Duisburg. Am Vorabend des Jahrestags der Loveparade-Katastrophe gedachten in Duisburg die Hinterbliebenen der Opfer. Eine neue Stiftung soll ihnen helfen.

Die Hinterbliebenen halten sich im Arm, stützen sich, geben sich Halt. Körperlich, aber vor allem emotional. In der „Nacht der 1000 Lichter“ fühlen sie sich wie eine große Familie, die zusammenhalten will. Und muss. Denn hier an dieser Stelle im Karl-Lehr-Tunnel, an der nun die Gedenkstätte im Schein von unzähligen Kerzen flackert, starben vor fünf Jahren ihre Kinder.

Der Vorabend des Jahrestages der Loveparade-Katastrophe geht allen zu Herzen. Das Schicksal hat sie einst hier zusammengeführt, die tiefe Verbundenheit füreinander lässt sie immer wiederkommen.

Es war um 21.35 Uhr, als der Bus mit den Hinterbliebenen in den Tunnel einfuhr. Begleitet von OB Sören Link schlängelten sie sich den Weg durch fast 200 Menschen, die an der Gedenkstätte bereits eines der unzähligen Lichter entzündet hatten. Bevor die Gruppe Donnerstagabend zusammen mit den Verletzten und Traumatisierten die Gedenkstätte inne hielt, hatten alle Beteiligten zu einer Pressekonferenz ins „Café Museum“ geladen. Vor einem riesigen Medienaufgebot wurde dort die Gründung der Stiftung „Duisburg – 24.7.2010“ verkündet. Gleichzeitig gab die Betroffenen-Initiative „LoPa 2010“ ihre Auflösung bekannt.

Schwere Vorwürfe gegen die Justiz

Die Hinterbliebenen der 21 Todesopfer der Loveparade-Katastrophe vor genau fünf Jahren erheben aber auch schwere Vorwürfe gegen die Justiz. „Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Duisburg haben viel zu lang gedauert“, kritisierte der aus Spanien angereiste Paco Zapater, dessen Tochter Clara ums Leben gekommen war. Wie alle anderen Eltern kann er es nicht begreifen, dass noch kein Prozess begonnen hat.

Zapater versteht auch nicht, warum die Polizei im Kreise der Angeklagten fehlt, ebenso wie Duisburgs früherer Oberbürgermeister Adolf Sauerland: „Er hatte nicht den Mut, diese schlecht geplante Veranstaltung abzusagen. Wenn er ihn gehabt hätte, säßen wir heute nicht hier – und unsere Kinder wären bei uns zu Hause.“ Angeklagt sei leider nur die „zweite und dritte Reihe der Verantwortlichen“.

"Die Verantwortlichen hat man laufen lassen", kritisieren die Loveparade-Opfer

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Von Felix Laurenz, Peter Sieben

Jörn Teich, Vorsitzender der Betroffenen-Initiative „LoPa 2010“ sagte: „Ich glaube nicht an einen Prozess. Die Verantwortlichen hat man laufen lassen. Eine Anklage gegen Sauerland und weitere Handelnde ist mit dem heutigen Stichtag nicht mehr möglich. Nach fünf Jahren sind Straftaten wie fahrlässige Tötung und gefährliche Körperverletzung verjährt. Aufatmen dürften auch Duisburgs früherer Ordnungsdezernent, der Leiter des Ordnungsamts, der Polizeieinsatzleiter und der Publikums-Manager des Veranstalters Lopavent. Gegen dessen Chef Rainer Schaller und Sauerland wurde ohnehin nie ermittelt Gaby Müller, die Mutter des im Gedränge umgekommenen Christian, kommentierte: „Für uns begann nach der Tragödie die zweite Katastrophe. Wie sollen wir jemals mit unseren Verlusten abschließen können?“

Parallel zur Gründung der Stiftung hat sich die Betroffenen-Initiative aufgelöst. „Unser Vereinsziel ist mit der Gründung der Stiftung erreicht“, sagte Jörn Teich, einer der Sprecher von „LoPa 2010“. Die neue Stiftung hat drei Kernaufgaben: Sie soll langfristig Hilfe für alle Hinterbliebene, Verletzte und Traumatisierte der Katastrophe sicherstellen, die künftigen Gedenktage organisieren und sich um die Pflege der Gedenkstätte kümmern.

Jürgen Widera ist Ombudsmann der Stadt Duisburg für die Loveparade-Betroffenen. Er sitzt auch im Vorstand der neuen Stiftung.
Jürgen Widera ist Ombudsmann der Stadt Duisburg für die Loveparade-Betroffenen. Er sitzt auch im Vorstand der neuen Stiftung. © Oliver Berg/dpa

„Es wird keine direkten finanzielle Hilfen für Einzelne geben. Stattdessen wollen wir Therapieplätze vermitteln, Selbsthilfegruppen organisieren und weitere Hilfsangebote aufzeigen“, sagte Jürgen Widera. Der bisherige Ombudsmann der Stadt Duisburg, der seit Jahren engen Kontakt zu den Hinterbliebenen und der „LoPa 2010“-Gruppe pflegt, bildet mit Birgit Nellen den Vorstand der neuen Stiftung. Zu deren Kuratorium zählen etwa HKM-Arbeitsdirektor Peter Gasse, Haniel-Geschäftsführerin Jutta Stolle oder Ex-MdB Johannes Pflug.

