schon auf den Weg zur nächsten Station, dem Medizinballwurf. „15 geradeaus, drei links, Horst.“ Präzise gibt Prüfer Serfort die Richtungsanweisung in Schritten für den blinden Sportler an. Der steuert zielsicher den Abwurfort an. Dennis schnappt sich den ersten Ball. „Neun Meter“, sagt er selbstbewusst und pfeffert das Sportgerät in die Luft.

„Hmmm, Acht Achtzig“, lautet Serforts Messergebnis. Aber der zweite Versuch sitzt. Natalie und Sven liefern eine solide Leitung ab, Ulrike rutscht der Ball aus der Hand. Wütend stampft sie mit dem Fuß auf. „So ein Mist!" Sie sammelt aber gleich schon wieder Konzentration für den nächsten Versuch.

Spaß am Sport ist das Wichtigste

Es wird viel gelacht, gequatscht und gejubelt. Dass die Zehn gerne zum Sportplatz am Kalkweg kommen, ist nicht zu übersehen. „Ist auch das Wichtigste“, bestätigt der 31-jährige Serfort und schreibt das nächste Ergebnis auf.

Dennis und David, die beiden Sportskanonen der Gruppe, laufen nach ihren Würfen quasselnd zum 50-Meter-Start. Betreuer Eugen Lück zeigt den Prüflingen die richtige Startposition. Natalie, die jüngste im Bunde, komplettiert den ersten Lauf und macht den Jungs das Leben schwer. Fast zeitgleich trifft das Trio im Ziel ein.

Ausdauerlauf zum Abschluss

Horst steht schon an der Startlinie. Peter Serfort gibt das Kommando, läuft gut zehn Meter vorweg und ruft ihm Richtungsanweisungen zu. Zügig schafft er es ins Ziel, wie nach ihm auch die anderen sechs Sportler. Der Prüfer schaut wieder auf sein Klemmbrett. „Wie beim normalen Sportabzeichen auch, müssen Disziplinen in den Kategorien Schnelligkeit, Kraft, Koordination und Ausdauer absolviert werden. Schwimmen kommt später.“

Zum Abschluss steht der Ausdauerlauf auf dem Programm. Eugen Lück feuert die Gruppe noch einmal richtig an. „Seid ihr bereit noch mal Vollgas zu geben?“ Die zehn Sportler jubeln, Oli reißt die Arme hoch. Alle stellen sich an die Startlinie. Lück zückt die Stoppuhr: „Auf die Plätze, fertig, los!“

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Buddy-Sportabzeichen 

Mehr Motivation als Trainingsduo

Wer sich alleine nicht aufraffen kann, für das Sportabzeichen zu trainieren, der kann sich mit einem sogenannten Buddy verabreden. Das Duo besteht immer aus einem Sportler mit Behinderung und einem nicht behinderten Athleten. „Das läuft so, dass die beiden eine gemeinsame Vorbereitung auf die Sportabzeichenprüfung machen und dann auch gemeinsam antreten“, erklärt Peter Serfort vom VSG.

Die beiden Sportler könnten sich so gegenseitig motivieren. „Und es macht auch einfach mehr Spaß zusammen zu trainieren“, ist sich Serfort sicher. Informationen gibt es auf: www.vsgduisburg.de

Drei Fragen an Diether Keuther

Sportabzeichen-Experte des Behinderten- und Rehabilitationssportverbands Nordrhein-Westfalen

1. Wie wichtig oder sinnvoll ist das Sportabzeichen für Menschen mit Behinderung?

Dieter Keuther: Das Sportabzeichen für Menschen mit Behinderung ist genau so sinnvoll wie für Menschen ohne Behinderung, denn für alle ist es wichtig in Bewegung zu bleiben und sich Selbstbewusstsein durch die erbrachten Leistungen zu holen.

2. Warum ist speziell das Sportabzeichen dabei zu empfehlen?

Keuther: Das Sportabzeichen bietet eine hervorragende Möglichkeit, den ganzen Körper, soweit möglich, zu trainieren. Die Bandbreite der Belastungen ist so unterschiedlich, wie sonst kaum bei einer einzelnen Sportart.

Mit einem ordentlichen Satz geht es in die Grube: Dennis gelingt der beste Sprung. Eugen Lück (r.) und Peter Serfort (2. v.r.) messen die Weite.
Mit einem ordentlichen Satz geht es in die Grube: Dennis gelingt der beste Sprung. Eugen Lück (r.) und Peter Serfort (2. v.r.) messen die Weite. © FUNKE Foto Services

3. Wer absolviert das Sportabzeichen?

Keuther: Eigentlich gibt es Absolventen in jeder Altersklasse. Vom Sechsjährigen bis zum 90-Jährigen. Und es gibt auch viele Sportler im Ausland, die gerne das deutsche Sportabzeichen ablegen. Einerseits, um dann einen offiziellen Orden der Bundesrepublik zu bekommen, andererseits, weil es nicht in jedem Land so etwas wie das Sportabzeichen gibt, um die allgemeine körperliche Fitness zu testen.