Duisburg. . Rund 10 000 Zuwanderer in Duisburg haben einen ungeklären Versicherungsstatus. Helfen soll einen Clearingstelle, die das Land in Marxloh einrichtet.
EU-Bürger, die in ein anderes Mitgliedsland umziehen, sind dort nicht automatisch krankenversichert. Richtig kompliziert wird es, wenn Menschen als Arbeitsmigranten etwa aus Rumänien zunächst nach Spanien, dann nach Großbritannien wandern und schließlich nach Duisburg übersiedeln. Um den Versicherungsstatus von EU-Bürgern zu klären, richtet das Land nun eine von fünf Clearingstellen in Marxloh ein. Am Dienstag gab NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) den Startschuss, Träger ist die Awo-Integration.
Erkranken sie und wenden sich an die Notaufnahme, bleiben Krankenhäuser häufig auf den Kosten sitzen, weil die Patienten sie nicht begleichen können. Ehrenamtliches Engagement von Ärzten wie am Petershof in Marxloh stößt längst an seine Grenzen.
Niemand dürfe unbehandelt bleiben, betonte Ministerin Steffens: „Gesundheitsversorgung ist ein grundlegendes Menschenrecht.“ Um Kliniken und Kommunen zu entlasten, stellt das Land nun über drei Jahre rund 2,5 Millionen Euro zur Verfügung, um das Problem mit fünf auf das Land verteilte Clearingstellen anzugehen. Eine erste nimmt in Köln nun ihre Arbeit auf, in Marxloh startet die zweite zum 1. August.
Marxloh ist „Hotspot der Integration“
Einen „Hotspot der Integration“ nennt Karl-August Schwarthans von der Awo den Stadtteil, in dem viele der 16 400 Zuwanderer aus Südosteuropa leben, die in den vergangen Jahren nach Duisburg kamen. Viele nicht direkt aus Rumänien und Bulgarien, sondern aus anderen EU-Staaten. „Deshalb sehen Sie hier auch viele spanische und britische Autokennzeichen“, erklärt Schwarthans. Nicht selten hätten die Menschen deshalb Ansprüche auf Versicherungsleistungen nicht nur aus ihren Herkunftsländern. „Sie müssten in die regulären Systeme einbezogen werden. Aber als Stadt stehen wir am Ende der Kette“, beklagt Beigeordneter Ralf Krumpholz. Auf rund 10 000 schätzt er die Zahl der Menschen mit ungeklärtem Status.
Bundesregierung negiert das Problem
Eigentlich sei es Aufgabe des Bundes, in Brüssel eine europäische Lösung für ein Problem zu forcieren, das sich in vielen Mitgliedsstaaten stellt. „Dass die Kanzlerin bei ihrem Besuch in Marxloh vor einem Jahr jegliche Unterstützung des Bundes abgelehnt hat, bleibt angesichts der konkreten Not der Menschen äußerst befremdlich“, kritisiert die NRW-Gesundheitsministerin, „die Bundesregierung geht einfach davon aus., dass die Menschen versichert sind.“
Ziel der Clearingstellen sei es deshalb, eine niedrigschwellige Anlaufstelle für Zuwanderer aus der EU und anderen Staaten zu sein, sondern auch belastbare Daten zur Zahl der Betroffenen zu sammeln. Steffens: „Nur so können wir in Berlin etwas erreichen.“
Kommentar von Martin Ahlers: Der Letzte zahlt die Zeche
Natürlich wäre es Aufgabe des Bundes, europäische Abkommen zu verhandeln über die Frage, wann und in welcher Form EU-Bürger beim Umzug iNn ein anderes Mitgliedsland krankenversichert sind. Denn vor dieser Frage steht nicht nur der rumänische Wanderarbeiter, dessen Kindern auf dem Weg durch die Union in Duisburg erkranken, sondern auch der deutsche Rentner, der seinen Lebensabend in Spanien verbringen möchte.
Richtig ist auch die Feststellung, dass es zwar eine weitgehende wirtschaftliche und politische Integration, aber nur eine unzureichende soziale europäische Einheit gibt. Weil die Gesundheitssysteme sehr unterschiedlich sind, ist der Weg dahin steinig. Für Kliniken und Kommunen wird das deshalb wohl noch lange bedeuten: Der Letzte zahlt die Zeche.