Duisburg. 1985 richtete die Stadt Duisburg die Gleichstellungsstelle ein. Seitdem ist Doris Freer im Amt. Einige Themen haben sich kaum geändert
Als Doris Freer damals ins Amt kam, färbte sie sich ihre Haare mit Henna. Das war vor 30 Jahren. Die Stadt Duisburg richtete damals das Büro für Gleichstellung ein. Freer, studierte Historikerin, die sich zuvor als wissenschaftliche Mitarbeiterin mit der Geschichte aus Frauenperspektive beschäftigte und dabei auch schon Kontakt zu Duisburg hatte, wurde unter hunderten Bewerberinnen ausgewählt, und ist noch immer im Amt. Und die Haare sind noch rot. An den Themen und Fragestellungen hat sich dabei kaum etwas verändert.
Die Fensterbänke in ihrem Büro unterm Rathausdach sind hübsch dekoriert. Blumen stehen in lila-farbigen Übertöpfen, die Wände zieren Plakate vergangener Aktionen. „Wir sind hier eine Denkwerkstatt“, sagt die 63-Jährige. Schon lange bevor sie von Amts wegen für die Belange der Frauen einsetzte, merkte sie, dass für Mädchen nicht immer das Gleiche gilt wie für Jungs. „Ich war das erste Mädchen, dass von unserer Grundschule aufs Gymnasium wechselte – und auch nur, weil mein Vater sich dafür einsetzte“ erinnert sie sich.
Germanistik und Geschichte studiert
Doris Freer wuchs in Dorsten auf, stammt aus einer Arbeiterfamilie. Die Mutter war Hausfrau. „Mir war früh klar, wie wichtig es ist, dass eine Frau ihr eigenes Geld verdient.“ Im Unterricht eher durchschnittlich, brachte sie gemeinsam mit Vertretern des Jungs-Gymnasium eine Schülerzeitung heraus, spielte sogar mit dem Gedanken, Journalistin zu werden, studierte allerdings erstmal Germanistik und Geschichte. „Ich musste mein Geld immer selbst verdienen und hatte deshalb früh Nebenjobs an der Uni.“ Etwa im Institut zur Geschichte der Arbeiterbewegung. Dort kümmerte sie sich um die Archivierung von Büchern mit dem Buchstaben A wie Anarchie.
So richtig in Berührung mit frauenpolitischen Fragen kam Freer in den 1970er Jahren, als sie sich eigentlich auf eine Althochdeutsch-Prüfung vorbereiten sollte. „Parallel war ein Frauenforum. Da hab ich mir gedacht: Lieber Frauenthemen als Althochdeutsch.“ Später legt sie schließlich Prüfungen ab zum Thema Frauen in der Geschichte und initiiert ein Projekt über die Situation von Arbeiterinnen in Hamborn.
Stadtplanung aus weiblicher Sicht
„In vielen Ruhrgebietsstädten war die Frauenerwerbsquote niedrig und in Duisburg war sie noch schlechter.“ Sie lag unter 30 Prozent. Viele Männer verdienten das Geld, die Frauen blieben zu Hause oder meldeten sich erst gar nicht arbeitslos. Als Doris Freer damals ihren Job als Gleichstellungsbeauftragte antrat, war es eines ihrer Ziele, daran etwas zu ändern. Sie überlegte zusammen mit der Arbeitsagentur, wie man mehr Frauen in Arbeit bringen könnte. Bei Stellenvergaben in der Stadtverwaltung wird sie ohnehin angehört. 25 Prozent Frauen in Führungspositionen gebe es derzeit bei der Stadt. Eigentlich ist Freer gegen die Quote, aber ohne werde sich, vor allem in der Privatwirtschaft, kaum etwas ändern.
In den 1990er Jahren entdeckte sie das Thema Lokale Agenda für sich. „Ich konnte Begriffe wie Teilzeitfalle nicht mehr hören und war froh, als es etwas Neues gab.“ Nachhaltigkeit und dass Frauen etwa Zugang zu Umweltberufen bekommen, ist ihr ein Herzensanliegen. „Wir haben erreicht, dass die Gleichstellungsstelle als Träger öffentlicher Belange bei der Stadtplanung beteiligt wird.“ Frauen würden die Stadt anders planen. „So ein Stadtteil wie Rahm gäbe es bei Frauen nicht. Das sind Schlafstätten. Frauen ist eine vernünftige Infrastruktur wichtig, dass es Einkaufsmöglichkeiten, eine gute ÖPNV-Anbindung, Schulen und Kindergärten gibt.“ Sie denken in Wegeketten, was frau auf dem Weg zur Arbeit noch erledigen muss. Oder bei der Planung des Grüngürtels in Bruckhausen: „Den Frauen war wichtig, dass es keine dunklen Ecken gibt und sie von den Häusern die Kinder beim Spielen beobachten können.“
Aufgabengebiet stetig erweitert
In den Jahren ist der Aufgabenbereich von Doris Freer immer weiter gewachsen. Mal landeten bei ihr Themen zur Frauengesundheit auf dem Tisch, dann vernetzte sie sämtliche Träger, die sich mit Gewalt gegen Frauen auseinandersetzen.
Aktuell liegen ihr die Bedürfnisse von Flüchtlingsfrauen am Herzen, und sie überlegt mit anderen Stellen, wie man ihnen helfen kann. „Zum Glück hatte ich stets Unterstützung, damals vom Stadtdirektor Krämer, heute vom Oberbürgermeister.“ Trotzdem braucht sie ein dickes Fell. „Ich muss sich mit allen anlegen.“ Anstrengend sei das, ständig zu kämpfen, gibt sie zu. „Aber man muss aufpassen, dass man sich nicht über den Tisch ziehen lässt.“ Und: „Wenn ich morgens in den Spiegel schau’, weiß ich, dass es richtig ist, was ich tu’.“