Duisburg. Putins Krieg in der Ukraine führt auch zu Anfeindungen von Menschen mit russischen Wurzeln. Eine Duisburgerin gibt Einblick in ihr Seelenleben.

Der Einmarsch Russlands in die Ukraine lässt die Welt zusammenrücken. Die Solidarität ist enorm, tausende Menschen setzen bei Demos ein Zeichen gegen den Krieg. Alle eint der Wunsch nach Frieden und der Zorn gegen den russischen Machthaber. Doch 2327 Kilometer vom Kreml entfernt – mitten in Duisburg – wird nicht nur die politische Spitze um Putin zum Ziel der Kritik.

„Letztes Jahr wurde an den Fenstern für mich als Pflegerin geklatscht“, sagt Lilia Timafeevv, die russische Wurzeln hat und im ambulanten Pflegedienst arbeitet. Der Applaus ist schon lange verstummt, und seit das Putin-Regime die Ukraine angegriffen hat und in Medien Bilder von Zerstörung und Leid verbreitet werden, ist die Stimmung umgeschlagen. „Nun muss ich mich beleidigen lassen, obwohl ich eins zu eins der selbe Mensch bin“, gibt die 28-jährige Duisburgerin Einblick in ihr Seelenleben.

Ukraine-Krieg: Russland-Deutsche erleben Anfeindungen in Duisburg

Unbekannte sollen ihr Auto zerkratzt haben, weil sie zuvor russische Musik hörte. „Mach die Russenmusik aus und verpiss dich in dein Land“, habe auf einem Zettel an der Windschutzscheibe gestanden. Auch ihr russischstämmiges Umfeld erlebe Skepsis, Pauschalisierungen und Anfeindungen. „Bis vor ein paar Tagen habe ich mich in Deutschland immer zuhause gefühlt, nun gehe ich nicht mal gerne unter Menschen“, sagt die 28-Jährige, die mit sieben Jahren mit ihrer Familie aus Sibirien nach Deutschland kam.

Täglich müsse sie sich positionieren und werde gefragt, was sie von dem Krieg halte. Dabei müsste die Antwort für jeden Menschen egal welcher Herkunft klar sein, sagt die Pflegerin: „Krieg kann man niemals gutheißen.“ Der Einmarsch sei alleine Putins Wille. Es sei nicht der Krieg des russischen Volkes und auch kein Krieg der hier in Deutschland lebenden Menschen mit russischen Wurzeln. So hatte es auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) formuliert und vor Anfeindungen gewarnt. „Wir sind nicht Putin“, bekräftigt Timafeevv.

„Die Russen sind gegen den Krieg!
„Die Russen sind gegen den Krieg!", stand auf einem Schild bei einer Solidaritätsdemonstration für die Ukraine am Brandenburger Tor. © dpa | Paul Zinken

Angriff auf Supermarkt in Oberhausen

Laut Angaben der Stadtverwaltung leben in Duisburg 1191 Menschen, deren erste Staatsbürgerschaft Russland zuzuordnen ist. Hinzu kommen Nachkommen und jene Bürgerinnen und Bürger, die familiäre Wurzel in Russland haben. Eine große Mehrheit, so die Pflegerin, dürfte Putins Krieg als großes Unrecht sehen, und doch werde man „abgestempelt“.

Auch interessant

Fenster zerschlagen und mit Farbe beschmiert: Bereits zweimal wurde ein osteuropäischer Supermarkt in Oberhausen attackiert. Der Staatsschutz ermittelt.
Von Von Matthias Korfmann und Christopher Onkelbach

Dass Grenzen überschritten werden, zeigt auch ein Fall aus der Nachbarstadt Oberhausen: Unbekannte zerschlugen die Fensterscheibe eines osteuropäischen Supermarktes. Zuvor hatte es Farbschmierereien an dem Geschäft gegeben, dabei wurde „Freie Ukraine“ und „Putin Mörder“ in großen Lettern auf das Glas gesprüht. Der Staatsschutz ermittelt.

Hass gegen Russen: Botschaft berichtet von Fällen

Die russische Botschaft in Berlin hat auf ihrer Internetseite dazu aufgerufen, dass sich Betroffene von Angriffen, Hetze oder Drohungen melden sollen. Innerhalb von drei Tagen, so die Angabe der Botschaft, die sich nicht überprüfen lässt, habe es „mehrere hundert Nachrichten“ gegeben. In Duisburg hat die Polizei in jüngster Vergangenheit noch keine Anzeigen in diesem Zusammenhang registriert, aufgrund der Straftaten in Nachbarstädten haben die Beamten aber Objekte mit einem russischen Bezug verstärkt im Blick, erklärt ein Polizeisprecher.

Auffälligkeiten gab es aber auch in der virtuellen Welt: Seit Kriegsbeginn haben die Betreiber des Restaurants Dr. Schiwago, das an der Düsseldorfer Landstraße liegt und auf osteuropäische Küche spezialisiert ist, auch Rezensionen erhalten, die über die Qualität des Essens sowie des Services hinausgehen. „Gute Küche, aber leider hat mir der russische Vernichtungskrieg gegen die Ukraine den Magen verdorben“, heißt es etwa in einer Google-Beurteilung. Fünf von fünf Sternen wurden trotzdem vergeben.

Krieg in der Ukraine: Aufklärung per Google-Bewertungen

In anderen Städten mehrten sich laut verschiedener Medienberichte die negativen Bewertungen bei Restaurants mit Russlandbezug – und oft mit identischem Wortlaut wie beim Duisburger Fall. Neben Anfeindungen könnten die Bewertungen aber vor allem eine fehlgeleitete Folge eines Aufrufs des Netzkollektivs Anonymous sein.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Die Hackergruppe hatte dazu aufgefordert, Informationen zum Ukraine-Krieg in Google-Bewertungen für Restaurants zu verbreiten, um das russische Volk niederschwellig und fernab der Staatspropaganda und der verschärften Zensur in Russland aufzuklären. Tausende Menschen folgten dem Aufruf – doch das Ziel waren Restaurants in Russland und eben nicht in Deutschland.

Im Austausch mit Gästen habe Eduard Kelberer in seinem Lokal Dr. Schiwago, in dem samstags ein Buffet mit osteuropäischen Spezialitäten angeboten wird, noch keinerlei negativer Bemerkungen vernommen – zumal der Geschäftsführer selbst aus der Ukraine kommt und in Duisburg Seite an Seite auch mit Russen arbeitet. „Ich kenne niemanden, der Putin unterstützt“, sagt Kelberer.

>> KONFLIKT AUF DEM SCHULHOF?

  • Auf Duisburger Schulhöfen habe der Krieg noch keine Konflikte zwischen Schülern verursacht, hat zumindest die Rückmeldung dreier Schulen im Stadtgebiet ergeben.
  • Gleichwohl werde der Konflikt in der Ukraine pädagogisch aufgefangen und im Unterricht thematisiert. Auch Friedens- und Spendenaktionen wurden initiiert.