Essen. „Thyssen-Krupp ist kein Stahlkonzern mehr“, hat Konzernchef Heinrich Hiesinger unlängst gesagt. Schon heute trage die Stahlsparte „nur noch“ rund 30 Prozent zum Konzernumsatz bei. Betriebsratschef Wilhelm Segerath hält dagegen: „Thyssen-Krupp wäre ohne Stahl wie ein Wohnzimmer ohne Sofa.“

Wie die Zukunft von Thyssen-Krupp aussehen soll, konnte am Donnerstag in der Essener Konzernzentrale besichtigt werden. Mit einem neuen Aufzugsystem, das von Magnetfeldern angetrieben und gesteuert wird, will Thyssen-Krupp die Lifttechnik revolutionieren. Konzernchef Heinrich Hiesinger dürfte es gefallen haben. Schließlich will er das traditionsreiche Unternehmen, das durch Stahlwerke groß geworden ist, neu positionieren.

„Thyssen-Krupp ist kein Stahlkonzern mehr“, sagte Hiesinger unlängst. Schon heute trage die Stahlsparte „nur noch“ rund 30 Prozent zum Konzernumsatz bei – Tendenz fallend. Thyssen-Krupp wird mehr und mehr zu einem Industrie- und Technologiekonzern. Autozuliefergeschäft, Aufzüge, Anlagenbau – in diesen Bereichen soll die Zukunft liegen.

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Gerade in Duisburg wird die Entwicklung aufmerksam verfolgt. Mit fast 15.000 Beschäftigten allein bei Thyssen-Krupp ist die Revierstadt Europas größter Stahlstandort. Äußerungen von Hiesinger haben für Unruhe gesorgt. Es gibt Befürchtungen, das Traditionsgeschäft könnte verkauft werden. „Wenn wir als Vorstand glauben, dass es ein richtiger Schritt ist, sind wir nicht durch unser Erbe eingeschränkt“, wurde Hiesinger zitiert.

Aufzugssparte ist mittlerweile stärkstes Standbein von Thyssen-Krupp

Konzernbetriebsratschef Wilhelm Segerath zeigt sich besorgt und warnt vor einer möglichen Trennung von der Stahlsparte. „Thyssen-Krupp wäre ohne Stahl wie ein Wohnzimmer ohne Sofa“, sagt Segerath. Er verweist auch auf Beschlüsse des Aufsichtsrats. Demnach soll Thyssen-Krupp „ein Verbund“ bleiben – und dazu gehöre auch der Stahl.

Doch der Konzern verändert sich rasant. Die Vorstellung der neuen Aufzüge passt ins Bild – ein Konzern im Schwebezustand. Kein Seil hält die Kabinen mehr im Schacht. Lenken lässt sich der Lift sogar um die Ecke: Der Fahrstuhl kann auch quer durchs Haus gleiten. „Bahnbrechend“ nennt Thyssen-Krupp die neue Technik. Die Aufzugssparte ist inzwischen das stärkste Standbein des Konzerns. Rund 50.000 Beschäftigte arbeiten in der Sparte – fast ein Drittel der weltweit 160.000 Beschäftigten.

„Stahl ist kein prähistorisches Relikt“ 

Thyssen-Krupp als Stahl-Konzern? Das sei allenfalls noch die lokale Sichtweise im Ruhrgebiet, sagt ein Manager am Rande der Präsentation. „International sieht man uns so nicht mehr.“

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Betriebsratschef Segerath hält dagegen: „Stahl ist kein prähistorisches Relikt.“ Ob er sich Thyssen-Krupp ohne eine Stahlsparte vorstellen könne? „Nein“, sagt Segerath blitzschnell. Im Übrigen seien die Stahlwerke gerade für Deutschland ein wichtiger Arbeitgeber. Segerath zählt auf: Von den 27.000 Beschäftigten in der europäischen Stahlsparte von Thyssen-Krupp arbeiten 25.000 in Deutschland, davon wiederum 20.000 in NRW und knapp 15.000 in Duisburg. Zum Vergleich: Von den 50.000 Jobs im Aufzuggeschäft sind 90 Prozent im Ausland.

Chef der IG Metall aus NRW schaltet sich ein

Gerade erst wurde eine Beschäftigungssicherung in der Stahlsparte bis zum Jahr 2020 vereinbart. Die Beschäftigten nehmen eine Arbeitszeitverkürzung und Lohnverzicht in Kauf. Knut Giesler, Chef der IG Metall in NRW, mahnt daher: „Vertragstreue ist ein hohes Gut in Deutschland, ganz besonders bei Tarifverträgen. Das sehr ernst zu nehmen erwarten wir selbstverständlich auch von Herrn Hiesinger.“

Dass bei Thyssen-Krupp Traditionen so schnell doch nicht über Bord geworfen werden, zeigt gerade der neue Aufzug. Die Schwebetechnik stammt vom Transrapid: Totgesagte leben länger.