Essen. Wie finanziert sich der IS? Helfer beschaffen auch in Deutschland Geld – mit Kleinkriminalität und dem Verkauf von Raubkunst aus geplünderten Stätten.

Die Terrororganisation IS lockt junge Islamisten aus Deutschland gerne mit passenden Angeboten: mit teuren Autos, mit einer starken männlichen Kampfgemeinschaft, mit der Aussicht auf gleich mehrere Ehefrauen oder allgemein mit Abenteuern. Sie müssen im Gegenzug bereit sein, „Ungläubigen“ den Hals durchzuschneiden und selbst ihr Leben zu opfern. Zwischen 400 und 700 sind dem Angebot gefolgt. 100 etwa sind in Syrien oder im Irak umgekommen.

Nicht wenige aber gehen schon vor der Abreise zum IS in Deutschland in Vorleistung. Sie haben nicht nur – wie der NRW-Verfassungsschutz glaubt – mehrere hunderttausend Euro Spenden eingesammelt. Sie besorgen sich auch auf kriminelle Art und Weise Geld für den terroristischen Kampf in den zerfallenden Staaten des Nahen Ostens. Seit zwei Jahren klagen Bundesanwaltschaft und Staatsanwaltschaften solche Delikte an. Die Methoden der Täter sind manchmal die der Mafia, dann auch wieder von Kleinkriminellen.

Angeklagte schlugen in Kirchen im Siegerland zu

Ein umfangreicherer Fall wird bald in Köln verhandelt. 435 Seiten stark ist die Anklageschrift der Fahnder. Sie richtet sich gegen acht junge Männer. Sie sind zwischen 21 und 36 Jahre alt, wurden im letzten November in einer bundesweiten Razzia nach gezielten Abhör-Maßnahmen festgenommen. Der Vorwurf: „Schwere staatsgefährdende Gewalttaten“ und Bandendiebstahl. Die Beute: alles in allem 10.000 Euro. Das Geld sollte an den „Islamischen Staat“ fließen, aber auch die eigene Ausreise in die Kriegsgebiete finanzieren.

Spektakulär sind die Tatorte: Fünf Kirchen im Siegerland, die sie ausrauben wollten. „Mushrik“ nennen sie die christlichen Stätten. Dreimal gelang der Bande laut Ermittlern der Coup, zwei Mal nicht. So plünderten sie 2013 in Dreis-Tiefenbach bei Siegen den Opferstock des katholischen Gotteshauses. Den zur Augustin-Gemeinde gehörenden Tresor konnten sie nicht knacken.

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Die Reichweite der Raubzüge war breit gesteckt. Die Gruppe, deren Einsatzbasis den Ermittlungen zufolge in einem Haus im Belgischen Viertel von Köln gelegen hat, beschaffte sich danach Geld aus Schulkassen, brach erfolgreich in einen Afro-Shop ein, wollte einen Netto-Markt knacken (was scheiterte) und betrog offenbar die Sozialkassen mit vorgetäuschten Hartz-IV-Ansprüchen. Man handelte mit gestohlenen bulgarischen Pässen und geklauten EC-Karten.

Woher stammen die Mittel für die oft nicht ganz billigen Flugtickets der Kampf-Reisenden? Wie bezahlen die IS-Anhänger teures Militärgut in Deutschland?

Stuttgarter sollen 130.000 Euro zu Kriegskasse beigesteuert haben

Nicht nur in Köln müssen die Gerichte solchen Fragen nachgehen. Vor dem Stuttgarter Staatsschutzsenat klagt die Bundesanwaltschaft jetzt fünf Männer an, die zugunsten der islamistischen „Ahrar al Sham“ für 130 000 Euro kriegswichtige Güter besorgt und über die Türkei nach Syrien geliefert haben sollen: 7500 Stiefel, 6000 Militärparkas, auch Militärhemden. Insgesamt genug, um eine kleine Armee mit Feldausrüstung auszustatten. Zwei der Beschuldigten, Kassem El R. und Ali F., sollen zuvor schon militärisch nutzbare Funkscanner beschafft haben.

