An Rhein und Ruhr. . Den „Bürgermeister als Hafenkapitän“ wünscht sich Minister Groschek. Hafen-Chef Staake verspricht: Eine App soll nervende Leerfahrten verhindern.

Acht Container-Züge starten pro Woche ab Duisburg-Häfen in Richtung China. Und es sollen noch viel mehr werden. „Über die neue Seidenstraße quer über die Kontinente Europa und Asien könnte Duisburg ein zentraler Ort werden. Die gesamte Region würde profitieren, wenn die strategische Bedeutung erkannt wird“, sagt NRW-Verkehrsminister Michael Groschek im NRZ-Interview.

Duisburgs Hafen-Chef Erich Staake sagt: „Die südliche Seidenstraße wird an Bedeutung gewinnen. Sie bietet enormes Wachstumspotenzial. Der neueste Zug verbindet bereits NRW mit dem Pazifik und damit mit den Märkten in Nordost-China, Südkorea und Japan.“ Daher sieht er auch einen weiteren großen Flächenbedarf der Häfen unserer Region.

Auf dem Weg nach China: ein Duisburger Güterzug.
Auf dem Weg nach China: ein Duisburger Güterzug. © WAZ FotoPool/ Ralf Rottmann

Eingetrübt werden die Planspiele für die Handelsachse zwischen der Rhein-Ruhr-Region und dem fernen Asien durch die aktuelle Wirtschaftsschwäche Chinas. „Aktuell fehlen die Treiber. Aber dennoch wollen wir weiter Marktanteile gewinnen. Unsere Dienstleistungen und unser Know-How werden weltweit nachgefragt“, so Staake. Schon jetzt seien die Container-Züge schneller und preiswerter als der Schiffsweg durch den Suez-Kanal oder um Afrika herum: Der Zug aus Duisburg benötigt nur 16 Tage für die rund 11.000 Kilometer über Land; Schiffe benötigen rund 40 Tage. Konzerne wie Hewlett-Packard oder Acer nutzen jetzt bereits den Zug, um ihre PCs in den Westen zu bringen.

Sören Link: Wie Düsseldorf für Japan

Tatsächlich entwickeln die Chinesen derzeit die ehemalige Provinzstadt Chongqing zum Kopfbahnhof der historischen Seidenstraße. Inzwischen zählt Chongqing mit 33 Millionen Einwohnern zu den größten Städten der Welt. Von hier aus sollen per Bahn, Schiff und Flugzeug Waren nach Westeuropa gelangen. Das gigantische Projekt bietet viele Chancen, aber auch politische Risiken: Kritiker fürchten, dass mit der Kontrolle von Bahn- und Infrastruktur der globale Einfluss aus dem Reich der Mitte weiter wächst.

In Duisburg indes herrscht Optimismus: „Von Duisburg aus erreicht man innerhalb weniger Stunden einen Markt von 200 Millionen kaufkräftigen Konsumenten und Kunden. Meine Vision ist es, dass der Standort Duisburg perspektivisch den Stellenwert in China erreicht, den Düsseldorf in Japan hat“, so Duisburgs OB Sören Link zur NRZ.

Rund 630.000 Menschen sind in Nordrhein-Westfalen in der Logistik tätig. Damit ist die Branche die zweitgrößte Branche im Land nach der Gesundheitswirtschaft. Vom Hafen hängen inzwischen mehr als 45.000 Arbeitsplätze in der Region ab. Mancherorts ist diese große wirtschaftliche Dimension nicht immer bekannt. Auch deshalb „trommeln“ Minister Michael Groschek und Hafen-Chef Erich Staake regelmäßig für die Weiterentwicklung von Hafen und Logistik. Die NRZ sprach mit beiden in Ruhrort.

Ihr Ministerium sagt, dass bis zum Jahr 2030 rund 255 Hektar für neue Hafenflächen nötig sind. Wo sollen die eigentlich herkommen?

Minister Groschek: Ohne die Kommunen wird das nicht gehen, sie müssen mitziehen. Deren Bürgermeister und Oberbürgermeister müssen auch Hafenkapitäne sein. Denn auch sie tragen Verantwortung für den Job-Motor Logistik.

Staake: Der Flächenbedarf ist meines Erachtens noch größer, hier hat NRW echtes Wachstumspotenzial. Das Hafen- und Logistikkonzept des Landes NRW setzt die richtigen Schwerpunkte. Es ist ein echter Meilenstein; das hat es vorher noch nie gegeben.

Zuletzt war der Umschlag in den Häfen leicht rückläufig...

