Duisburg. 2014 ist die Anzahl der Fälle von häuslicher Gewalt in Duisburg, die der Polizei gemeldet wurden, im Vergleich zum Vorjahr um neun Prozent gestiegen.

Die eigenen vier Wände. Der Ort, an dem sich jeder geborgen und sicher fühlen sollte. Doch genau dieses Fleckchen ist laut Kriminalitätsbericht der Polizei Duisburg für mehr Menschen zu einer Bedrohung geworden.

Im Jahr 2014 ist die Anzahl der Fälle von häuslicher Gewalt im Vergleich zum Vorjahr um neun Prozent gestiegen. 2013 wurden 1.178 Vorfälle registriert, im Jahre 2014 erfasste die Polizei 103 Fälle mehr (1.281). Dabei sind es meistens Männer die Gewalttaten an Frauen begehen. „Gewalt gegen Frauen ist schon immer ein Thema, auch in der Frauenbewegung. Der Unterschied ist, dass es heutzutage immer mehr enttabuisiert wird und somit mehr Frauen den Mut finden die Taten bei der Polizei anzuzeigen“, erklärt die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Duisburg Doris Freer und begründet damit den Anstieg von Fällen in Duisburg.

Vernetzen gegen Gewalt an Frauen

Um das Thema häusliche Gewalt und die Unterstützungsmöglichkeiten publik zu machen setzen sich Vertreter von Einrichtungen, Verbänden, Vereinen, Institutionen und Behörden gemeinsam ein. „Gewalt gegen Frauen muss mehr auf die Tagesordnung rücken und dafür unternehmen wir verschiedene Solidaritätsaktionen und vernetzen uns untereinander.

Mit dem Runden Tisch ‘Gewaltschutzgesetz für Duisburg’ sind wir sehr gut aufgestellt“, erläutert Freer. Das Gewaltschutzgesetz trat am 1. Januar 2002 in Kraft. Seitdem kann das Familiengericht durchsetzen, dass die gemeinsame Wohnung zeitlich befristet oder dauerhaft zur alleinigen Nutzung zugewiesen wird.

Tatort muss nicht die Wohnung sein

Allerdings ist der Begriff häusliche Gewalt nicht gleichbedeutend damit, dass der Tatort die Wohnung sein muss – wobei dies am häufigsten der Fall ist. Auch in Bereichen außerhalb der eigenen vier Wände, wie Straßen, Geschäfte und Arbeitsstellen kann häusliche Gewalt ausgeübt werden.

Sie umfasst alle Formen physischer, sexueller und psychischer Gewalt. Es ist jedoch nicht relevant ob zwischen den Personen ein verbindendes Rechtsverhältnis, wie eine Ehe oder Partnerschaft vorliegt. Ebenso spielt das Geschlecht, die sexuelle Orientierung und das Alter keine Rolle.

Diesbezüglich gibt die Statistik der Polizei Duisburg an, dass sich häusliche Gewalt besonders häufig in Familien oder Beziehungen mit Migrationshintergrund zeigt. „Diesen Zusammenhang kann ich nicht bestätigen“, sagt Elke Wiegand-Sommer von der Frauenberatungsstelle in Duisburg.

Wie häusliche Gewalt enden kann

Auch Karin Bartl vom Frauenhaus Duisburg steht dem kritisch gegenüber: „Dies betrachten wir keineswegs als Anzeichen dafür, dass in Familien mit Migrationshintergrund häufiger häusliche Gewalt vorkommt als in Familien ohne Migrationshintergrund.“

Vielmehr erklärt sie sich die höhere Anzahl häuslicher Gewalt in diesen Familien durch weniger Ressourcen in Form von familiären und freundschaftlichen Netzwerken. „Eine Frau, deren Familie in Deutschland lebt, hat unter Umständen die Möglichkeit dort zu wohnen anstatt in einem Frauenhaus. Eine Frau, die noch nicht lange in Deutschland lebt, hat diese Möglichkeiten nicht.“

Dunkelziffer ist sehr hoch

Auch Freer sieht die Statistik als fatale Botschaft und weist auf die Dunkelziffer, die „bei weit über 3000 Fällen liegt“. Viele Betroffene zeigen die Gewalttat nicht an. Dies stellt allerdings eine Gefahr dar. Denn: Langjährig anhaltende Auseinandersetzungen können mit Mord enden.

Gemessen an der Zahl der registrierten Tötungsdelikte in Duisburg ist der Anteil in Paarbeziehungen relativ hoch. So ereigneten sich vier Tötungsdelikte, darunter ein vollendeter Mord, ein Mordversuch, ein vollendetes Totschlagsdelikt sowie ein versuchter Totschlag. „Es ist wichtig, dass sich die Frauen nicht schämen und wissen, mit wem sie sprechen können. Das Hilfesystem in Duisburg ist sehr gut“, sagt die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Duisburg Doris Freer.

Die Auswertung des Kriminalberichts zeigt zudem, dass ein deutliches Nord-Süd-Gefälle erkennbar ist: Ortsteile im Norden Duisburgs wie Mittelmeiderich (103 Fälle) oder Marxloh (79 Fälle) sind mit der Problematik der häuslichen Gewalt am stärksten belastet. Im Westen kommt es hingegen zu weniger Vorfällen, (Hochemmerich 47 Fälle, Bergheim 48).

Jede Frau hat ein Recht auf Selbstbestimmung - Ein Kommentar von Eva Adler

Wenn der geliebte Mann zum Täter wird, verharmlosen Frauen oftmals die Gewalttat. „Das war nur ein einmaliger Vorfall.“ Das Schamgefühl ist groß. Ihre Selbstachtung geht verloren. Sie schweigen aus Angst.

Kann die Gesellschaft, können wir dazu beitragen, die Opfer aus der Gewaltspirale zu befreien? Ja das können wir. Und in der Vergangenheit hat sich auch schon viel verändert. Durch die Frauenbewegung Ende der 80er Jahre wurde die Öffentlichkeit mehr für die Thematik sensibilisiert, die Gleichberechtigung von Frauen hat einen großen Sprung nach vorne gemacht und Gewalt gegen Frauen war nicht mehr namenlos. Trotzdem hat das gesellschaftliche Umdenken noch nicht gänzlich stattgefunden.

Nicht wegschauen

Viele Menschen schauen weg und vergrößern damit die Tabuisierung. Wacht auf: Gewalt geht uns alle an. Es ist wichtig, dass wir nicht wegsehen, wenn ein schutzloser Mensch im nächsten Umfeld Hilfe braucht. Das Stichwort ist Zivilcourage. Mit unserem Bürgermut können wir dazu beitragen, dass Gewaltopfer sich nicht alleine fühlen, sondern Bestärkung finden und ihnen klar wird, dass niemand ein Recht auf sie und ihren Körper hat.

Es kann nicht sein, dass in einer hochmodernen Gesellschaft, wie in Deutschland, noch patriarchale Strukturen existieren, die die weiblichen Eigenschaften den männlichen in der Anerkennung zurückstellen und eine Geschlechterhierarchie zulassen. Schlimmer noch: die Frau mit Gewalt und Gehorsam diskriminieren. Es gehört zu der Aufgabe der Gesellschaft und Politik, jedem Individuum zu vermitteln, dass es das Recht auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit hat.