Duisburg. Stadt streicht Ausnahme: Schoko-Ticket ist für Zuwandererkinder aufgrund Arbeitnehmer-Freizügigkeit nicht mehr kostenlos. Schulpolitiker schreien auf.

Am Vortag hatte die NRW-Europaministerin noch das Handlungskonzept der Stadt Duisburg zum Umgang mit der Zuwanderung aus Südosteuropa gelobt. Einen Tag später konterkariert die Stadtverwaltung ihr eigenes Konzept: Sie hat die Übernahme der Fahrtkosten von Zuwandererkindern zu weiter entfernt gelegenen Schulen jetzt komplett gestrichen. Die Folgen könnten laut Schulpolitikern fatal sein: Während man den Zugang zur Bildung für die Integration als unabdingbar erklärt, bringt man gleichzeitig den regelmäßigen Schulbesuch der Kinder in Gefahr.

Die Übernahme der Fahrtkosten ist ein zentraler Punkt des Handlungskonzepts: Weil eine wohnortnahe Beschulung nicht in jedem Fall gewährleistet werden kann und die Eltern der Kinder die Kosten für das Ticket in der Regel nicht aufbringen können, hatte die Stadt die Kosten bisher übernommen.

Einige Schüler haben einen langen Schulweg

Die Stadt hatte sogar lange mit der Bezirksregierung als Aufsichtsbehörde darüber gestritten, ob sie trotz der eigenen Finanznot die Kosten übernehmen darf. Nach mehrfacher Ablehnung lenkte Düsseldorf Anfang 2012 schließlich ein. Konkret geht es um die Übernahme des Eigenanteils an einem Schoko-Ticket von monatlich 12 Euro pro Schüler.

„Sollte es so kommen, bin ich mir sicher, dass von den regelmäßigen Schulbesuchen ein Teil wegbrechen wird“, sagte Barbara Laakmann gestern auf Nachfrage der NRZ. Die ehemalige Schulleiterin, die für die Linke im Schulausschuss sitzt, weiß, dass einige Schüler erhebliche Fahrstrecken zurücklegen müssen. „Die Schule, die diesen Kindern eine Perspektive bieten soll, ist eben nicht immer die Schule um die Ecke.“

Änderung aufgrund Arbeitnehmerfreizügigkeit

Und nicht alle betroffenen Eltern, von denen viele nach wie vor von Kindergeld leben würden, könnten die 144 Euro im Jahr für alle Kinder aufbringen. Wenn man den Schulbesuch als Schlüssel der Integration begreift, dann müsse man auch etwas dafür tun: „Schließlich bekommen wir ja auch Mittel für die Bildungsarbeit“, sagt Laakmann und findet, dass dieses Thema erst noch politisch diskutiert werden müsse.

1884 Kinder im schulpflichtigen Alter

10.758 Staatsbürger aus Rumänien und Bulgarien waren im Dezember 2014 in Duisburg gemeldet, 1884 davon sind im schulpflichtigen Alter zwischen 6 und 15 Jahren. Die meisten dieser Kinder leben mit ihren Familien in Marxloh (601) und Hochfeld (562), müssen aber teils auf Schulen in anderen Stadtteilen ausweichen.

Die Verwaltung hat sich allerdings bereits festgelegt, Anfang Februar will sie den Schulausschuss lediglich über die Entscheidung informieren. Als Begründung führt die Stadt an, dass die Grundlagen für die Ausnahmeregelung entfallen seien: Ab 1. Januar 2014 gelte die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit, also hätten auch Zuwanderer aus Südosteuropa die Möglichkeit, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen — oder Hartz IV zu beziehen. Zudem gehe es darum, dass EU-Bürger aus Rumänien oder Bulgarien gegenüber anderen Einwanderern aus EU-Ländern nicht besser gestellt werden könnten. Die Stadt spricht von rund 1600 Bedarfsgemeinschaften „aus dieser Zuwanderergruppe“, monatlich würden es 100 mehr. Lediglich Empfänger von Grundsicherung würden weiterhin vom Eigenanteil befreit.

Kaum Zugang zu Sozialleistungen

Bekanntlich bleibt Zuwanderern aus Südosteuropa die Grundsicherung nach diversen Urteilen aber verwehrt — und Hartz IV als Arbeitslosengeld erhält nur, wer zuvor bereits erwerbstätig war. Nach Angaben des Jobcenters gebe es unter den Zuwanderern aus Südosteuropa 1933 Personen in Bedarfsgemeinschaften, 1222 davon seien erwerbsfähig, 634 davon arbeitslos gemeldet.

Die Abschaffung der Ausnahmeregel bedeutet daher, dass es für nahezu alle schulpflichtigen Zuwandererkinder keine Kostenübernahme mehr gibt. Wie viele von ihnen bisher ein Ticket beantragt hatten, darüber führt die Stadt keine Statistik, da die Kosten aller rund 6800 Schoko-Tickets pauschal mit der DVG abgerechnet werde. Schätzungen zufolge sollen wenige hundert Kinder betroffen sein, sagte eine Sprecherin der Stadt.