Duisburg. Die drei Restitutionsfälle im Lehmbruck-Museum nähern sich drei unterschiedlichen Lösungen: Beim „Buchsbaumgarten“ soll jetzt die Limbach-Kommission entscheiden.
Wie strittig und sensibel der Umgang mit Raubkunst ist, zeigt sich derzeit in Duisburg. Das Lehmbruck-Museum sieht sich bekanntlich mit drei Restitutionsfällen konfrontiert. Bei dem Bild „Frauen im Blumengarten“ von Emil Nolde sieht die unabhängige Gutachterin den Anspruch der Erben des jüdischen Sammlers Müller als berechtigt an. Die Historikerin wurde mit Fördermitteln des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste beauftragt.
Das Stiftungskuratorium des Museums beugt sich der Expertise, das für eine Million Euro versicherte Bild soll restituiert werden. Zeitgleich hatte eine andere Gutachterin ebenfalls ein halbes Jahr lang die Provenienz des Bildes „Frauen am Meer“ von Erich Heckel erforscht. Das Ergebnis zeigt, dass nicht jede Rückgabeforderung von Erben berechtigt sein muss: Die Gutachterin kommt zu dem Schluss, dass der Verkauf des Bildes „Frauen am Meer“ nicht in erster Linie NS-verfolgungsbedingt erfolgte.
Heckel-Gemälde soll Marktwert von zwei Millionen Euro haben
Heckels Gemälde, das ebenfalls zu den Meisterwerken des Expressionismus gehört, soll nach Angaben der Erben-Anwälte einen Marktwert von rund zwei Millionen Euro haben und stammt aus der Sammlung Alfred Hess. Der jüdische Schuhfabrikant starb 1931, übergab die Sammlung an seinen Sohn Hans Hess, der nach der Machtergreifung der Nazis 1933 nach London emigrierte, 1939 folgte ihm seine Mutter Tekla Hess. Einige Kunstwerke konnte sie mitnehmen, die anderen wurden zwischen Museen, Galerien und Kunsthändlern hin und her geschickt, viele später verkauft.
Das Bild „Frauen am Meer“ hatte die Stadt Duisburg 1952 für 5000 Mark von einem Kunsthändler gekauft. Seit 2004 fordern es die Erben zurück. Die Anwälte halten die Verlustumstände für „zweifelsfrei“ geklärt und drängten seit Jahren auf eine Provenienzforschung, die schließlich im Januar begann.
Nach Rückgabe für Heckler-Bild für fast 30 Millionen Euro versteigert
Schon im Vorfeld war klar, dass es zur Sammlung Hess bei Experten kein eindeutiges Meinungsbild gibt. So hatte ein Kunsthistoriker zu einem anderen Bild aus der Sammlung erklärt, dass er die von den Anwälten beschriebenen Verlustumstände für „übertrieben“ hält. Auf der anderen Seite wurde schon ein Bild aus der Sammlung restituiert: 2006 gab das Land Berlin Kirchners „Berliner Straßenszene“ an die Erben zurück, wenige Monate später wurde es in New York für fast 30 Millionen Euro an ein Privatmuseum versteigert.
Trotz der unabhängigen Expertise ist der Duisburger Fall noch nicht erledigt. Die Anwälte haben eine Stellungnahme angekündigt, wie Museums-Direktorin Söke Dinkla bestätigte.
16 Jahre Streit um „Buchsbaumgarten“ - Limbach-Kommission soll entscheiden
Beim dritten Restitutionsfall gehen die Standpunkte noch weiter auseinander. Seit 16 Jahren schwelt der Konflikt um Noldes „Buchsbaumgarten“. Die Herkunft des Bildes ist aus Sicht des Deutschen Zentrums Kulturgut hinreichend geklärt, zumindest lehnt die Stiftung weitere Fördermittel für Nachforschungen ab.