Öffentliche Gedenkfeier für die Opfer der Loveparade am Unglückstunnel

Das Stiftungskapital liegt bei 50.000 Euro, die von der Stadt Duisburg kommen. Es handelt sich um eine Verbrauchsstiftung. Das heißt, das hier nicht die erwirtschafteten Zinsen für die Stiftungszwecke eingesetzt werden, sondern das Kapital. Die Stadt will dafür jedes Jahr weitere 50.000 Euro zuschießen. Diese Summe hatte sie schon bisher für eine Beratungsstelle zur Verfügung gestellt. „Wir hoffen natürlich auf Spenden von Bürgern, Unternehmen und anderen Organisatoren", so Widera. Stiftungsgründer sind neben Widera und Nellen auch Vertreter der Hinterbliebenen sowie der Verletzten und Traumatisierten.

Die Stadt Duisburg lädt am Freitag, dem eigentlichen Jahrestag, alle Bürger zur Teilnahme an der öffentlichen Gedenkfeier ein. Diese findet auf der Neudorfer Seite des Karl-Lehr-Tunnels auf einer Grünfläche statt. Beginn: 17.45 Uhr. Neben Ansprachen wird es auch eine musikalische Begleitung geben.

Nacht der 1000 Lichter in Duisburg

Ein Lichtermeer für die Toten der Loveparade 2010: Fünf Jahre...
Ein Lichtermeer für die Toten der Loveparade 2010: Fünf Jahre... © dpa
... nach dem tödlichen Gedränge auf der Techno-Party...
... nach dem tödlichen Gedränge auf der Techno-Party... © dpa
... haben die Hinterbliebenen und Verletzten am Vorabend des Jahrestags an jene 21 Menschen erinnert, die genau an dieser Stelle ihr Leben verloren. An der Rampe,...
... haben die Hinterbliebenen und Verletzten am Vorabend des Jahrestags an jene 21 Menschen erinnert, die genau an dieser Stelle ihr Leben verloren. An der Rampe,... © Ralf Rottmann/Funke Foto Services
... die am 24. Juli 2010 Zu- und Ausgang fürs Loveparade-Gelände auf dem alten Güterbahnhof war,...
... die am 24. Juli 2010 Zu- und Ausgang fürs Loveparade-Gelände auf dem alten Güterbahnhof war,... © Ralf Rottmann/Funke Foto Services
... trafen sie sich wie in den Vorjahren zum stillen Gedenken. Zur Rampe...
... trafen sie sich wie in den Vorjahren zum stillen Gedenken. Zur Rampe... © Ralf Rottmann/Funke Foto Services
... kamen die Besucher damals durch einen Tunnel - an dessen Ausgang bildete sich am Nachmittag das tödliche Gedränge.
... kamen die Besucher damals durch einen Tunnel - an dessen Ausgang bildete sich am Nachmittag das tödliche Gedränge. © Ralf Rottmann/Funke Foto Services
13 Frauen und acht Männer starben, mehr als 500 weitere wurden verletzt.
13 Frauen und acht Männer starben, mehr als 500 weitere wurden verletzt. © Ralf Rottmann/Funke Foto Services
An der Unglücksstelle erinnert seit dieser Woche eine neue Gedenkplatte des Duisburger Künstlers Rüdiger R. Lorenzo Eichholtz an die Toten. Der Satz...
An der Unglücksstelle erinnert seit dieser Woche eine neue Gedenkplatte des Duisburger Künstlers Rüdiger R. Lorenzo Eichholtz an die Toten. Der Satz... © Ralf Rottmann/Funke Foto Services
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... "Liebe hört niemals auf" in sieben Sprachen - den Muttersprachen der Gestorbenen - soll den Trauernden Trost zusprechen. Über dem Trauerort... © Ralf Rottmann/Funke Foto Services
... wurden zudem acht Nationalfahnen gehisst.
... wurden zudem acht Nationalfahnen gehisst. © Ralf Rottmann/Funke Foto Services
Auf der Treppe an der Seite der Rampe...
Auf der Treppe an der Seite der Rampe... © dpa
... stellten Angehörige 21 Blumentöpfe ab. Jeder Topf steht symbolisch für ein Todesopfer. Am Ort der Massenpanik...
... stellten Angehörige 21 Blumentöpfe ab. Jeder Topf steht symbolisch für ein Todesopfer. Am Ort der Massenpanik... © dpa
... legten Menschen zudem Blumensträuße und Kerzen nieder oder stellten Fotos ihrer Angehörigen auf. Einige weinten. Andere...
... legten Menschen zudem Blumensträuße und Kerzen nieder oder stellten Fotos ihrer Angehörigen auf. Einige weinten. Andere... © Ralf Rottmann/Funke Foto Services
... suchten Trost durch Gespräche oder Umarmungen.
... suchten Trost durch Gespräche oder Umarmungen. © Ralf Rottmann/Funke Foto Services
Die juristische Aufarbeitung der Katastrophe...
Die juristische Aufarbeitung der Katastrophe... © dpa
... ist auch fünf Jahre danach noch lange nicht abgeschlossen - noch ist nicht einmal klar, ob es überhaupt zu einem Strafprozess gegen die Verantwortlichen kommt.
... ist auch fünf Jahre danach noch lange nicht abgeschlossen - noch ist nicht einmal klar, ob es überhaupt zu einem Strafprozess gegen die Verantwortlichen kommt. © imago/Revierfoto
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