Duisburg. . Sieben Frauen und Männer sollten innerhalb einer Woche Probleme in Duisburg-Marxloh lösen. Der WDR nennt es ein TV-Projekt gegen Politikverdrossenheit.
Ulrich Scholten kam schneller in der Marxloher Wirklichkeit an, als ihm lieb war. Oberbürgermeister von Mülheim will er in ein paar Tagen werden, für ein WDR-Experiment zog der 57-jährige SPD-Mann mit sechs Kollegen aus der Politik für eine Woche in eine Art Wohngemeinschaft, die der Öffentlichkeit im Fernsehen vorführen soll, wie clever sich Politiker im Lösen von Problemen an sozialen Brennpunkten anstellen.
Und dann wird er aus der sicheren Entfernung eines Büdchens erstmal Zeuge einer wüsten Keilerei mit 300 Zuschauern und einem Großeinsatz der Polizei. Für Pater Oliver, der neben Scholten steht und als gute Seele des gepeinigten Stadtteils längst eine Duisburger Ikone für handfeste Hilfe ist, ein besonderes Ärgernis, denn es macht bundesweit Schlagzeilen.
Er mag den WDR nicht als Auslöser der Prügelei geißeln, aber dass das Team sich in der Drehwoche mit der Kamera „unbedarft“ durch den Stadtteil bewegt habe und „mit manchen Situationen überfordert“ gewesen sei, lässt er sich auf Nachfrage doch entlocken.
Die Sorge der WG-Bewohner
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Skeptisch blickte zunächst auch Ulrich Scholten auf die Motive der drei WDR-Autoren. Politiker-WG? Big Brother? „Wir wussten natürlich, dass es gewisse Risiken gibt, auch wenn der WDR nicht RTL 2 ist. Aber die Ansage war, man wolle etwas gegen die Politikverdrossenheit tun, dagegen kann man ja nichts haben.“
Doch am ersten Abend habe er „Sorgen gehabt, dass das in die falsche Richtung geht“. Denn als sich die sieben Ruhrgebietspolitikerinnen und -politiker im Alter von 17 bis 62 in den Räumen einer Bäckerei eingerichtet hatten, wurden ihnen per Film die Aufgaben serviert, die sie zu lösen hätten. „Tausende sind ohne Krankenversicherung in Marxloh – tun Sie was dagegen, das war die erste“, erinnert sich Scholten. „Da haben wir uns schon gesorgt, dass man uns vorführen will, das war ja wohl eine Nummer zu groß für eine Woche.“ Danach seien sie alle „sehr wachsam gewesen, das war sicher auch ein bisschen kontraproduktiv.“
Mobiler Jugendtreff
Lorenz’ Mitstreiter Klaus Franz, Bochums OB-Kandidat der CDU, der „erschüttert“ über die Verhältnisse vor Ort war, geht gar einen Schritt weiter. „Wir hatten schon den Eindruck, es solle der Tenor vermittelt werden, dass in Marxloh alles eine Katastrophe ist und Politiker nichts bewirken können“, erzählt der 62-Jährige. Auch dass man ausgerechnet ihn mit 15 Euro für Lebensmittel losgeschickt habe, um für sieben Menschen ein Abendessen zu kochen, kam ihm verdächtig vor: „Die wollten, dass ich sage, das geht nicht.“ Es ging – er sei sogar mit 14 ausgekommen.
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Sebastian Koch, einer der drei Autoren, weist unlautere Absichten von sich: „Wir wollten sehen, wie sie es angehen und wie weit sie kommen. Es sollte aber kein Brett sein, das sie nicht bohren können.“ Auch hätte das Team keinen Einfluss auf die Akteure genommen: „Wir wollten niemanden in eine Richtung drängen, das hätte ja das Ergebnis verfälscht, und das war nicht unsere Intention.“ Zudem hätten Politiker „die Aufgabenstellungen auch modifizieren“ können. „Wir haben da“, so Koch, „auf ihre Anregungen reagiert.“
Was gemeinsam möglich ist
So blieb denn neben einem halbgaren Kochprojekt mitten im Ramadan immerhin ein mobiler Jugendtreff übrig, den der Oberhausener Juso Manuel Dröhne ins Gespräch brachte und für den Klaus Franz bei der Bogestra einen Bus organisierte, der nun mittwochs im Stadtteil vorfährt. „Das“, so Scholten, „mussten wir natürlich hinkriegen, sonst hätten wir doof ausgesehen.“
Was ihn so wie Lorenz überraschte, war das „unglaublich harmonische Miteinander“ der Sieben aus SPD, CDU, Linke, Grüne und FDP. Der WDR habe sich „sicher mehr Kontroversen gewünscht, aber man hat gesehen, was möglich ist, wenn es um eine gemeinsame Sache geht.“ „Wenn Politik immer so wäre, würde die Müdigkeit in der Bevölkerung auch nachlassen“, schwärmt Lorenz gar.
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Auch Pater Oliver hat dem Projekt längst positive Seiten abgewonnen, auch wenn er zunächst ein „öffentlich-rechtliches Dschungelcamp“ befürchtet hatte. „Was hier viele von Politikern nicht mehr glauben, haben sie nun erlebt. Die Sieben sind wirklich auf die Straße gegangen und haben sich mit vielen Menschen unterhalten, das hat Eindruck gemacht. Und mit dem Jugendbus ist etwas Konkretes geblieben.“ Wie das alles wirkt, wenn es auf 45 Fernsehminuten verdichtet wird? Man wird sehen.
Sendung am Montag
In die WG zogen Ulrich Scholten (OB Mülheim), Manuel Dröhne (Jusos, Stadtrat in Oberhausen), Klaus Franz (OB-Kandidat, CDU Bochum), Lisa-Marie Friede (Grüne Jugend NRW), Luisa-Maximiliane Pischel (Junge Liberale), Paula Marie Purps (CDU) und Kathrin Vogler (MdB, Die Linke).
Ausgestrahlt wird die Reportage im WDR-Fernsehen am Montag, 24. August, von 21 bis 21.45 Uhr.