Duisburg. . In Duisburg leben 300 Kinder mit drogenabhängigen Eltern. Ein Programm des Suchthilfeverbundes soll ihre Lage stabilisieren und Spätfolgen vermeiden.

20 Jahre hatte die Klientin keine harten Drogen konsumiert, heiratete, bekam vier Kinder. Ob es der Tod einer Tochter war, der vor sieben Jahren zu einem Rückfall und dem folgenden Absturz führte? So genau weiß Suchtberaterin Martina Raguse das auch nicht. Dass die 47-Jährige das Heroin durch den Ersatzstoff Methadon ersetzte, verhinderte nicht, dass das Jugendamt den jüngsten Sohn, da noch ein Kleinkind, anderthalb Jahre in einer Pflegefamilie unterbrachte. „Der Junge hatte eine sehr enge Bindung zur Mutter, die Trennung war auch für ihn ein schlimme Erfahrung.“

Kein Einzelfall: „Wir haben jährlich rund 1700 Klienten, mit ihnen leben 300 Kinder unter 18 Jahren, davon sind 60 jünger als vier“, berichtet Mustafa Arslan, geschäftsführender Vorstand des Suchthilfeverbundes Duisburg. Ein Drittel der Kinder von Konsumenten harter Drogen, so zeigen Untersuchungen, entwickeln im Laufe ihre Lebens selbst eine Sucht, eine weiteres Drittel zeigt pychosoziale Auffälligkeiten, bei den übrigen zeigen sich keine Spätfolgen.

Kinder stärken

Auf Betroffenheit der Kinder von Suchtkranken habe sich der Blick gerichtet, als vor einigen Jahren Fälle von schwerer Vernachlässigung publik wurden, erinnert sich Mustafa Arslan. „Bis dahin standen sie selten im Mittelpunkt.“

Die Suchtberatung Wesel initiierte in der Folge das Programm „FitKids“. Es setzt auf eine dreijährige Schulung von Suchtberatern für den Umgang mit drogensüchtigen Eltern, zeigt Möglichkeiten auf, Kinder zu stärken, damit sie Abwehrmechanismen entwickeln können. „Oft müssen sie schon früh die Rolle der Eltern und Verantwortung für Geschwister übernehmen“, erläutert Arslan.

Unterstützung für nüchternes Leben

Seit zwei Jahren hat sich der Duisburger Suchthilfeverbund dem Weseler Modell angeschlossen, ist einer von insgesamt 18 Standorten von „FitKids“. Dank der Unterstützung der Sparkasse Duisburg – sie fördert die Arbeit der Suchthilfe schon seit 2009 mit 18 000 Euro pro Jahr – konnte Heike-Maria Bähr im vergangenen Oktober mit acht Wochenstunden tätig werden. „Uns liegen auch Jugendschutz und Prävention am Herzen. Wir wollen nicht nur schöne und positiv besetzte Themen fördern“, betont Sparkassen-Chef Joachim Bonn.

Die Geschichte der Klientin von Martina Raguse entwickelt sich übrigens positiv: Der Sohn konnte zu ihr und der Tochter zurückkehren, sie lebt derzeit ohne illegale Drogen und reduziert auch ihre Methadon-Dosis, berichtet die Beraterin. Auch die Familienhilfe des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) hilft, das Leben von Mutter und Kindern zu stabilisieren. Unternehmungen wie ein Theaterbesuch schaffen positive Erlebnisse. „Das ist ein schöner Erfolg“, sagt Martina Raguse. „Viele unserer Klienten haben nach Jahren des Drogenkonsums gar keine Idee mehr, wie ein nüchternes Leben überhaupt aussehen kann.“

Halt geben – Träume leben 

Heike-Maria Bähr hat das Projekt „Halt geben – Träume leben“ beim Suchthilfeverbund für betroffene Kinder aufgelegt. An den Standorten Kaiser-Wilhelm-Straße 304 (Marxloh, dienstags 10 -12 Uhr) und Beekstraße 45 (Altstadt, freitags 10-12 Uhr) bietet sie eine Elternberatung an, lädt zu Teamsitzungen ein und baut Gruppen für die Kinder und Jugendlichen auf.

Vereine und Sport sind wichtig

„Es geht darum, Vertrauen aufzubauen, positive Erlebnisse zu vermitteln“, erklärt die Pädagogin. Um Fragen wie „Was fehlt euch? Was braucht ihr?“ geht es in Gesprächen, in Theatergruppen entwickelt sich Selbstbewusstsein, Ausflüge, etwa in den Kletterpark, machen nicht nur Spaß, sondern schaffen bei den Kindern und Jugendlichen auch gegenseitiges Vertrauen.

Ein Ziel sei auch die Bildung von Netzwerken, auf die die Kinder und Jugendlichen außerhalb ihrer Familie zurückgreifen können, erklärt Bähr. „Vereine und Sport spielen dabei eine wichtige Rolle.“

Um eine Vertrauensbasis gehe es auch bei den Elterngesprächen. „Ich unterliege der Schweigepflicht“, betont die Pädagogin ihre unabhängige Rolle. Die erleichtere ihr den Zugang zu den Familien, sagt Heike-Maria Bähr. „Mittlerweile mache ich schon Hausbesuche, manchmal lassen Betroffene auch ambulante Hilfe zu.“

Schwerpunkte der Beratung: Alkohol, Drogen, Spielsucht 

Im Suchthilfeverbund Duisburg, gegründet 2010, sind Stadt, Caritas, Diakonie und die Alexianer zusammengeschlossen. Schwerpunkte der Diakonie ist die Drogenberatung, die Caritas (Nikolausburg) betreut Alkohol-Abhängige, Spielsüchtige die Alexianer (Rheinhausen). Geschäftsführer Mustafa Arslan bedauert die im Städtevergleich schlechte Personalausstattung. Es gibt 16,5 Stellen in der Drogenberatung für 1700 Klienten, nur 1,5 Planstellen für die Präventionsarbeit in Schulen.

Auf einen Termin müssen Betroffene deshalb bis zu drei Monate warten. 6000 Menschen konsumieren nach Schätzungen in Duisburg harte Drogen.