Duisburg/Essen. Die Duisburger Stadtwerke schreiben Millionenverluste. Nun soll die Stadt mit 200 Millionen Euro aushelfen - muss sich das Geld aber selbst pumpen.

„Grüner Turm“ heißt das Duisburger Heizkraftwerk Hochfeld im Volksmund, weil es im Dunkeln grün leuchtet, was nachts sogar auf das benachbarte Rotlichtviertel an der Vulkanstraße abfärbt. Bald jedoch werden im ältesten Kraftwerk der Stadt die Lichter ausgehen. Hochfeld, der 1968 gebaute Steinkohleblock, ist zum Symbol für den Niedergang alter Stadtwerke-Herrlichkeit geworden.

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Zwar liefert das alte Heizkraftwerk immer noch zuverlässig Fernwärme und Strom für abertausende Duisburger, beschert seinem Besitzern, den örtlichen Stadtwerken, aber inzwischen ebenso zuverlässig Millionenverluste.

Kommunaler Tanker muss wieder auf Kurs gebracht werden

Rund 18 Millionen Euro waren es allein im vergangenen Jahr – der Energiewende mit ihrem gesetzlich garantierten Vorrang für Ökostrom sei Dank. Jetzt ziehen die Stadtwerke Hochfeld den Stecker. Das Kraftwerk am Rande der Innenstadt soll vom Netz. Die Stilllegung ist beschlossene Sache und Teil jenes Sanierungsprogramms, mit dem die städtische Holdinggesellschaft DVV wieder in die schwarzen Zahlen kommen will. Ab 2018 soll der kommunale Tanker DVV wieder auf Kurs gebracht werden.

Wie gestern berichtet, geht das nicht mehr nur auf die sonst in öffentlichen Unternehmen übliche sanfte Tour, die ein sozialverträgliches Abschmelzen von Jobs meint. In Duisburg aber werden jetzt betriebsbedingte Kündigungen ausdrücklich nicht mehr ausgeschlossen. Ein Tabubruch in der früher so heilen Stadtwerke-Welt.

Stadt Duisburg ist selbst pleite

Doch damit nicht genug: Das hoch verschuldete Duisburg soll seiner angeschlagenen Stadttochter zudem per Kapitalaufstockung mit 200 Millionen Euro unter die Arme greifen, muss sich das Geld aber selbst pumpen. So drastisch hat sich noch kaum eine Stadttochter aus der Komfortzone kommunaler Sicherheit verabschiedet. „Wir sind längst keine Insel der Glückseligkeit mehr“, sagte ein Stadtwerke-Mitarbeiter dieser Zeitung.

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Duisburg ist kein Einzelfall. In den Stadtwerken der Region beobachtet man das Duisburger Szenario sehr genau. Auf der Betriebsversammlung der Dortmunder Stadtwerke gestern Vormittag war das Desaster in Duisburg Tagesgespräch. Auch die Dortmunder müssen den Gürtel enger schnallen. Sonst sind die in den kommenden Jahren anstehenden Investitionen in den Nahverkehr in Höhe von 175 Millionen Euro kaum zu stemmen.

Hunderte Stellen sollen wegfallen

Zehn Prozent der über 2000 Stellen sollen in den kommenden Jahren wegfallen, allerdings sozialverträglich. Am Personalbestand vorerst nicht rütteln will man in Bochum. Die Stadtwerke konnten an die Stadt 2014 sogar 47 Millionen Euro ausschütten. Der scheidende Stadtwerke-Chef Bernd Wilmert bezeichnete die einst auch politisch gewünschte Beteiligung von Stadtwerken an Kohle- und Gaskraftwerken allerdings „aus heutiger Sicht als verhängnisvollen Schritt.“

Nicht nur Duisburg zeigt also: Das alte Modell von den Kommunalversorgern als „Goldesel“ der Städte, der durch seine Überschüsse im Energiebereich den Nahverkehr am Leben hält, kippt. Duisburgs Verdi-Chef Thomas Keuer sprach gegenüber dieser Redaktion gar von „einer Enteignung der Stadtwerke, weil es keine alternativen Finanzierungsmodelle gibt.“

Energiewende schlägt durch

200 Millionen Euro müssten ins Schienennetz und in den Fuhrpark investiert werden. Keuer: „Wir fahren auf der letzten Rille.“

Der Fall Duisburg hat gestern auch NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin auf den Plan gerufen. „Wir nehmen die Sorgen der Stadtwerke sehr ernst: Sie sind von großer Bedeutung für die Versorgungssicherheit in NRW“, sagte Duin dieser Redaktion. Die Energiewende schlage auf die Stadtwerke mit großen Erzeugungsanlagen durch. Duin: „Daher brauchen wir ein neues Strommarkt-Design, das die Rahmenbedingungen neu festlegt.“