Duisburg. . Annelie Schadach lebt seit 20 Jahren mit dem Herz und der Lunge eines Organspenders. Vor drei Jahren rettete eine neue Niere ein weiteres Mal ihr Leben.

Geschenke, die zum Fest Freude bereiten oder zu beliebiger Gelegenheit Freundschaften erhalten, können noch so viel mehr. Dem Menschen sein wichtigstes Gut überhaupt erhalten: das Leben. Organspenden machen das möglich. Gleich dreifach gerettet wurde Annelie Schadach. Seit 20 Jahren lebt sie mit dem Herzen und der Lunge eines Spenders, vor drei Jahren rettete der heute 72-Jährigen die Niere eines fremden Menschen ein weiteres Mal ihr Leben.

Ein angeborener Herzfehler hat Annelie Schadach bereits seit ihrer Jugend beeinträchtigt. „Schon in der Pubertät bekam ich wenig Luft“, erinnert sich die gebürtige Mecklenburgerin, die seit 1993 in Bochum lebt. Da waren Herz und Lunge schon so angegriffen, dass an Berufstätigkeit für die Lohnbuchhalterin nicht mehr zu denken war. „Aber 1994 war klar: Ohne Transplantation geht es nicht. Man gab mir noch zwei Jahre“, erinnert sie sich.

Lebenslang Medikamente

Anderthalb Jahre wartete sie auf Spenderorgane, dann die riskante Operation im Knappschaftskrankenhaus. „Das erste Jahr ist sehr kritisch“, erklärt Dr. Ulrich Krüger. Der Kardiologe im Meidericher Herzzentrum betreut Annelie Schadach seit vielen Jahren, weil die Nachsorge in Bochum aufgegeben wurde. „Die Lunge ist der Außenwelt unmittelbar ausgesetzt, deshalb ist die Prognose ungünstiger als bei einer Herz-Transplantation“, erläutert Krüger. Lebenslang müssen die Patienten Medikamente nehmen, die eine Abstoßung der Spenderorgane verhindern. „Am Anfang bin ich davon satt geworden“, scherzt Annelie Schadach. Zweimal überstand sie eine bedrohliche Rebellion ihres Immunsystems gegen die neuen Organe.

Fünf Jahre Dialyse

Doch die Folgen des Medikamentenkonsums holten sie zwölf Jahre nach der OP ein: 2007 versagten die Nieren – fünf Jahre Dialyse folgten, ehe ihr eine Spenderniere implantiert werden konnte. Heute hat Dr. Ulrich Krüger wenig zu bemängeln, wenn er die 72-Jährige untersucht. „Ihr Gesundheitszustand entspricht dem einer Frau ihres Alters, die keine Spenderorgane hat.“ Ein „in dieser Konstellation sehr seltener Fall“ sei Annelie Schadach, eine solche lange Überlebenszeit außergewöhnlich.

„Der Lebenswille ist entscheidend“ sagt Dr. Ulrich Krüger. „Ich habe wohl Glück gehabt“, meint Annelie Schadach. Angst, berichtet sie, habe sie nicht verspürt vor den Operationen: „Wenn’s sein muss, muss es sein.“ Aber sie habe nie aufgeben, immer versucht sich zu beschäftigen. „Während der Dialyse-Zeit hab’ ich ein wenig gearbeitet, weil mir so langweilig war.“ Heute versorgt sie ihren Haushalt in Bochum-Weitmar allein, reist mit Bus und Bahn zur Nachsorge regelmäßig nach Duisburg und zum einzigen Sohn, der in Nürnberg lebt, liest und wandert gern.

Für Widerspruchsregelung

Und die Organspende? „Ich war dankbar“, sagt Annelie Schadach. Wer ihre Spender waren, das weiß sie nicht. „Ob das wohl ein junger Mensch war, darüber denke ich nach. Das nimmt man ja nicht einfach so hin.“ Seit 20 Jahren ist der 5. Juli ihr zweiter Geburtstag. „Obwohl, mittlerweile habe ich ja drei“, scherzt die 72-Jährige.

Die Frage nach ihrer Haltung zur Organspende erübrigt sich fast. „Ich hätte es gemacht“, versichert Annelie Schadach, „nicht erst, als ich einen Spender brauchte.“ Die Diskussionen um Unregelmäßigkeiten in einigen Transplantationskliniken und um das neue Gesetz hat sie natürlich verfolgt. „Ich bin für die Widerspruchsregelung. Damit ist jeder Organspender, es sei denn, er lehnt ausdrücklich ab“, erklärt sie. Weil sich das in Deutschland nicht durchsetzte, wirbt Annelie Schadach für den Spenderausweis. Ihr Argument ist ebenso einfach wie überzeugend: „Damit werden Menschen gerettet.“

Dramatischer Spendermangel

Das Herzzentrum des Evangelischen Klinikums Niederrhein in Meiderich transplantiert keine Organe, es betreut aber rund 100 Patienten vor und nach Transplantationen.

Etwa 15 Menschen, die von Dr. Ulrich Krüger betreut werden, warten derzeit auf ein Spenderherz. „Wir spüren, dass die Zahl von Spenderorganen rückläufig ist“, sagt der Kardiologe. Derzeit könnten nur Patienten berücksichtigt werden, deren Gesundheitszustand schon so schlecht ist, dass sie auf der Intensivstation auf das rettende Organ warten müssen.

„Dort beträgt die Wartezeit Wochen bis Monate“, bedauert Dr. Ulrich Krüger, „die geringe Zahl von Spenderorganen ist ein großes Problem“. Eine Patientin wie Annelie Schadach habe auch deshalb gerettet werden können, weil die Bereitschaft zur Organspende vor 20 Jahren noch ausgeprägter war. „Als sie transplantiert wurde, gab es noch die doppelte Zahl von Organen.“

Eine Herzspende, betont der Duisburger Kardiologe, rette nicht nur kurzfristig ein Menschenleben: „Es gibt Patienten, die leben seit 30 Jahren mit einem neuen Herzen.“

Mediziner werben für Organspendeausweis

Wenn Patienten mit schwersten irreversiblen Hirnverletzungen im Ev. Klinikum in Fahrn behandelt werden, sind Dr. Hilal Yahya und Dr. Deniz Özcan gefragt. Der Neurochirurg und der Anästhesist fungieren als Transplantationsbeauftragte. Oft spielen sie eine sensible Rolle zwischen Leben und Tod. Wenn der Patient als Organspender infrage kommt, zuvor aber seine Bereitschaft nicht schriftlich oder mündlich bekundet hat, versuchen die Ärzte, gemeinsam mit den Angehörigen den „mutmaßlichen Willen“ des Patienten zu ermitteln.

Sie werben für den Organspenderausweis: „Besser eine qualifizierte Entscheidung dagegen, als eine unqualifizierte dafür.“