Duisburg. Detlev von Schmeling und Ehefrau Margot wollen viele der 40.000 Kilometer Binnenwasserstraßen in Europa erkunden – auf dem Segelschiff „Gerda“.
Im Binnenschifffahrtsmuseum in Ruhrort liegt eine Tjalk unter vollen Segeln. Das historische Segelschiff „Goede Verwachting“ ist von 1913. Ein Schwesterschiff hat jetzt neben der Oscar Huber in Ruhrort festgemacht, sie ist noch älter, von 1910, soll als fideler Senior aber noch einmal auf große Fahrt: „40.000 Kilometer Binnenwasserstraßen liegen in Europa vor uns“, schwärmt Detlev von Schmeling, der den Lastenkahn in Holland gekauft hat.
Die „Gerda“ schmiegt sich zwischen die Museumsschiffe am Ruhrorter Leinpfad, fast 20 Meter lang, 4,15 Meter breit, 50 Tonnen schwer, die Aufbauten sind aus dunklem, glänzendem Holz, auf der Ruderpinne sind traditionelle Schnitzereien zu sehen. Dem Schiff sieht man seine 105 Jahre nicht an, nur die Segel werfen Falten.
Auch innen kann man sich wohlfühlen, cremeweiße Wände, stabile Holzmöbel, die kleinen Bullaugen sind dunkelrot gerahmt. Gemächlich schwankt das Boot, sanft schaukeln die Lampen über dem großen Tisch, der nach Geselligkeit ruft. Wie die von Schmelings, die schon zünftig gefeiert haben zur Einweihung an Bord.
Detlev von Schmeling ist mit Wasser unter den Füßen groß geworden, das Segeln lernte er mit 13 Jahren auf dem Rhein bei Düsseldorf, seither sucht er die Herausforderung: Hochseeregatten in Grönland, eine zweijährige Weltreise über die Südhalbkugel – das hat er alles schon gemacht. Zum Teil allerdings ohne Ehefrau Margot. Das war für die Zukunft aber keine Option mehr.
Erst mal ein Sportpatent für den Rhein
Bei der Suche nach einem neuen Boot verliebte sie sich dann in den putzigen Kamin, er sich in die professionelle Werkstatt. „Das Schiff haben wir dann drumrum gekauft“, erzählt von Schmeling lachend. Ausgestattet ist es mit Trockner und Waschmaschine, zwei Schlafzimmern, einem gemütlichen Wohnzimmer. Aufrecht stehen können große Leute nur in der Dachluke, ansonsten herrscht unter Deck akute Kopfstoßgefahr.
Das gehört für von Schmeling dazu, optisch wäre es sonst kein Lastenkahn mehr. Der Rumpf ist genietet und über die Jahre mehrfach verstärkt worden, die Aufbauten sind aus Holz, von Schmeling träumt sich damit schon wieder auf die Route über die Ostsee Richtung Kopenhagen. Die Probefahrt auf dem Ijsselmeer hatte es allerdings in sich: „Bei sechs Knoten mit zwei Leuten so ein großes Schiff zu segeln, das ist schon anspruchsvoll“, gesteht von Schmeling. Andererseits hat so eine Fahrt aber auch entschleunigende Momente: „Mit dem flachen Boden können wir uns im Wattenmeer ja auch trockenfallen lassen, da steht die Zeit dann still“, schwärmt er.
Die erste Tour soll das Paar im Sommer Richtung Berlin führen, da wollen sie dann am Bundeskanzleramt vorbeischippern. Die Pariser Brücken locken, aber auch Polen.
Für die Fahrt über den Rhein nach Ruhrort musste der passionierte Seebär aber erst mal ein Sportpatent für den Rhein machen. Aber mangelnder Ehrgeiz ist sein Problem ohnehin nicht. Als pensionierter Verwaltungsassessor – einige Duisburger werden ihn als stellvertretenden Polizeipräsidenten in Erinnerung haben – ist er aktuell im Rahmen eines EU-Projektes in Mazedonien und schult Bedienstete im Kampf gegen Korruption.
Die Groninger Tjalk „Gerda“ ist übrigens ein „varend erfgoed“, also ein fahrendes Erbgut, in den Niederlanden registriert. Mit einem bewegten Leben und unter vielen Namen segelte sie: Als „Twee Gebroeders“ geboren, vor dem Zweiten Weltkrieg als „Nooit Gedacht“ unterwegs, bis 1950 verschütt, dann als Sandtransporter genutzt. Nach einem Intermezzo als Wohnschiff ging es als „De Waerdt van Catwijck“ als Charterschiff weiter, Schulklassen fuhren mit ihr über das Ijsselmeer.
Viel Hydraulik im Schiff verbaut
Ab 2002 fuhr sie als „Vertrouwen“ in Privatbesitz. Der Eigner, ein Ingenieur, verbaute im Schiff viel Hydraulik, um es auch für eine kleine Besatzung handlich zu machen, „rentnerfreundlich“ spottet Detlev von Schmeling.
Und warum heißt das Schiff jetzt „Gerda“? Namenspatin ist die „tolle“ Schwiegermutter, die ihr Leben nach Flucht und Vertreibung meisterlich gewuppt habe, sagt von Schmeling voller Respekt. Die Schiffstaufe habe sie ungeheuer stolz gemacht, „aber ablegen ist nicht ihr Ding“.