Staake: Das muss man im Zusammenhang sehen. Die privaten Werkshäfen in Duisburg haben 2015 weniger umgeschlagen als im Jahr davor. Bei den öffentlichen Häfen (duisport) hatten wir im Jahr 2015 noch ein Plus von stolzen sechs Prozent; während Hamburg rund zehn Prozent verloren hat. Natürlich gibt es derzeit weltwirtschaftliche Verwerfungen; das Wachstum in China lässt nach, die USA schwächeln, Südamerika kommt nicht voran. Da fehlen einfach die Treiber. Dennoch, und das ist ganz wichtig, sind wir in Duisburg in den letzten 17 Jahren immer stärker als der Durchschnitt gewachsen. Auch in Zukunft wollen wir weiter Marktanteile gewinnen. Die Nachfrage nach unseren Dienstleistungen und unserem Know-how ist weiterhin sehr hoch.

Was heißt das für Duisburg und die anderen Häfen der Rhein-Ruhr-Region?

Groschek: Ich war kürzlich in Wien. Und da gab es nur zwei Themen: Einmal die österreichische Bundespräsidentenwahl; aber genauso wurde über das starke Wachstum der Seidenstraße gesprochen; mit Duisburg als zentralem Ort. Wir müssen begreifen, dass unsere Region eine weltweite Bedeutung hat.

Staake: Stimmt, und es vergeht kaum eine Woche, in der nicht eine Regierung bei uns wegen Unterstützung und Partnerschaften anruft. Die südliche Seidenstraße wird an Bedeutung gewinnen und bietet enormes Wachstumspotenzial. Bereits jetzt starten bei uns in Duisburg acht Züge pro Woche in Richtung China. Der neueste Zug verbindet NRW mit dem Pazifik und damit mit den Märkten in Nordost-China, Südkorea und Japan. In China werden mit dem Projekt ‘One Belt, one Road’ neue Handelsrouten entwickelt, z.B. nach Vorbild der antiken Seidenstraße. Diese Handelsroute trifft in Europa auf Duisburg, weil wir hier die führende europäische Logistikdrehscheibe geschaffen haben! Man kann sich leicht ausmalen, welches Potenzial in diesem Korridor steckt. Das gilt es offensiv zu heben und auszubauen.

All dies benötigt eine gute Anbindung an Straße und Schiene. Da läuft noch nicht alles rund...

Groschek: Es gibt Engpässe, ja. Aber wir bauen die Infrastruktur unseres Landes aus. Eben erst haben wir erreicht, dass ein Großteil der Bundesmittel für Projekte in NRW ausgegeben wird. Es geht hier endlich aufwärts. Erst gestern hab ich von einem großen Bauunternehmen gehört, dass sie ein Dutzend neue Bagger bestellt haben. Das ist ein Zeichen für Aufbruch. Wir wollen und bekommen bessere Verbindungen, damit wir die Nummer 1 in Industrie und Logistik bleiben.

Manche Anwohner sehen die Ausbaupläne kritisch.

Groschek: Wo sich viel bewegt, entsteht auch Lärm, das ist doch klar. Aber wir investieren enorm in den Lärmschutz; etwa entlang der Betuwe-Linie, einer wichtigen Schienengüterverkehrsstrecke zwischen NRW und den Niederlanden. In der Luftfahrt wird die Technik ständig weiterentwickelt, moderne Maschinen sind inzwischen deutlich leiser als noch vor einigen Jahren. Tatsächlich haben wir aber immer noch zu viel Güterverkehr auf der Autobahn. Wenn die Konzepte für Straße, Schiene und Wasserwege ineinandergreifen, haben wir viel gewonnen - auch für die Anwohnerinnen und Anwohner.

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Staake: Aktuell optimieren wir mit Siemens die Steuerung der Lkw-Verkehre im Hafen. Ein Ziel ist, dass Leerfahrten reduziert werden und Staus gar nicht erst entstehen. Dazu ist bereits eine App entwickelt worden, die im Test schon gut funktioniert. Nun denken wir darüber nach, wie wir das System ausweiten und mit anderen Verkehrsträgern, sprich mit Binnenschiff und Bahn, vernetzen können. Mir ist aber genauso wichtig, dass unserer Bevölkerung klar wird, welch große Wirtschaftskraft die Verknüpfung von Industrie und Logistik gerade hier in NRW hat. Allein vom Duisburger Hafen hängen inzwischen über 45.000 Arbeitsplätze in der Region ab, mehr als doppelt so viele wie noch Ende der 1990er Jahre.

Umweltschützer beklagen, dass auch Binnenschiffe Luft verpesten.

Staake: Unterm Strich ist die Binnenschifffahrt das umweltfreundlichste Transportmittel. Ein Containerschiff hat die Ladung von bis zu 300 Lastwagen an Bord. Das macht mehr als deutlich, dass der Transport auf dem Wasserweg viele Abgase einspart. Gleichwohl werden die Dieselmotoren der Schiffe nach und nach modernisiert; und bei uns im Hafen prüfen wir gerade den Bau einer LNG-Tankstelle, mit der dann klimaschonendes Flüssigerdgas getankt werden kann.