Bewegende Gedenkfeier für Loveparade-Opfer in Duisburg
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Duisburg. Bei der Gedenkfeier zum fünften Jahrestag der Loveparade-Katastrophe waren die vorgetragenen Gedanken der Betroffenen die eindringlichsten Momente. Viele der 350 Besucher weinten.
„Glaube, Liebe, Hoffnung“ – unter dieses Motto hatten die Betroffenen und die Hinterblieben der 21 Opfer der Loveparade-Katastrophe den fünften Jahrestag gestellt. Als einige der Verletzten und Traumatisierten bei der gestrigen Gedenkfeier auf die Bühne ans Mikrofon traten und von ihrer Gefühlslage berichteten, rückten sie diese drei Begriffe stets ins Zentrum ihrer Gedanken.
„Ich habe den Glauben an die Gerechtigkeit verloren. Ich glaube aber, dass alle, die wir verloren haben, gerade bei uns sind“, sagte eine Betroffene. Ein junger Mann fuhr mit leiser, aber fester Stimme fort: „Ich habe meine Liebe verloren. Und ohne die Liebe zu meinen Kindern, wäre ich heute nicht mehr hier.“ Eine Frau, die am 24. Juli 2010 im tödlichen Gedränge auf der Rampe des Karl-Lehr-Tunnels schwere Verletzungen erlitten hatte, fand dann die eindringlichsten Worte: „Ich hoffe, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Ich hoffe, dass ich irgendwann nicht mehr in die Klinik muss. Ich hoffe, dass irgendwann die Schreie und die Alpträume aufhören. Ich hoffe, dass ich endlich einen Abschluss finden und ein neues Leben leben kann.“
Hannelore Kraft trauerte mit
Worte, die berührten. Worte, die sich ins Gedächtnis der 350 Menschen vor der Bühne brannten. Worte, die viele weinen ließen. Zwischen den Hinterbliebenen und Betroffenen hatten auch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, die eigens für diese Stunde des Gedenkens ihren Urlaub unterbrochen hatte, sowie OB Sören Link Platz genommen. Kraft trat nicht selbst ans Mikrofon – so wie bei den bisherigen Gedenkfeiern auch. Link sagte in seiner Begrüßungsrede, dass er wie so viele Menschen auf eine juristische Aufarbeitung der Katastrophe warte, weil es immer noch so wenig Antworten und Gewissheiten gebe, wer diese Katastrophe nun zu verantworten hat. „Dieses Unglück wirkt in uns allen fort, in der Stadt, in ihren Menschen, in mir. Viele haben das Erlebte bis heute nicht verarbeiten können.“ Er sprach den Hinterblieben sein Mitgefühl aus: „Auch für sie ist das Leben in den vergangenen fünf Jahren weitergegangen, doch wir wissen: Trauer hat ihre eigene Zeitrechnung.“
LoveparadePfarrer Jürgen Widera, der seit über zwei Jahren in seiner Funktion als Ombudsmann für die Stadt den Kontakt zu den Eltern der Opfer sowie den Verletzten und Traumatisierten hält, wies noch einmal auf die Wichtigkeit der neu gegründeten Stiftung „Duisburg – 24.7.2010“ hin (wir berichteten). „Niemand soll allein gelassen werden, das ist die Botschaft der neuen Stiftung“, sagte Widera. Und er zeigte auf, wie wichtig die Eröffnung eines Prozesses für alle Betroffenen wäre: „Ohne die Klärung der Schuld wäre es für sie alle schwer, Ruhe zu finden und befreit nach vorn zu schauen.“
Beeindruckende Musik
Eine der eindringlichsten Momente der rund einstündigen Zeremonie war, als das Junge Ensemble Ruhr das Lied „Wie ich dich sah“ vortrug. Dabei wurden die Vornamen aller 21 Todesopfer noch einmal vorgelesen. In diesem Moment erhoben sich alle von ihren Plätzen. Für die Trauernden waren vor der Bühne Holzbänke unter provisorischen Zeltplanen aufgebaut worden. Ebenso beeindruckend wie die Auftritte der jungen Musiker waren die Vorträge der Duisburger Band Trionova. Vor allem bei „Lovesong“ von The Cure und „Wish You Were Here“ von Pink Floyd flossen Tränen.
Duisburg gedenkt der Loveparade-Opfer
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Loveparade-Gründer Dr. Motte im Gespräch
Sein bürgerlicher Name ist Matthias Roeingh, bekannt wurde der 55-Jährige aber unter Dr. Motte. Der in Berlin wirkende Musiker und Techno-DJ war nicht nur der Gründer der Loveparade, sondern bis 2006 auch deren Organisator. WAZ-Redakteur Thomas Richter sprach mit ihm am Rande der „Nacht der 1000 Lichter“.
Seit der Loveparade-Katastrophe waren Sie bei jeder „Nacht der 1000 Lichter“ in Duisburg. Warum kommen Sie immer hierher?
Weil ich den Angehörigen, Verletzten und Traumatisierten auf diesem Weg mein Mitgefühl aussprechen möchte. Ich empfinde den Tunnel bis heute als einen beklemmenden, düsteren Ort. Und ich weiß aus den Gesprächen mit mehreren Betroffenen, dass sie noch heute sofort anfangen zu zittern, wenn hierher an diese Stelle kommen.
Hat sich in den vergangenen fünf Jahren ihr Blick auf die Katastrophe hier in Duisburg verändert?
Man wollte diese Veranstaltung damals hier mit aller Macht. Ich verstehe bis heute nicht, warum Herr Schaller als Chef des Veranstalters nicht zu den Angeklagten zählt. Wenn damals in Berlin was passiert wäre, dann hätten sie mich als Organisator doch auch drangekriegt. Als Verantwortlicher dieser Planung hier könnte ich heute nicht mehr ruhig schlafen.
Können Sie die Wut der Betroffenen über den ständig verzögerten Prozessbeginn verstehen?
Natürlich! In Deutschland haben die Opfer von Großveranstaltungen einfach keine Lobby. Wir brauchen viel mehr Lobbyisten für die Menschen in diesem Land – und nicht nur Lobbyisten für die Interessen unserer Industrie.
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