Duisburg. Über 15.000 Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien leben aktuell in Duisburg. Eine Studie zeigt, dass viele jung, arm und wenig ausgebildet sind.

Nach Marxloh ziehen besonders viele Zuwanderer, die aus Rumänien und Bulgarien nach Duisburg kommen. Im Vergleich zu Migranten aus diesen beiden EU-Staaten, die in andere bundesdeutsche Großstädte ziehen, sind die Menschen mit dem Ziel Marxloh ärmer, schlechter gebildet und ausgebildet und der Anteil der Kinder ist bei den rumänischen Staatsbürgern besonders hoch. Viel höher als in anderen Städten ist auch die Zahl derer, die Duisburg schon nach kurzer Zeit wieder verlassen. Das sind Ergebnisse einer Marxloh-Studie, die das stadtnahe „Nurec Institute“ nun vorgelegt hat.

Extrem hohe Fluktuation

„Nach Duisburg kommen jene, die auch in ihren Herkunftsländern schon besonders arm und benachteiligt waren“, sagt Dr. Stefan Böckler, der Autor der Studie. Stadtweit ist der Anteil dieser Zuwanderer an der Gesamtbevölkerung mit gut 2,2 kaum höher als in München (1,8%), wesentlich geringer als in Mannheim (3%) und Offenbach (5,5%). Spitze ist Duisburg allerdings in der Altersstruktur: Etwa 27 % der Südosteuropäer sind jünger als 15 Jahre alt, in München sind es unter 10 Prozent. Noch jünger ist die rumänische Community in Marxloh: Gut die Hälfte sind Kinder und Jugendliche.

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Die Zahlen: Ende Februar lebten 15323 Rumänen und Bulgaren in Duisburg, allein in Marxloh 4258 (2287 Bulgaren, 1969 Rumänen). Zusammen stellen sie rund 20 % der Bevölkerung im Ortsteil. Die meisten stammen aus wenigen Ortschaften in der Nähe von Bukarest und Plovdiv. „Es gibt ein Netzwerk. Bei unserem Besuch dort hat man uns Ansprechpartner in Marxloh genannt“, berichtet Böckler. Viele Bulgaren entstammten der türkischsprachigen Minderheit im Land. „Ein Vorteil, weil sie sich in Marxloh leichter orientieren können.“ Mit etwa der Hälfte sei der Anteil der Roma bei den Rumänen besonders hoch, sagt der Soziologe: „Das spielt aber keine besondere Rolle, weil es ihnen in ihrer Heimat nicht besser oder schlechter ging als den anderen Rumänen.“ Auch der Grund für besonders hoher Kinderzahl einiger Familien sei nicht in der Zugehörigkeit zur Volksgruppe zu suchen, sondern weil sie zu einer Pfingstkirche gehören, die Verhütung ablehnt.

Warum Marxloh? „Dort gibt es bezahlbaren Wohnraum“, hat der Autor in Interviews erfahren. Die Bemühungen um Arbeit bleiben aber oft erfolglos. Stadtweit liegt der Anteil der Südosteuropäer in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung unter 20 Prozent. Fast die Hälfte der Menschen sind in Regensburg in Arbeit, gut 35 % in Offenbar. „Hier müssen deshalb viele vom Kindergeld leben, in Städten mit Jobs ist Obdachlosigkeit oft ein Problem, weil Wohnraum fehlt“, erklärt Böckler.

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Der Beschäftigungsmangel ist eine Erklärung für die hohe Fluktuation unter den Zuwanderern: Sie ist in Marxloh mittlerweile von deutlich höheren Werten auf etwa 50 % gesunken. Dieser statistische Wert bedeutet: Bis zu einem Drittel der Menschen verlassen im Laufe eines Jahres Marxloh wieder, die gleiche Zahl kommt neu hinzu. „Daraus ergibt sich ein Sisyphos-Effekt für die Alteingesessenen und die Professionellen, die mit den Menschen zu tun haben“, sagt Böckler. Sie müssen immer aufs Neue das Gleiche erklären.“ Das gelte auch für die Schulen, die keine Kontinuität im Bemühen um Bildung erreichen.

Anzeichen für sinkende Zahlen von Zuwanderern gibt es nicht: Allein 500 Neubürger aus Rumänien und Bulgarien zählte das Einwohnermeldeamt im vergangenen Februar – ein Spitzenwert für die vergangen Jahre.

Kommentar: Eine Sisyphos-Arbeit 

In Marxloh vom Kindergeld als einzigem Einkommen zu leben, ist für Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien attraktiver als in der Heimat gar kein Einkommen zu haben. Doch mit der Migration verbinden sie durchaus die Hoffnung, eine bessere Zukunft für sich und ihre Kinder erarbeiten zu können. Wer jemals die trostlosen Herkunftsorte gesehen hat, versteht diese Haltung. Jeder von uns würde nicht anders handeln.

Fatal für den Ortsteil: Weil es zwar billigen Wohnraum, aber keine Arbeit gibt, verlassen viele nach kurzer Zeit den Ortsteil wieder, gefolgt von anderen, die ihr Glück versuchen. Ein Sisyphos-Gefühl stellt sich ein bei Alteingesessenen und Profis, die versuchen, Marxloh voran zu bringen. Bildung und Qualifizierung sind wichtig. Doch sie schaffen keine Arbeitsplätze – die erste Voraussetzung für Menschen, um Fuß zu fassen.