Duisburg. Mit der gigantischen Summe von 200 Millionen Euro will die Stadt Duisburg ihrer Konzerntochter (DVV) helfen und Sünden der Vergangenheit ausbügeln.

200 Millionen Euro. Die Finanzspritze der Stadt an ihre Konzerntochter DVV lässt den Oberbürgermeister schlucken. Für eine Stadt, die um jeden Cent ringt, Zuschüsse an Vereine streicht, vor Bücherei- oder Bäderschließungen stand und strikt sparen muss, ist das eine brisante Gratwanderung. Gegenüber dem Bürger, aber auch gegenüber der Finanzaufsicht des Landes.

Wer als Schuldenstadt zehnmal mehr Investitionskredite aufnimmt als sonst, muss das gut begründen. SPD und CDU sind schon informiert und signalisieren Zustimmung, Grüne und die Linken sehen sich dagegen am Katzentisch der Politik-Beteiligung.

Oberbürgermeister Sören Link: "Probleme sind nicht hausgemacht"

Der Bezirksregierung muss in einer „Einzelfall-Entscheidung“ das Ja noch abgerungen werden. Nicht ohne Grund betont und beteuert der OB, dass die Probleme nicht „hausgemacht“ sind, alle kommunalen Energieversorger Probleme haben. Dass die Rathaus-Vorlage für den nötigen Nachtragshaushalt noch nicht fertig ist, deutet an, dass das kein unproblematisches Unterfangen ist.

Beim ersten „Re-Power“-Programm, bei dem die DVV 2012 und 2013 schon unter dem Druck der Stromverluste rund 30 Millionen Euro zur Kostensenkung erwirtschaftete und über 100 Stellen abbaute, half die Stadt noch mit einem „Bar-Zuschuss“ in Höhe von 20 Millionen Euro aus der eigenen Kasse. Das reicht jetzt nicht mehr und war letztlich auch nur Flickschusterei.

Duisburg will Kredit über 200 Millionen Euro aufnehmen

Die Stadt will die Summe nun verzehnfachen und geht einen anderen Weg, um ihrer Tochter nachhaltig zu helfen. Sie wird über eine Kreditaufnahme von 200 Millionen Euro dem Stadtkonzern „frisches Geld“ wahrscheinlich in Form einer Kapitalerhöhung „überweisen“. Diese Summe benötigt die DVV dringend für Investitionen und die Finanzierung von „Re-Power II“.

Das schafft Luft, bis der Konzern 2019 wieder Rendite machen will. So verspricht er es zumindest. Wenn sich die energiewirtschaftliche Gemengelange nicht noch schlimmer entwickelt und es bei dem aktuell niedrigen Zinsniveau bleibt. Auch die Kredite aus dem Steag-Kauf lasten auf dem DVV-Konzern.

Kaum jemand würde DVV Kredit geben

Keiner sagt es, laut erst recht nicht: Die DVV hat eine derart schlechte Eigenkapitalquote, dass sie den dreistelligen Millionen-Kreditbedarf in den nächsten Jahren nicht mehr stemmen kann. Ihre Bonität und ihr Rating sind so schlecht, dass sie Kredite entweder nur zu hohen Zinsen oder gar nicht mehr bekommt. Aber der Konzern benötigt dringend Geld: Für fortlaufende Investitionen etwa in sein Leitungsnetz, quasi als „Tagesgeschäft“. 40 bis 50 Millionen müssen dafür jährlich aufgebracht werden.

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Außerdem kostet die Restrukturierung, die bis 2019 rund 45 Millionen Euro bringen soll und den Konzern ziemlich umkrempelt, zunächst einmal enorme Summen. Mit der geplanten Stilllegung des verlustreichen Hochfelder Kraftwerkes muss zum Beispiel in das Fernwärmenetz für die 60 000 Kunden investiert werden: Knapp 20 Millionen kostet allein ein notwendiger Fernwärmespeicher. Auch der Personalabbau wird zunächst Millionen erfordern.

