Duisburg. . Eine Pilotanlage zusammen mit Berliner Universität und Anlagenbauer entwickelt. Aus Koksofengas entstand in Testphase ein Stoff mit Marktchancen.
Eine Kokerei kann Koks. Dafür wurde sie schließlich gebaut. Aber sie kann auch Kekse. Das haben Thyssen-Krupp und Technische Universität Berlin jetzt mit einer Pilotanlage am Schwelgernhafen erfolgreich erprobt. Wobei allerdings nicht der Wunsch nach wohlschmeckendem Weihnachtsgebäck im Vordergrund stand, sondern wirtschaftliche Erwägungen.
Koks für die Hochöfen und Gas für Kraftwerke sind nämlich nicht alles, was bei der Verkokung von Kohle anfällt. Teer ist nach wie vor ein begehrter Grundstoff für andere Industrien und auch im Gas finden sich vielerlei Stoffe, die durchaus nützlich sein können. Daher verfügen Kokereien über Kohlewertstoffanlagen von erheblicher Ausdehnung, so auch am Schwelgernhafen. Dort fallen unter anderem Schwefelwasserstoff und Ammoniak an, immerhin eine Tonne beziehungsweise 800 Kilo pro Stunde.
Weitere Testphase nach dem Winter
All das ist gängige Praxis. Aber weltweit erstmals erprobt wurden nun ein Verfahren, das gemeinsam entwickelt wurde von der Kokerei Schwelgern, dem Anlagenbauer Thyssen-Krupp Industrial Solutions und der Technischen Universität Berlin. In einer Pilotanlage wurde den ganzen Sommer lang testweise aus sowieso anfallenden Prozessgasen eine Substanz namens Ammoniumbicarbonat produziert, die tatsächlich auch als Backpulver einsetzbar ist, bei Hausfrauen und -männern auch bekannt als Hirschhornsalz.
Nach dem Winter soll es eine weitere Testphase geben, um die Reinheit des Produktes noch weiter zu steigern, erklärte Kokerei Geschäftsführer Peter Liszio. Außer zum Backen lasse es sich überall anwenden, wo zum Beispiel Kunststoffe aufgeschäumt werden sollen, etwa bei Schwämmen oder Montageschäumen. Und: Der CO2-Ausstoß wird vermindert.
Dauerhafte Anlage ist möglich
Laufen die Tests weiter erfolgreich, wäre dies ein echter Durchbruch in Sachen Produktivität und Ressourceneffizienz – auch für die Kokerei Schwelgern: „Schon jetzt werden hier in Duisburg nahezu alle anfallenden Prozessgase möglichst effizient verwertet“, sagt Liszio. „Gelingt es uns jetzt noch langfristig, sowohl aus den Koksofengasen am Markt absetzbare Produkte für andere Industriezweige herzustellen und zugleich den CO2-Ausstoß des Hüttenwerks zu senken, wäre das ein echter Mehrwert, der auch der Umwelt zugutekommt.“
Ob der Pilotanlage eine dauerhafte Anlage folgt, wird bei Thyssen-Krupp geprüft. Wenn sich das neue Verfahren als lohnend herausstellt, könnte gebaut werden. In der Nähe der Kokerei wäre Platz. Auf dem Werksgelände ist zudem ein Technikum geplant, das der Nutzung von CO2 für die Produktion chemischer Grundstoffe gewidmet ist.