Duisburg. . Der Streik der Lokführergewerkschaft GDL trifft nicht nur die Bahnkunden, auch die Händler in den Bahnhöfen pendeln zwischen Langeweile und Genervtsein. Ihnen vermiest der Bahnstreik das Geschäft. Beobachtungen am Duisburger Hauptbahnhof und im Duisburger Lagezentrum der Bahn für NRW.

Von wegen großer Bahnhof. Hier sieht’s mehr nach Abstellgleis aus, kaum Menschen auf den Bahnsteigen, ein einsamer Regionalexpress wartet routiniert auf seinen Einsatz. Duisburg-Hauptbahnhof während des GDL-Streiks.

Eine Etage tiefer, in der Passage, hat die Leere Folgen. Die Einzelhändler, die hier ihre Waren an die Reisenden und Pendler bringen wollen, pendeln jetzt selbst zwischen Langeweile und Genervtsein. Mehmet (34) verkauft am Stand Döner und schlechte Nachrichten: „80 Prozent verkaufe ich weniger.“ Vorbereitet hat er sich schon. „Es gibt nur Hähnchen.“ Den Kalbfleisch-Döner hat er gar nicht erst bestückt. „Ich kann das doch nicht alles wegschmeißen. Ab 19 Uhr verkaufe ich alles für einen Euro, wenn dann noch was übrig ist, verschenke ich es lieber, als dass es in den Müll kommt.“

Die Bahnhofsgeschäfte haben wenig Kundschaft

Thorsten Pasdag (43) hat gleich zwei Tabakläden in Bahnhof. Er druckt sich den Kassenbestand aus und prüft die Zahl unterm Strich: „Na, gut ein Drittel weniger. Schon sehr ärgerlich. Einen Angestellten habe ich nach Hause geschickt, ich glaube am Sonntag lasse ich einen der Läden gleich ganz zu. Wegen so eines Machtkampfes muss die ganze Republik leiden.“

Im Presse- und Buchladen ist an so einem Tag Zeit, alte unverkaufte Magazine auszusortieren oder einfach mal den Warenbestand zu kontrollieren. „Vor allem die Pendler, die hier losfahren und Stammkunden sind, fehlen mir. Oder einige stürmen aus dem Laden, wenn eine neue Bahnhofsdurchsage kommt“, sagt Verkäufer Patrick. Er rechnet an den nächsten Tagen mit 30 Prozent weniger Umsatz. Leere Kassen, nix zu tun.

Ganz anders die Situation nur zwei Blocks entfernt, Hansastraße, Niederlassung West der DB Netz AG. Hier im Lagezentrum wird mit Eifer daran gebastelt, die Folgen des Streiks in den Griff zu bekommen, Notlösungen zu finden, dem Ersatzfahrplan Struktur zu geben. Zum Beispiel beim Regionalverkehr, den „roten Zügen“, wie es bei der Bahn heißt, S-Bahn, Regional-Express, Regional-Bahn. Um die Dimension zu begreifen: An einem normalen Wochentag werden so eine Million Reisende auf 3300 Zugfahrten bewegt, die von 1850 Lokführern gesteuert werden.

„Warnstreiks treffen uns härter. Diesmal lief die Planung gut.“

Wie viele von denen sich dem Streik angeschlossen haben oder noch werden, ist am Nachmittag noch nicht abzusehen. Klar ist aber schon jetzt, dass von den 3300 Fahrten etwa 1000 nicht stattfinden werden, bei 1100 wird es zu Teilausfällen kommen, der Rest, also etwas mehr als ein Drittel, müsste glatt durchkommen. Das hängt auch davon ab, wie gut die Frauen und Männer im „Arbeitsstab“ klarkommen. Der ist rund um die Uhr besetzt. Vorbereitet sind sie: Megagroße Kanne Kaffee, ein Netz Mandarinen, viel Weingummi, der Berufsverkehr kann kommen.

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Eine Etage tiefer sitzt die Transportleitung. Ein riesiger Raum, abgedunkelt, hundert Bildschirme flackern ihr Licht auf die Gesichter. Eins davon gehört Jürgen Mucha (57), alter Hase, er ist Disponent seit 19 Jahren. Jetzt spricht er mit einem Zugführer, gibt einen außerplanmäßigen Halt durch. „Weil die RB rausgenommen wurden, muss jetzt der RE 1 in Eilendorf zusätzlich halten.“ Damit die Wartenden dort nicht bis Montag stehen. „Ich schicke den Lokführern eine SMS und dann rufe ich sie zur Sicherheit noch übers Handy an.“ Das klappt. Mucha wirkt gelassen. „Es geht auch. Warnstreiks treffen uns härter. Diesmal lief die Vorplanung gut.“

Während einige streiken, kloppen andere Überstunden

Ein Anruf kommt rein. Ein anderer Lokführer. Mucha fragt ihn: „Thomas, wie sieht es aus: Streikst du oder bist du willig?“ Thomas ist wohl willig und Mucha erklärt: „Die müssen alle bei Dienstbeginn hier anrufen und uns mitteilen, ob sie streiken oder nicht. Thomas werden wir jetzt als Springer einsetzen. Wenn irgendwo jemand ausfällt.“

Wie sieht es denn generell mit der Stimmung in der Truppe während des Streiks aus, wollen wir von Mucha wissen. Aber die Pressesprecher grätschen dazwischen. Keine Fragen zum Streik direkt. Sie erklären ihr Veto aber auch: „Einige streiken, andere machen Überstunden. Aber wenn der Streik dann irgendwann vorbei ist, geht es ja auch darum , dass wir wieder kollegial miteinander umgehen.“