Duisburg. . Eine weltweit bisher nur wenige Mal durchgeführte Methode zur Implantation einer künstlichen Herzklappe hat das Herzzentrum Meiderich praktiziert.
Wie es seinem Herz geht, erkennt Hans Jürgen Reiter auf der Treppe vom Keller seines Hauses bis ins Obergeschoss. „Vor dem 18. April musste ich auf den 29 Stufen dreimal stehenbleiben“, berichtet der Dinslakener. Knapp zwei Monate nach seiner Operation steigt der 65-Jährige sie wieder in einem Zug.
Der Grund für diese rapide Verbesserung seines Zustandes ist die künstliche Herzklappe, die ihm ein Team von Herzchirurgen und Kardiologen im Meidericher Herzzentrum des Ev. Klinikums Niederrhein mit einer neuen Operationsmethode einsetzte: Der Katheter mit dem Implantat wurde über einen Zugang zwischen den Rippen durch die Spitze des schlagenden Herzens an der vorgesehenen Position eingesetzt. „Weltweit ist das bislang erst wenige Male erfolgreich gemacht worden“, berichten Prof. Dr. Artur Lichtenberg (Komm. Leiter der Klinik für Herzchirurgie) und Prof. Dr. Wolfgang Schöls (Chefarzt der Klinik für Kardiologie).
Eingriff ist für den Patienten schonender als Brustkorb-Öffnung
„Der Eingriff dauert eine Stunde und ist für den Patienten wesentlich schonender als ein Einsatz der Herz-Lungen-Maschine mit Öffnung des Brustkorbs“, erklären die beiden Chefärzte. Gute Gründe sprachen dafür, die Risiken für Hans Jürgen Reiter zu verringern. Vor 15 Jahren bekam der heute 65-Jährige nach einem Herzinfarkt vier Bypässe, weitere wurde vor zwei Jahren bei einer zweiten Herz-OP gelegt. Sie lagen bei einem Eingriff buchstäblich im Weg.
„Die Mitralklappe liegt zwischen dem linken Vorhof und der hinteren Pumpkammer – sie ist das Einlassventil für das Blut“, erläutert Wolfgang Schöls. „Bei einem vergrößerten Herzen verzieht sich der Rahmen, die Klappe wird undicht und das Herz pumpt rückwärts.“ Die Folgen des geschwächten Organs: Atemnot, Wasser in Lunge und Beinen. „Ein ernster Zustand“, sagt Kardio-Chirurg Lichtenberg.
Mitralklappe ist anatomisch komplizierter als die Aortenklappe
Neue Aortenklappen werden seit zehn Jahren mit einem Katheter über die Arterien durch die Leiste ins Herz eingeführt. Nur etwa 0,5 Zentimeter groß ist das zusammengefaltete Implantat dass dann an seinem Einsatzort wie ein Schirm entfaltet wird, ein Drahtgeflecht (Stent) stabilisiert das Blutgefäß.
„Die Mitralklappe ist anatomisch deutlich komplizierter, weil es an dieser Stelle keinen deutlich abgegrenzten Rand gibt, der dem Implantat halt geben könnte. Künstliche Klappen, die über Verankerungen verfügen, gibt es noch nicht“, erklärt Lichtenberg. Das Glück von Patient Hans Jürgen Reiter: Ihm wurde an dieser Stelle bei der vorangegangenen Operation bereits ein Ring implantiert, auf dem der Chirurg nun das Implantat abstützen konnte.
Herfrequenz wird auf 200 Schläge pro Minuten gesteigert
Für den entscheidenden Moment, wenn die Klappe entfaltet wird, bedient sich das Team eines Tricks, um ein Verrutschen im pumpenden Organ zu verhindern. „Mit einem Schrittmacher erhöhen wir für bis zu 30 Sekunden die Herzfrequenz auf 200 Schläge pro Minute und setzen so den Blutdruck aus“, erläutert Schöls, „das muss reichen.“ Und wenn nicht? Dann steht alles bereit, um den Brustkorb zu öffnen, und mit Herz-Lungen-Maschine zu operieren. „Mir war’s so viel lieber“, sagt Hans Jürgen Reiter auf die Eingriffe, die hinter ihm liegen: „Man hat nicht immer so viel Glück.“