Duisburg. . Dr. Hilal Yahya und Dr. Deniz Özcan sind Transplantationsbeauftragte am Ev. Klinikum Niederrhein. Das Fahrner Haus ist führend bei der Zahl der Spenderorgane.

Mit dem eigenen Herz, der Leber den Nieren das Leben anderer retten – viel zu wenige setzen sich zu Lebzeiten mit diesem Gedanken auseinander. Weil Organe dringend gebraucht werden für Schwerkranke, verschicken Krankenkassen nun Spenderausweise. Eine Schlüsselrolle haben die Krankenhäuser. Mit Abstand führend bei der Zahl der Organspender unter den Kliniken in NRW ist das Evangelische Klinikum Niederrhein (EKN). Wir sprachen mit den beiden Transplantationsbeauftragten der Fahrner Klinik, dem Neurochirurgen Dr. Hilal Öczan und dem Anästhesisten Dr. Deniz Özcan.

„Es ist schon Luxus, dass wir zu zweit sind“, sagt Yahya, der die Aufgabe vor elf Jahren übernahm, Özcan kam vor zwei Jahren hinzu. „Mögliche Organspender unter den Patienten identifzieren“, lautet der Auftrag für eine Mission zwischen Leben und Tod. „Wir beraten die Angehörigen, wenn es gilt, den Wunsch des Verstorbenen und Sterbenden zu ermitteln“, erklären die Ärzte.

40 bis 60 Fälle mit Hirntod-Diagnose pro Jahr

Ein Gespräch mit Angehörigen über eine mögliche Organspende beginnt nach der Feststellung des Hirntodes – der endgültige Ausfall der Hirnfunktionen gilt laut kürzlich verabschiedeten Transplantationsgesetz als sicheres Todeszeichen. „Wir wollen keinen Flurschaden anrichten“, sagt Yahya, „es soll keine Angst geben, dass weniger gemacht wird, weil der Patient Organspender ist. Klar ist: Ich kämpfe um das Leben des Menschen, aber ich bin dann auch derjenige, der die Geräte abschaltet.“

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Von Laura Réthy und Kai Wiedermann

In 40 bis 60 Fällen pro Jahr stellen die Neurologen des EKN eine Hirntod-Diagnose. In Absprache mit den Angehörigen entscheiden die Ärzte dann, wie lange Herz- und Kreislauf-Funktionen noch künstlich aufrechterhalten werden. „Eigentlich wird dann ein Leichnam weiter beatmet“, erklärt Deniz Öczan. Er bedauert, „dass viele Ärzte sich nicht trauen, das durchzuziehen“. Atmung und Kreislauf kämen dann durch weitere Komplikationen wie eine Lungenentzündung zum erliegen.

Skandal hat in den Klinken nach innen gewirkt

Die Phase nach dem Hirntod verschaffe den Ärzten aber auch Zeit, der Familie mit Feingefühl und Empathie die Situation zu erklären. „Die Zeit am Bett ist entscheidend“, sagt Hilal Yahya, „die Angehörigen nutzen diese Zeit, sich auseinanderzusetzen, sich eine Entscheidung für eine Organspende argumentativ zurechtzulegen.“ Dem Neurochirurgen ist „eine qualifizierte Entscheidung dagegen lieber als eine unqualifizierte dafür“.

Anhaltende Nachwirkungen des Skandals in deutschen Transplantationskliniken um die bevorzugte Versorgung von Patienten mit Spenderorganen spürt das Ev. Klinikum Niederrhein nicht. „Nach einem kurzen Einbruch sind wir auf dem gleichen Niveau“, sagt Özcan. „Allerdings können wir auch nicht feststellen, dass mehr Menschen einen Spenderausweis haben, obwohl fast jeder einen zugeschickt bekommt.“

Nachdrücklicher habe der Skandal in den Kliniken nach innen gewirkt, glauben Öczan und Yahya. „Das Bemühen, nichts falsch zu machen, die Angst, bestraft zu werden, hat sich stärker ausgewirkt. Auch die Maßgabe des neuen Gesetzes, dass der Hirntod von zwei Fachärzten „mit mehrjähriger Erfahrung in der Intensivbehandlung von Patienten mit akuten schweren Hirnschädigungen“ protokolliert werden muss, von denen einer Neurologe oder Neurochirurg sein muss, führe dazu, „dass sich kleine Häuser in solchen Fällen Hilfe von außen holen müssen“, so die EKN-Mediziner. Es dürfe keine Option sein, die Möglichkeit einer Organspende und damit das Leben anderer Patienten zu retten, wegzuschieben, sagt Hilal Yahya. „Wir sollten damit angemessen umgehen. Diese Arbeit ist wichtig.“

„Eine Patientenverfügung ist keine Gebrauchsanleitung“ 

Patientenverfügungen seien zwar häufiger als Organspende-Ausweise, aber oft nur bedingt hilfreich. „Das ist keine Ikea-Anleitung“, sagt Deniz Özcan. Häufig verwendete Formulierungen wie „wenn keine Hoffnung besteht“ oder „im Falle eines Hirnschadens“ sind keine klaren Anweisungen für Ärzte und auch nicht für Angehörige. „Ich möchte intensivmedizinisch betreut werden, wenn ich dadurch als Organspender geeignet wäre“, sei hingegen eindeutig. „Es ist gut, wenn Patienten das so detailliert festlegen“, sagt der Anästhesist.

Zunächst maßgeblich sei jedenfalls für die Ärzte der schriftlich niedergelegte Wille, liegt der nicht oder nicht eindeutig vor, „ist es die hohe Kunst herauszufinden, was der Patient möglicherweise mit seinen Angehörigen besprochen hat“, so Özcan. Ist auch das nicht zu ermitteln, müssen Ärzte im Gespräch mit dem Patienten den „mutmaßlichen Willen“ ergründen. „Das sind wichtige Gespräche“, erinnert sich Hilal Yahya an die Kontakte etwa mit Familien junger Unfallopfer auf der Intensivstation. „Diese Auseinandersetzung mit dieser Frage ist ein Teil der Trauerarbeit.“

Leber und Nieren sind die am häufigsten gespendeten Organe 

Zwölf Organspenden verzeichnete das Ev. Klinikum in Fahrn in 2014, zwischen zehn und 13 waren es pro Jahr laut Statistik seit 2008 mit Ausnahme von 2012 (8). Nieren und Lebern waren die am häufigsten gespendeten Organe.

Das Gesetz schreibt vor, dass die Transplantationsbeauftragten weder selbst an der Entnahme der Organe noch an deren Übertragung beteiligt sein dürfen. Auch dürfen sie nicht Weisungen daran beteigter Mediziner unterstehen.

Die Krankenhäuser profitieren nicht wirtschaftlich von der Organspende, erklärt Dr. Hilal Yahya. Sie bekommen lediglich den Aufwand für die Entnahme und die Weitergabe an eine Transplantationsklinik vergütet.