Duisburg. Versuchten Mord wirft die Staatsanwaltschaft einem 52-Jährigen vor. Im Herbst 2015 hatte er auf dem Tiergnadenhof eine Propangasflasche aufgedreht.
Vier Frauen und zwei Kinder, die am Morgen des 17. Oktober 2015 zum Tiergnadenhof am Bernhard-Röcken-Weg in Rheinhausen kamen, um die Tiere zu versorgen, haben Riesenglück gehabt. Sie bemerkten, dass in einem Aufenthaltsraum aus einer großen Propangasflasche Gas ausströmte, drehten den Hahn zu und verließen das Gebäude wieder. Ein Funke hätte es mitsamt denen, die sich darin aufhielten, in die Luft jagen können. Die Staatsanwaltschaft geht von Vorsatz aus. Als mutmaßlicher Täter muss sich seit Donnerstag ein 52-jähriger Rheinhauser vor dem Landgericht am König-Heinrich-Platz verantworten.
Die Anklage wirft dem Mann wegen Heimtücke versuchten Mord und versuchtes Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion vor. In der Nacht soll er die Flasche, in der sich 11 Kilogramm Propangas befanden, aufgedreht haben. Am Morgen waren davon neuneinhalb Kilo ausgeströmt. In dem Raum hatte sich ein hochexplosives Gemisch gebildet. Der Frühdienst auf dem Gnadenhof hätte mit einer solchen „Sprengfalle“, so die Wortwahl in der Anklageschrift, nicht rechnen können.
Angeklagter leidet unter geistiger Behinderung
Der Angeklagte schwieg am ersten Verhandlungstag zur Sache und zur Person. Gegenüber einem psychiatrischen Gutachter hatte er im Vorfeld Angaben gemacht, die durch die Vernehmung des Sachverständigen eingeführt wurden. Danach leidet der Angeklagte unter einer geistigen Behinderung, kann kaum lesen und rechnen. Zeitweise lebte er in einer Behindertenwerkstatt mit angeschlossenem Wohnheim, aus dem ihn seine Mutter Mitte der 90er-Jahre herausholte. Nach deren Tod 2003 lebte der Sozialhilfeempfänger in einer kleinen Wohnung in Rheinhausen. Soziale Kontakte hatte er nur wenig.
Offenbar hatte der Mann vor einigen Jahren für den Verein Tiergnadenhof und Jugendfarm, der an der Fähstraße und am Bernhard-Röcken-Weg in Rheinhausen zwei Niederlassungen betreibt, gearbeitet. Er habe noch gewusst, so der 52-Jährige zum Sachverständigen, wo ein Schlüssel versteckt war. Mit ihm habe er sich einige Male Zugang verschafft und aus einem Kühlschrank im Aufenthaltsraum Lebensmittel gestohlen. Auch in der Tatnacht sei er dort gewesen, will die Gasflasche aber nur aufgedreht haben, um zu sehen, ob etwas herauskam, und dann das Zudrehen vergessen haben.
Der Polizei hatte der Mann berichtet, er habe die Flasche aufgedreht, „um denen eins auswischen.“ Möglicher Grund: Kurz vor der Tat war auf dem Kühlschrank ein Schloss angebracht worden.
Für das Verfahren sind drei weitere Verhandlungstage geplant.