Duisburg. Ein Mitarbeiter des Rechnungsprüfungsamts verweigerte die Zustimmung für den Gesamtabschluss. Dann wurde er versetzt und sein Spind aufgebrochen. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft
Ein aufgebrochener Schrank und eine strittige Bilanzrechnung sorgen dafür, dass der Oberbürgermeister in diesem Jahr als Gesamtverantwortlicher für die Geschäftstätigkeit der Stadt nicht mehr entlastet wird. Die Gemeindeordnung sieht vor, dass der Rat bis Jahresende den geprüften Jahresabschluss des Vorjahres feststellt und über die Entlastung des OB entscheidet. Das wird in Duisburg zum zweiten Mal in Folge nicht der Fall sein.
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Nach Recherchen der Redaktion hat ein Mitarbeiter des Rechnungsprüfungsamtes wegen Unregelmäßigkeiten Bedenken gegen die Bilanzierung geäußert, die notwendige einstimmige Entscheidung im Team der Prüfer blieb aus. Der Mitarbeiter soll dann in eine andere Dienststelle abgeordnet worden sein und sich seitdem krank gemeldet haben. Im Rechnungsprüfungsamt soll dann sein Schrank aufgebrochen worden sein.
Das Amt untersteht nicht dem OB, sondern dem Rat
Dem Vorfall geht inzwischen auch die Duisburger Staatsanwaltschaft nach, die nach eigenen Angaben durch einen Bekannten des Mitarbeiters von dem Schrankaufbruch erfahren hat. „Nach den bisherigen Erkenntnissen steht im Raum, dass dies aus dienstlichen Gründen erforderlich gewesen sei. Es sollten sich in dem Schrank dienstliche Unterlagen befunden haben. Unklar ist bisher, ob Eigentum des Mitarbeiters abhanden gekommen ist“, sagt Detlef Nowotsch, Sprecher der Staatsanwaltschaft.
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Der Fall ist schon deshalb sensibel, weil das Rechnungsprüfungsamt anders als die restliche Verwaltung fachlich nicht dem OB, sondern unmittelbar dem Rat unterstellt ist. Die Prüfer werden vom Rat bestellt und abberufen. Deshalb stellt sich auch die Frage, wer den Mitarbeiter in ein anderes Amt abbeordert hat und warum der Rat nicht beteiligt war. Und wer hat den Schrankaufbruch aus welchem Grund autorisiert? Die Stadt will sich dazu nicht äußern: „Wir bitten um Verständnis, dass wir zu personalrechtlichen Belangen zum Schutz des Mitarbeiters keine Stellungnahme abgeben werden“, teilt eine Sprecherin mit. „Wir möchten nur nachdrücklich anmerken, dass alle Schritte begründet sowie rechts- und regelkonform erfolgten.“
Aber auch die angeblich nicht rechtskonforme Bilanzierung im Gesamtabschluss beschäftigt inzwischen die Staatsanwaltschaft. Nach derzeitiger Erkenntnislage lägen zwar „keine Anhaltspunkte“ dafür vor, dass dieser Vorwurf die Ursache für den Aufbruch des Schrankes gewesen sei, erklärt Oberstaatsanwalt Nowotsch: Allerdings seien „kürzlich weitere Unterlagen zu den Akten gelangt“. Diese hätten den Vorwurf zum Gegenstand, dass es „Unregelmäßigkeiten im städtischen Rechnungswesen“ gäbe. „Damit ist nunmehr auch diesem Vorwurf nachzugehen“, so Nowotsch.
„Keine einheitliche Auffassung“
Nach Recherchen der Redaktion soll sich die Bilanz-Problematik in erster Linie um die Abschreibungen bei den städtischen Tochtergesellschaften drehen. Nach Einschätzung eines Beteiligten könnten die Vorwürfe, sollten sie zutreffen, „gravierende Folgen“ haben, auch für den städtischen Haushalt.
Bereits für den Jahresabschluss 2013 hatten die Rechnungsprüfer festgestellt, dass eine Änderung des NKF-Gesetzes (siehe unten) nicht durchgehend beachtet wurde. Der Gesamtabschluss musste neu aufgestellt und vom Rat im Juni 2015 erneut beschlossen werden.
Nach Angaben der Stadt hätten lediglich Bilanzpositionen anders kategorisiert werden müssen. Der Unterschied von 15 Millionen Euro (siehe unten) würde in Relation zur Gesamtbilanzsumme von rund 7,8 Milliarden Euro nur 0,2 Prozent ausmachen, teilt die Stadt auf Anfrage mit.
Zwischenzeitlich erfolgte Abschreibungen würden im Einklang mit den gesetzlichen Regelungen festgestellt und in Einzelfällen durch externe Wirtschaftsprüfer bestätigt, erklärte die Stadt-Sprecherin: „Es gibt für uns ausdrücklich keinerlei Anhaltspunkt für eine Fehlbewertung.“ Ein Mitarbeiter des Prüfteams sei anderer Auffassung gewesen. „Trotz aller Bemühungen“ hätte im fünfköpfigen Prüfteam „keine einheitliche Auffassung“ herbeigeführt werden können. „Für die Einlassungen des Mitarbeiters konnten auch nach mehrfachen Prüfungen durch Vorgesetzte und externe Prüfer keine Bestätigungen gefunden werden“, so die Sprecherin.
Jetzt habe man die überörtliche Gemeindeprüfungsanstalt „um eine Bewertung des Vorgangs“ gebeten.
Hintergrund: Stadt machte Neuberechnung 96,6 Mio Euro Verlust
Die Stadt muss jedes Jahr einen „Gesamtabschluss“ vorlegen, in den auch die Bilanzen der Tochtergesellschaften einfließen. Die Aufstellung erfolgt auf Basis des Neuen Kommunalen Finanzmanagements (NKF), mit dem 2009 die Haushaltsrechnung der NRW-Kommunen reformiert wurden. Es gilt entsprechend auch für die Tochtergesellschaften.
Der Gesamtabschluss 2013 sah zunächst einen Verlust von 81,5 Mio Euro vor. Der Abschluss musste neu aufgestellt werden, weil eine NKF-Änderung nicht berücksichtigt war. Der Verlust kletterte in der Folge um 15 Mio Euro auf 96,6 Mio Euro.
Die Prüfung des Gesamtabschlusses hätte in dieser Woche Thema im Rechnungsprüfungsausschuss sein müssen. Sie stand allerdings nicht auf der Tagesordnung, für die der Ausschuss-Vorsitzende Frank Heidenreich verantwortlich ist. „In Absprache mit der Stadt habe ich entschieden, diesen Punkt noch nicht auf die Tagesordnung zu setzen“, erklärte Heidenreich auf Nachfrage und wollte sich zu weiteren Fragen derzeit nicht äußern.