Duisburg. Die Duistopia-Macher Bashar Farhat und Katja Stief haben den Fernsprecher am Ludgeriplatz verschönert. Telefonieren geht auch – mit Euro und D-Mark.
Sie steht dort, ein bisschen unauffällig, obwohl sonnengelb – wie ein Relikt aus einer anderen Zeit: eine Telefonzelle, aufgestellt von der Telekom in jenen Jahren, in denen noch nicht jeder ein Handy hatte. Die Scheiben sind inzwischen herausgebrochen, das Gehäuse beschmiert, aber Nachbarn haben die Telefonzelle liebevoll in Pflege genommen, und sogar verschönert: Unter der Decke sieht man Sternchen, an der Wand hängen Bilder, auf der Ablage stehen alte Bücher, die getauscht werden können. Selbst Blümchen gibt es. Hinter der kreativen Gestaltung stecken die „Duistopia“-Macher Katja Stief und Bashar Farhat.
Aus der Zelle heraus geskypt
Neulich haben sie sogar jemanden drinnen gesehen, der telefoniert hat – per Handy. „Der hat sich hier reingesetzt wie in einem Wohnzimmer und hat geskypt“, beschreibt Katja Stief. Dabei funktioniert das Telefon sogar, bezahlen kann man die Fernrufe mit Euro, aber auch noch mit D-Mark.
Auf einem Schild wirbt die Telekom gar: „Wir können mehr als telefonieren. Kurznachrichten ins Fest- und Mobilfunknetz schicken.“ Dann folgt eine Anweisung samt Piktogrammen: Hörer abnehmen. Pfeil drücken. „R“ drücken. Münzen einwerfen. Text eingeben. Pfeil drücken. Telefonnummer eingeben. Pfeil drücken. Kein Wunder, dass sich diese Art der Kommunikation nicht langfristig durchgesetzt hat.
Wann die Zelle zuletzt benutzt wurde oder wie viele Telefonzellen es im Duisburger Stadtgebiet gibt, darüber führt die Deutsche Telekom kein Buch mehr. Der Pressesprecher teilt nur so viel mit: „Die Bedeutung der Telefonzelle hat mit dem Siegeszug des Handys abgenommen. Die Notwendigkeit für öffentliche Telefonzellen nimmt dementsprechend ab.“ 30.000 Exemplare gebe es noch deutschlandweit.
30.000 Exemplare bundesweit
An Flughäfen oder Bahnhöfen sei die Nutzerzahl höher als an anderen Orten. Langfristig soll das Netz ausgedünnt werden. „Der Unterhalt einer Telefonzelle kostet Geld, etwa für Strom, Standortmiete und Wartung.“ Wenn für weniger als 50 Euro im Monate telefoniert werde, dürfen die unwirtschaftlichen Fernsprecher abgebaut werden. Die Telekom teilt weiter mit: „Der Kunde ist der Architekt des Telefonzellen-Netzes.“
Derzeit stehen ein paar Herz-Schmerz-Schmöker mit Titeln wie „Ein Haus aus Träumen“ oder „Einmal und nie wieder“ zum Tauschen bereit. Auch ein Wörterbuch oder „Java-Anwendungen für Einsteiger“ gibt es. Für Sonntag, 12. Juni, haben Bashar Farhat und Katja Stief eine „Vorlesung“ mit Büchern aus der Telefonzelle organisiert. Die vielversprechenden Titeln lauten: „Mathe macht mich krank“, „Nur der Pudding hört mein Seufzen“. „Die Lesung ist Teil unserer Reihe ,Neues aus dem Bücherschrank’, wo wir literarische Highlights vorstellen“, erklärt Bashar Farhat. Die Tipps werden auch regelmäßig in dem Faltblatt „Duistopia“ vorgestellt. Für die Lesung, Start 18.30 Uhr, gibt’s ab sofort Tickets im Café Engelberg (Ludgeriplatz 25). Bis dahin bleibt die Telefonzelle ein Bücherschrank.
Während unserer Recherche zur Telefonzelle gab es von der Telekom wenig Konkretes. Allerdings schrieb sie einen Brief an die Kirchengemeinde, auf dessen Grundstück die Telefonzelle steht. Sie solle im Juli abgebaut werden.
Bashar Farhat, Katja Stief und andere Liebhaber des Relikts wollen nun erreichen, dass sie als Ort der Kommunikation erhalten bleibt.