Die Interpretation der Erkenntnisse lässt allerdings so viel Spielraum, dass sich Museum und Erben nicht einig werden. Das Lehmbruck hat jetzt die sogenannte Limbach-Kommission angerufen. Sie spricht bei Differenzen in Restitutionsfällen Empfehlungen aus und ist im Volksmund nach ihrer Vorsitzenden, der früheren Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts benannt. Allerdings wird sie nur auf Wunsch beider Seiten tätig. „Wir warten derzeit auf die Zustimmung der Erbenvertreter“, sagt Museumsdirektorin Dinkla.
Die Kommission hat seit ihrer Gründung 2003 erst in rund einem Dutzend Fälle entschieden, nicht immer zugunsten der Erben. Auch nicht in ihrer letzten Entscheidung am Montag, in der sie statt der Restitution eines Gemäldes der Stadt Düsseldorf an die Erben eine „faire und gerechte Lösung vielmehr in einem Ausgleich der Interessen beider Parteien“ erkannte und eine Zahlung an die Erben von 200.000 Euro empfahl.
Den halben Erlös fürs Museum
Das Kuration des Lehmbruck-Museums hat vorsorglich schon einmal „Vorschläge“ beschlossen, die die Kommission berücksichtigen solle, falls sie eine Rückgabe des „Buchsbaumgarten“ empfiehlt: Demnach soll das Museum entschädigt werden, und zwar „für den Aufwand für die fachgerechte Aufbewahrung und Pflege in den letzten Jahrzehnten“. Auch einen späteren Verkauf des Bildes durch die Erben hat man im Blick: Für diesen Fall wolle das Museum „am Veräußerungserlös des Gemäldes zu 50 Prozent“ beteiligt werden.
Museumsdirektorin Dinkla: „Eine Restitution ist keine simple Rückgabe“
Unter der neuen Leitung ist ein Paradigmen-Wechsel erfolgt: Das Lehmbruck-Museum stellt sich der Raubkunst-Debatte, Verhandlungen und Nachforschungen werden nicht länger abgeblockt. Die Restitution von Noldes „Blumengarten“ ist der beste Beweis, das Kuratorium hat der Museumsdirektorin Söke Dinkla gleichzeitig aber auch den Auftrag geben, jetzt mit den Erben und ihren Anwälten eine „faire und gerechte Lösung“ zu verhandeln. Was dem Museum vorschwebt: Das Bild soll zwar eigentumsrechtlich an die Erben übergehen, faktisch aber als Dauerleihgabe im Museum verbleiben.
Damit stellt sich die Frage: Wenn man schon den Anspruch der Erben anerkennt, wieso gibt man nicht einfach das Bild zurück? „Eine Restitution ist keine simple Rückgabe“, sagt Direktorin Söke Dinkla. „Es geht darum, einen sinnvollen Interessensausgleich zu finden. Das ist ja beispielsweise auch das Ziel der Limbach-Kommission.“
Die Direktorin sagt ganz klar, dass sie keine Werke im Museum haben möchte, die im unrechtmäßigen Besitz sind. Deshalb sei man ja auch daran interessiert, diese Fragen unabhängig zu prüfen und gerecht zu klären. „Wir haben die Werke bewahrt, gepflegt, ausgestellt und gemäß des öffentlichen Auftrags zur kulturellen Bildung zur Verfügung gestellt. Und in gewisser Weise soll auch das gewertschätzt werden“, erklärt Dinkla. Es gehe auch um die Frage, was passiert wäre, wenn das Bild nicht ins Museum gelangt wäre.
„Es ist ein Segen für uns, natürlich, aber auch für das Bild, das hier in guter Obhut ist“. Und es gehe bei den Verhandlungen eben nicht darum, am Ende noch irgendwie Kapital aus dem Fall zu schlagen, sondern vielmehr um den sensiblen Umgang mit der Verantwortung für den öffentlichen Kunstbesitz des Museums, sagt Dinkla. Schließlich gebe es keine rechtliche Verpflichtung zur Rückgabe und auch keinen rechtlichen Rahmen für die Klärung solcher Fragen. Das Museum wolle sich aber zweifelsfrei an die „Washingtoner Erklärung“ halten und daher einen „sinnvollen Interessensausgleich“ finden.