Querfinazierung der DVG

Die gigantische Unterkapitalisierung der DVV gilt dabei als „Sünde der Vergangenheit“. Der Konzern musste fortwährend seine Stadtwerke-Gewinne in den defizitären Nahverkehr stecken, da blieb nichts für die Stärkung des Eigenkapitals. Die Verluste bei der Stromerzeugung, die seit der aktuellen Energiewende auflaufen, lassen dieses tönerne System nun zusammenstürzen. „Jetzt ist die Zeit der Ehrlichkeit und für einen Neuanfang“, heißt es aus Aufsichtsratskreisen. Zur Ehrlichkeit gehört auch, dass sich die Rahmenbedingungen nicht noch weiter verschlechtern dürfen und die Stadt dann über die 200 Mio € hinaus Verluste ausgleichen müsste.

Der aus der liberalen Ecke gebetsmühlenartig geforderte Verkauf der Stadtwerke ist dabei aus Sicht der Stadt keine Lösung. Erstens ist in diesen Krisenzeiten ohnehin kein Käufer in Sicht und zweitens würde damit die Querfinanzierung des Nahverkehrs zusammenbrechen. Der steuerliche Verbund, dass die bisherigen Gewinne der Energiesparte mit den Verlusten der DVG verrechnet werden können, bringt allein einen Steuervorteil von zehn bis 15 Millionen Euro.

Ohne die Stadtwerke müsste die Stadt die DVG-Verluste von 30 Millionen Euro aus ihrem Haushalt tragen. Das würde alle Haushaltssanierungspläne über den Haufen werfen.

Insofern: Das Konstrukt Strom/Nahverkehr ist für Duisburg wie es so schön heißt „systemrelevant“, so dass die Stadt ihre Tochter nicht vor die Wand fahren lassen kann. Und die bemerkenswerte Kooperationsbereitschaft der Betriebsräte, die selbst den Stellenabbau werden mittragen müssen, findet nur so lange seine Fortsetzung, wie die Stadt für ihre Tochter in die Bresche springt. Sonst brennt der Baum.

SPD und CDU signalisieren Zustimmung 

Wir werden den Weg mitgehen“, erklärt SPD-Fraktionsgeschäftsführer Oliver Hallscheidt. Er ist selbst Mitglied im DVV-Aufsichtsrat, dem in der kommenden Woche das Re-Power II-Programm vorgelegt wird. Hallscheidt bemüht den Begriff der „Alternativlosigkeit“. Nur die 200-Millionen-Finanzspritze ermögliche den Stadtwerken Liquidität und unternehmerisches Handeln.

Auch für den CDU-Fraktionsvorsitzenden Rainer Enzweiler ist der von der DVV-Konzernleitung aktuell dargelegte dringende Handlungsbedarf für eine grundlegende Sanierung des Konzerns nachvollziehbar. „Es gibt keine Alternative zu einem tiefgreifenden Konzernumbau, um die Zukunft des Konzerns zu sichern“, sagt Enzweiler.

Dementsprechend sieht er keine andere Möglichkeit, als diesen Prozess konstruktiv zu begleiten: „Bisher kennen wir aber nur einige Zahlen und geplante Maßnahmen. Somit ist eine abschließende Bewertung nicht möglich. Was aus unserer Sicht bereits feststeht, ist die Notwendigkeit einer Kapitalerhöhung bei der DVV, um dem Konzern dringend notwendigen Handlungsspielraum zurückzugeben.“

Grüne in Duisburg kritisieren OB Link

Aus Sicht der Grünen macht es sich OB Link zu einfach, die Schuld an der Misere auf die Energiewende zu schieben. Es sei absehbar gewesen, dass das Geschäftsmodell der Energieerzeugung und des Stromverkaufs für die Stadtwerke ein Auslaufmodell ist, so die Kreisvorsitzende Birgit Beisheim. Fraktionssprecherin Claudia Leiße moniert unterdessen: „Es ist nicht das erste Mal, dass Teile des Rates kurzfristig über die Presse informiert werden und der Lösungsvorschlag der Verwaltung quasi als alternativlos dargestellt wird“. Bisher würden aber nur die „üblichen betriebswirtschaftlichen Ansatzpunkte“ kolportiert. Die Stadtwerke sollten „die Chancen der Energiewende nutzen“.