Duisburg. . WAZ-Leser entdecken bei einer Führung durch das Duisburger Stadttheater sogar die „Katakomben“ unter der Bühne und bekommen ein Gratis-Konzert.
Diesmal geht es nicht durch das prächtige Säulenportal ins Stadttheater sondern durch den Bühneneingang. Der Weg vom Hinterhaus ins Vorderhaus führt durch eine Tür, die vorn prächtig verspiegelt ist. Typisch Theater: „Hinten“ wird in nüchterner Umgebung hart für die Kunst gearbeitet, „vorne“ wird die Kunst in schönem Ambiente genossen.
Einen ausgiebigen Blick hinter die Kulissen des Theaterbetriebs haben jetzt 18 Leser im Rahmen der Aktion „WAZ öffnet Pforten“ geworfen. Exklusiver Programmpunkt war eine Fahrt in die Untermaschinerie.
Doch zuerst geleitete der ehrenamtlichen Theaterführer Wilhelm Schlingermann (75) die Besucher ins glänzende Opernfoyer, das original so erhalten ist, wie es 1950 beim Wiederaufbau des Theaters gestaltet worden ist. 1942 war das Gebäude durch Brandbomben zerstört worden. Den wertvollen Gobelin, der schon in Vorkriegszeiten das Haus geziert hatte, war von einem Theaterarbeiter in Sicherheit gebracht worden, berichtet Schlingermann. Das vor 103 Jahren eröffnete Theater hatte nie ein eigenes Ensemble. Seit 1956 gibt es die Opernehe mit Düsseldorf, das Sprechtheater bestreitet sein Programm mit Gastspielen.
Tonnenschwere Kulissen bewegen
Weiter geht es auf die Bühne, wo die Gruppe von Schnürmeister Sven Schmitt erwartet wird. Doch zunächst erläutert Schlingermann Erstaunliches: Zum Beispiel, dass der Luftraum über der Bühne größer ist als der des Zuschauerraums; dass es 60 Züge gibt, an denen tonnenschwere Kulissen bewegt werden; dass der Eiserne Vorhang, der im Brandfall Vorder- und Hinterhaus trennt, aus zwei festen Stahlplatten besteht; dass das Reservoire für die Sprinkleranlage 55.000 Liter vorhält; dass es vor allem die Beleuchter sind, die mit 500 Scheinwerfern den schwarzen Bühnenraum verzaubern können. Und dass einer der schwierigsten Aufgaben der fürs Publikum unsichtbare Inspizient ist, der vom Pult aus alles steuert, was auf der Bühne passiert und sich keine Sekunde Unaufmerksamkeit leisten kann.
Dann beginnt die langsame Fahrt auf einem Hubpodium in die Untermaschinerie. „Hier können Sie das Phantom von Duisburg suchen“, scherzt Schlingermann, der diese Fahrt ebenfalls zum ersten Mal mitmacht, im finsteren Raum.
Ein Gratis-Konzert
Mit dem nicht weniger beeindruckenden Lastenaufzug geht es dann in die 4.Etage in den ehemaligen Malersaal, der seit dem Umzug der Opernwerkstätten nach Wanheimerort als Lager genutzt wird. Von der 2. Arbeitsgalerie können die Besucher daaus luftiger Höhe auf die Bühne schauen. Die Scheinwerfer sind während der Theaterferien eingehüllt.
Kurz vor dem Ende der Führung eine überraschende Zugabe: Im Orchesterprobenraum arbeiten neun Mitglieder der Duisburger Philharmoniker am Programm fürs Serenadenkonzert, das gestern in der Hamborner Abtei gegeben wurde. Es ist heiß, musiziert wird in kurzen Hosen und barfuß. Die WAZ-Leser dürfen einen Satz lang zuhören – ein Gratis-Konzert.
Der erste Gäsenhaut-Moment bleibt unvergessen
Dass es eine sehr unterhaltsame Führung war, ist das Verdienst von Wilhelm Schlingermann. Der 75-Jährige ist seit sechs Jahren ehrenamtlicher Führer des Stadttheaters. Sein Herz fürs Duisburger Theater schlägt aber schon seit 61 Jahren. Er erinnert sich noch genau an den Moment, als er als Berglehrling in geliehener Hose auf dem „Rasiersitz“ (preiswertester Platz oben im 3. Rang) saß, sich der Vorhang öffnete und ein Sänger auf der dunklen Bühne anstimmte „Hört Ihr Leute, lasst Euch sagen...“ Die Gänsehaut bekommt er heute noch.
Das Interesse am Theater hatte seine Mutter geweckt, die als Haustochter beim Intendanten angestellt war. „Wir waren drei Brüder“, schildert Wilhelm Schlingermann, der in einem Dorf aufgewachsen ist, das im Biggesee untergegangen ist. Mit seinen Brüdern habe er schon früh Laientheater gespielt – und für eine Rolle als Bäuerin sogar Stricken gelernt.
Eine seiner lustigsten Anekdoten aus vielen Jahren als Theaterzuschauer stammt aus einer Aufführung der Operette „Gasparone“. Nachdem einer der Darsteller in den „Himmel“ geschossen hatte, dauerte es zwei Minuten bis der „tote“ Fasan auf der Bühne landete. Publikum und Darsteller mussten so lachen, dass die Vorstellung unterbrochen wurde.