Duisburg. . Bei der Besichtigung des Duisburger HKM-Areals im Rahmen der Aktion „WAZ öffnet Pforten“ hinterließ der Gang durchs Stahlwerk bei 36 Lesern Eindruck.

Es ist dieser einzigartige Moment, wenn dich die Wand aus glühender Hitze trifft. Sie kommt unvermittelt, fühlt sich an wie ein Schlag vor die Brust mit einem heißen Hammer. Unter unseren Füßen wird frisch gekochter, flüssiger Stahl aus einer Pfanne in einen Torpedowagen geschüttet. Keine zehn Meter Luftlinie entfernt bestaunen die 36 WAZ-Leser, die sich vom Gitterrundweg für Besucher aus alles ansehen dürfen, das orange-weiß-glühende Spektakel.

Diese Ur-Kraft zu spüren, die das Herz der Hütte pochen lässt, war für fast alle eine neue körperliche Erfahrung. Diesen Rundgang durch die Hüttenwerke Krupp-Mannesmann (HKM) in Hüttenheim werden die beeindruckten Besucher sicherlich nicht so schnell vergessen.

„Diesen Kräften, die hier wirken, einmal so nah zu sein, ist wirklich ein Erlebnis“, sagt Paula Pinheiro aus Wedau, die mit ihrem Lebensgefährten Dirk Verhoeven bei dieser Tour im Rahmen der Reihe „WAZ öffnet Pforten“ mitmacht. Sie zieht ihren Schutzhelm tiefer ins Gesicht und rückt ihre Plastik-Schutzbrille zurecht, als sie nochmals in Richtung des riesigen Konverters blickt. Dort wird aus rund 230 Tonnen Roheisen, 70 Tonnen Schrott und 10 Tonnen Kalk unter Zugabe von Sauerstoff in 20 Minuten bei Temperaturen von über 2000 Grad Stahl gekocht. 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr.

Kaum Mitarbeiter sind unterwegs zu sehen

Mitarbeiter sind bei diesem Produktionsprozess nur einige wenige zu erblicken: Die meisten sitzen hinter Computerbildschirmen und bedienen modernste Steuerungstechnik. Diese Verschiebung – vom Mensch zur Maschine – ist auch Dirk Verhoeven aufgefallen: „Die Technik hat hier offensichtlich das Zepter übernommen.“

Das erläutern auch Willi Amelunxen (66) und der zwei Jahre ältere Rainer Bongart. Beide haben addiert 95 HKM-Arbeitsjahre auf dem Buckel, beide sind im Ruhestand, beide sind „ihrem“ Hüttenwerk aber treu geblieben und gehören zum insgesamt siebenköpfigen Team der Rundgangsführer.

Zwei leistungsstarke Hochöfen

Sie begrüßen die WAZ-Leser im Besucherzentrum, zeigen zur Einstimmung einen Film zur Historie des 1909 gegründeten Unternehmens, und verblüffen mit Fakten und Zahlen. Etwa, das pro Jahr 5,2 Mio Tonnen Rohstahl im Werk gekocht werde, das sind zwölf Prozent der gesamten deutschen Produktion. Oder, dass es heute nur zwei statt früher sechs Hochöfen gibt, diese aber viel leistungsfähiger als die Vorgänger sind.

Diese verbesserte Produktivität und Effizienz schlug sich aber auch auf die Mitarbeiterzahl nieder. „Als ich hier 1967 anfing, arbeiteten hier noch 12.400 Menschen, heute sind es rund 4000, wenn man die 1000 Kollegen der Partnerfirmen hinzurechnet“, so Amelunxen.

Erster Tour-Halt: der Hafen von HKM

Genug erzählt. Das Werk ruft. Vor dem Gucken kommt aber stets das Einkleiden. Jacke, Schutzbrille, Helm – ohne diese Grundausrüstung für Besucher besteigt keiner der Gäste den Bus, der uns über das 2,4 Quadratkilometer große Gelände kutschiert. Erster Halt: das Hafenbecken. Hier legen täglich Schiffe an, die Kohle und Erze aus dem Rotterdamer Hafen herbringen. Es sind „Grundnahrungsmittel“ für die Stahlerzeugung.

„Wir stellen hier Brammen und Rundstäbe in 1800 verschiedenen Güten her“, erzählt Amelunxen. „Wir können auf dem internationalen Markt nur mit unserer herausragenden Qualität bestehen.“ Weiter geht’s zur Kokerei. An der im Vorjahr in Betrieb genommenen, 430 Mio Euro teuren Batterie erzählt Amelunxen, dass hier der so dringend benötigte Koks erzeugt wird – 2,3 Mio Tonnen sind es jährlich in zwei Batterien.

Alte Erinnerungen werden wach

Wir passieren riesige Haufen aus Hüttensand. „Das ist granulierte Hochofenschlacke“, erklärt Amelunxen und fügt hinzu: „Der sieht zwar aus wie eine Düne auf Sylt, ist aber so scharfkantig, sie würden sich blutige Füße holen, wenn sie darüber liefen.“ Im Stahlwerk wartet der imposanteste Teil der Tour. Leser Wilfried van Bühren (76) aus Wanheimerort ist sichtlich ergriffen. Fast seine gesamte Familie hat früher selbst in Stahlwerken malocht. „Da kommen sofort wieder die alten Erinnerungen hoch.“