Sicher ist: Der „Islamische Staat“ verfügt über viel Geld aus vielen Quellen. Die Bundesregierung schätzt seinen Kapitalstock auf ein bis zwei Milliarden US-Dollar. Das Geld kommt nicht nur von Sponsoren, sondern stammt zumeist aus dem Öl-Schmuggel mit geschätzten Tageseinnahmen von 200 000 Dollar, aus Geiselnahmen, einer Steuer von bis zu 15 Prozent für alle, die auf seinem eroberten Territorium wohnen und Schutzgeld-Erpressungen unter anderem von Christen. Ihnen wird mit dem Tod gedroht, wenn sie nicht zahlen.

Mehrere hundert Millionen Dollar fielen dem IS bei der Plünderung der Nationalbank von Mossul in die Hände. Die Beschaffungen weisen oft typische Mafia-Methoden auf. IS-Splittergruppen kassieren auch als Schleuser, die Flüchtlinge übers Mittelmeer nach Europa bringen.

Verscherbelt der IS uralte Kulturgüter auf deutschem Kunstmarkt?

Eine der spannenden Fragen ist: Verscherbeln die Islamisten im Kampfgebiet geplünderte uralte Kulturgüter auf dem europäischen – und deutschen – Kunstmarkt?

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Im Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz arbeitet der Kriminalarchäologe Michael Müller-Karpe. Er ist überzeugt: Mit dem Auftauchen des Islamischen Staates auf der weltpolitischen Bühne ist „eine neue Stufe der Gefährdung unseres archäologischen Erbes“ erreicht. Geraubte Kulturgüter, „Millionen Objekte“, füllten die Kriegskasse des Terrors. Gedealt werde damit auch in Deutschland mit Schwerpunkten in München, Frankfurt und Köln – wie schon in Hamburg vor 2001, als der 9/11-Attentäter Mohammed Atta mit Antiken geschachert habe, um die Anschläge in New York und Washington zu finanzieren..

IS nimmt Grabräubern 20 Prozent Steuern ab

Noch widersprechen sich viele Informationen. Deutschland müsse aufpassen, dass es nicht zum „Hauptumschlagplatz für den illegalen Handel mit Kulturgütern“ werde, warnt die Kulturstaatsministerin im Kanzleramt, Monika Grütters. Andererseits versichert das Bundeskriminalamt (BKA): Wir haben keine Kenntnis von einem durch den IS gesteuerten Verkauf solcher Artefakte in Deutschland.

Was stimmt? Was ist pure Spekulation? Die Bundesregierung glaubt: „Raubgrabungen sowie der Verkauf geplünderter archäologischer und antiker Fundstücke tragen zu den Einnahmen des Islamischen Staates bei. Es ist zu vermuten, dass neben Golfstaaten und Nordamerika auch europäische Märkte bedient werden. Die Einnahmen dürften Schätzungen zufolge im Bereich von Millionen US-Dollar liegen“. Zudem ist bekannt, dass die IS-Führung Grabräubern freie Hand lässt, sich das ungehinderte Beutemachen aber mit einer 20-prozentigen Steuer auf die Erlöse bezahlen lässt.

LKA von illegalem Handel in Deutschland überzeugt

Einer, der mehr über die Spuren nach Deutschland weiß, ist Hauptkommissar Eckhard Laufer. Er ist in Hessens Landeskriminalamt für den Kulturgüterschutz zuständig. Er ist überzeugt, dass es diesen illegalen Handel gibt. Aber deutschen Ermittlungsbehörden fehle oft das „Bewusstsein“ dafür. „Flächendeckend“ herrsche Unkenntnis. Er habe vielleicht zehn einschlägige Anzeigen im Jahr auf dem Tisch. Es gebe wenige Tatverdächtige, aber durchaus Verdachtsmomente. Es fehlten: Beweise. Die Beweislast liegt beim Staat, nicht beim Handel. Und für den Staat, sagt Lauber, sei das Problem die Spurenverwischung: „Kein Terrorist taucht hier selbst auf und verkauft das Raubgut“.